Artikel: Loons Gerringer – Salkurning, eine Welt voller Geschichten
 
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Loons Gerringer – Salkurning, eine Welt voller Geschichten

ein Artikel von Sabine Seyfarth

 

Forlorner

Es beginnt ganz normal, wie die meisten Romane, die den Leser aus der realen Welt in die Fantasy-Welt führen wollen. Der Leser lernt die Protagonisten aus dieser Welt zunächst in einem Park kennen. Ein Schulprojekt führte die Klasse hierher und auf Bitten einer Freundin hatte James versprochen, den Bus zu fahren. Während er auf die Rückkehr der Klasse wartet, wird er kurzerhand von der Freundin noch zum Aufpasser auf Pix gemacht, eine korpulente Schülerin, deren Konstitution überfordert ist und die sich der Gothik-Szene zurechnet. Sie will cool wirken und ihre Kommunikation ist dementsprechend. Nach einiger Zeit kommt ein weiterer Schüler, Carmino dazu. Er ist zu lebendig, kann nicht aufhören, den Park als Parcours zu nutzen. So sitzt der eigentlich nur als Fahrer Mitgenommene plötzlich als Kindermädchen da und muss die Zeit rumbringen. Irgendwann beschließt er, der Verlockung nachzugeben, und sich das im Park vorhandene Labyrinth anzusehen. Natürlich kommen die beiden mit, denn allein wollen sie auch nicht sein. Aber, entgegen der Überzeugung ihres Führers, finden sie nicht mehr hinaus. Wohin sind sie gelangt? Sie suchen, aber nichts ist mehr so wie es war und sie finden nichts Bekanntes mehr, außer nach einer Weile noch eine Frau, die sie im Labyrinth gesehen hatten.

 

Nach diesem Beginn tritt der Leser ein in eine faszinierende Welt, die voller Wunder und Rätsel ist. Neben Elementen des Steampunk und des Mittelalters sind die ungewöhnlichsten Geschöpfe auf dieser Welt. Der Autorin ist es gelungen, einige sehr spannende Charaktere auch in dieser Welt anzusiedeln. Allen voran der Erfinder Inglewing. Seine größte Erfindung ist die Verkompostierung in den Toiletten durch kleine Käfer. Außerdem fährt er mit einem selbstfahrenden Wagen durch die Gegend, der einmalig ist. Leider wurde er nicht an der Universität zugelassen, an der er gern weiter an seinen Erfindungen gearbeitet hätte. Seine Gäste faszinieren ihn, denn er ist überzeugt, dass es eine Verbindung zwischen den Welten gibt. Trotzdem müssen die Gestrandeten untertauchen.

 

Sie werden bei einer Theatergruppe angenommen, die sich mit Kunststücken ihren Lebensunterhalt verdient. Aber etwas ist anders dieses Jahr, nicht nur die Fremden verändern das Leben der Truppe, es gibt einige Anzeichen, dass in der Welt etwas vor sich geht, was scheinbar schon lange prophezeit wurde.

 

In der Truppe kann sich eigentlich keiner leisten, nichts zum Unterhalt beizutragen. Aber was können Menschen aus unserer Welt, die gewöhnt sind, an all die kleinen Annehmlichkeiten unseres Lebens, vor allem der behüteten Kindheit, einer Schausteller Truppe geben? Was macht ein Medizinstudent in einer Welt ohne Apotheke und Stethoskop?

 

In dieser kleinen Gemeinschaft gibt es Geheimnisse, Rivalitäten, Spaß und Zusammenhalt. Es stellt sich heraus, dass die Schausteller eigentlich eine bekannte Theatergruppe sind. Das gibt der Autorin die Möglichkeit, ein Theaterstück zu beschreiben. Dies ist so gelungen, dass ich mich frage, ob unsere Theater in der Lage wären, so zu spielen. Nach dem Chef reisen die Schauspieler unter dem Namen »Stern von Montagu«(e) – ist die Verbindung zu Shakespeare gewollt? Mir gefällt sie jedenfalls und die Truppe hat sie sicher verdient.

 

Es ist eine Freude mit ihnen unterwegs zu sein. Na ja, nicht immer, denn die Welt ist ziemlich gefährlich, lebensgefährlich. Gruslig teilweise, ich bin oft froh gewesen, nur in meinem Kopf dort zu sein.

 

Es ist aber auch eine besondere Freude mit Inglewing zu reisen. Seine Mitreisende ist eine sehr selbstbewusste und abenteuerliche Frau. Eben jene, die in unserer Welt auch im Labyrinth war und sich dort intensiv sexuell beschäftigte. Sie wurde zuerst von Inglewing aufgesammelt.

