Bergünerstein II: Der Mord von Antonia Bertschinger
Rezension von Christel Scheja
Die 1973 geborene Antonia Bertschinger ist durch ihre verschiedenen Abschlüsse in der Welt herumgekommen und war unter anderem in Berlin, Teheran und Cambridge in England. Sie arbeitete schon in der Schweizer Botschaft und bei Amnesty International oder als Projektmanagerin für die Universität Basel. Mittlerweile ist sie aber auch als freischaffende Journalistin und Autorin tätig. Bergünerstein II: Der Mord setzt ihre historische