 

Die Geschichte entbehrt keinerlei Abenteuer, Rätsel und Phantasie, aber besonders interessant für mich waren die sehr berührenden Geschichten der Menschen in beiden Welten. Ich finde, dass dies die Hauptstärke der Autorin ist. Sie kann Menschen schildern mit ihren unterschiedlichsten Lebensentwürfen, die sich von verschiedenen Seiten zeigen. Keine schwarz/weiß Charaktere, sondern lebendige Menschen, deren Motive nicht immer klar sind, die man nicht immer versteht, aber die auch ihre liebenswerten Seiten haben. Nach dem ersten Band gibt es noch so viele offene Geheimnisse und sicher so viel zu entdecken.

 

Tyggboren

Der zweite Band bringt eine Menge Katastrophen mit sich, die Probleme häufen sich und es treibt alles auf einen Höhepunkt zu. Aber dabei schafft es die Autorin, sich der Auflösung der Rätsel zu nähern ohne sie vollständig aufzudecken. James hat sich zu einem Hakemi entwickelt, dem Pendant eines Arztes, er lernt ständig dazu und verzweifelt oft, weil ihm nicht die Möglichkeiten der modernen Medizin zur Verfügung stehen. Carmino hat sich absolut in die Gruppe eingefügt, er kann endlich machen, was er schon immer wollte: seine akrobatischen Fähigkeiten nutzen. Er ist in seinem Element. Am schwierigsten hat es Pix. Sie hat als Frau kaum Rechte in dieser Truppe und ist unter der Fuchtel einer Frau, die sie den ganzen Tag herumkommandiert.

 

Kate schafft es, sich in die Gesellschaft zu integrieren, obwohl oder weil sie eine sehr selbstbewusste Frau ist. Sie ist ein interessanter Charakter und ich glaube es ist sehr mutig, eine solche Protagonistin zu beschreiben. Ich wüsste auf Anhieb nicht, wo ich eine solche Protagonistin schon mal erlebt hätte, nicht mit dieser Konsequenz und als Mensch unserer Gegenwart. So wie sie, ist auch Inglewing in der Gesellschaft ein aus der Masse herausschauender Charakter. Kate gelingt es bei Inglewing mitzufahren. Er hat große Probleme mit einer so emanzipierten Frau, die auch in unserer Welt kein einfacher Charakter ist. Sie tut, was sie für richtig hält und bringt dabei sich und den Erfinder oft in Gefahr. Aber sie kann damit ganz gut umgehen, oder überschätzt sie sich?

 

James fühlt die Verantwortung für die beiden jungen Menschen, die ihm anvertraut wurden und will sie unbedingt nachhause bringen. Dazu versucht er alle Wege zu gehen, die sich ihm anbieten. Gefährliche Wege. Dabei spürt er immer mehr die Präsenz eines Anderen in sich, eines Mörders. Allein dieses Wissen ist schon gruslig. Woher kommt der andere, wer weiß davon, wie und was ist die Schuld und was hat James damit zu tun? Was ist er selbst und woher kommen Dinge, die er kennt und kann?

 

Die Mitglieder der Truppe werden immer stärker entwickelt. Es werden neue Geheimnisse entdeckt, neue Situationen, mit denen niemand rechnet. Liebeskummer und Eifersucht, Traditionen und deren Bruch, gesellschaftliche Ränge und Zwänge. Der Leser erlebt in dem Chaos, das in dieser Welt zunimmt, menschliche Tragödien, er erlebt Solidarität und Kampf, Aufgeben und wieder Aufstehen. Die Charaktere wachsen an den Aufgaben und verzweifeln, eine spannende und exotische Situation folgt der anderen. Inglewing träumt von seinen Flugmaschinen und hat die Möglichkeit, sie zu bauen – warum? Und wird er es schaffen? Pix erlebt ihre erste Liebe. Kate geht ihren eigenen Weg, ist unterwegs in grusligen Wäldern und spielt mit der Gefahr, die ihr Begleiter darstellt. Dazu kommt Firn, ein Charakter so bunt und unauslotbar, wie ein Pendent zu Kate wirkt er. Wer ist er und was will er?

 

Die Schauplätze sind so vielfältig wie fremdartig, vom Meer bis in die tiefen Wälder.

 

Ein spannender zweiter Teil, der sich nahtlos an den ersten anschließt und die Frage an den dritten Teil stellt, was kann denn jetzt noch kommen, geht es wirklich noch schlimmer? Wie könnte ein Ausweg für diese Welt aussehen? Die Autorin scheint in ihrer Welt keinen Zauber zuzulassen, der alles wieder gut macht. Der Leser hat keine Wahl, er muss den Weg seiner Lieblinge, zu denen jetzt auch die Personen dieser Welt zählen, weiter gehen.

 

Halkarna

Ich habe nicht gelächelt, es kam trotzdem schlimmer. Die Autorin schickt die Protagonisten in die Welt zwischen den Welten, einstmals Durchgänge zu anderen Welten, aber jetzt verschlossen, verwüstet und nur einige wenige können hinein und auch wieder hinaus nach Salkurning.

 

Dieser dritte Band geht über das hinaus, was man denkt, als Mensch noch aushalten zu können. Alle Protagonisten werden auf harte Proben gestellt. Das Leben ist nicht nur lebensgefährlich, auch die geistige Gesundheit leidet, nicht nur bei James. Die Welt geht unter und die Helden versuchen, auf ihre Weise zu überleben, und eventuell dabei auch die Welt zu retten, aber geht das noch?

 

James wirkt immer grauer und seine Motivation ist längst nicht mehr, selbst nach Hause zu kommen, er ist sich selbst und der Welt gegenüber gleichgültig geworden. Das Einzige, was ihn weiter vorwärts treibt, ist sein Verantwortungsgefühl und immer wieder seine Gefühle für Firn, die er endlich einordnen will, und für die einfach keine Zeit mehr ist. Firn bleibt ein interessanter Charakter und hat mich bis zum Ende nicht enttäuscht. Seine Motive bleiben immer wieder im Dunkeln, versteckt hinter einer unbändigen Lebenslust und einem Panzer aus Arroganz.

 

Pix wird zur Frau, zur Kämpferin und zur loyalen Freundin. Kate geht einen schweren Weg, lernt sich selbst kennen und muss mit sich klarkommen. Inglewing will sich für die Liebe entscheiden, geht dafür einen lebensgefährlichen Weg und muss immer wieder mit sich ringen, wo seine Moral und sein Verständnis von Beziehungen Mauern bilden und wo sich Tore auftun könnten, sollten, wollen.

 

Der allgegenwärtige Staub scheint sich auf alles zu legen und nur eine glaubt noch an ein Ziel: Pix. Wird das reichen? Oder sind die Sagen einfach wirklich nur Märchen, jagen sie in ihrer Verzweiflung einer Fata Morgana nach?

 

Ein Schrecken jagt den anderen. Eine enttäuschte Hoffnung die andere und immer wieder die Frage, ob es nicht besser sei, aufzugeben. Teilweise gibt es sogar kleine Lichtpunkte, wo die Verführung da ist, dort zu bleiben und einfach den Rest des Lebens zu genießen. Die verschiedensten Motive treiben die Protagonisten vorwärts und immer wieder staunte ich über Pix. Sie entfaltet plötzlich eine Energie, von der man sich fragt, wo sie die hernimmt. Vielleicht daher, dass sie am wenigsten in diese Welt integriert ist, aber sie gibt auch nie die Hoffnung auf.

 

Diese Bände sollte man wirklich in Ruhe lesen und die vielen Details der Welt genießen. Ein aufmerksamer Leser wird die kleinen Hinweise verknüpft finden, die sich in den ersten beiden Bänden befinden und dann ihren Sinn oder ihre Verknüpfung im dritten Band entdecken. Nach fast 3000 Seiten verlässt man diese Welt mit ein wenig Bedauern und die Zeit, die man dort verbracht hat, ist so schnell vergangen, dass man die Seitenzahl lesen muss, um zu glauben, dass es wirklich so viele sind.

 

Eine sehr eigenständige Geschichte mit absolut eigenen, interessanten Charakteren, vielen Details. Ich kann diese Trilogie nur empfehlen für Leute, die Mittelalter-schwarz/weiß-Fantasy satt haben und etwas völlig Anderes, sehr Intelligentes lesen wollen.

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eBook:

Forlorner

Reihe: Salkurning Band 1

Autorin: Loons Gerringer

Dateigröße: 3242 KB, ca. 853 Seiten

Selbstverlag, 2013

 

Kindle-ASIN: B00CU8EDDU

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

 

Tyggboren

Reihe: Salkurning Band 2

Autorin: Loons Gerringer

Dateigröße: 3165 KB, ca. 890 Seiten

Selbstverlag, 2013

 

Kindle-ASIN: B00CU8EIQM

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

 

Halkarna

Reihe: Salkurning Band 3

Autorin: Loons Gerringer

Dateigröße: 2016 KB, ca. 1042 Seiten

Selbstverlag, 2018

 

Kindle-ASIN: B07DWKV555

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 06.08.2020, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 18867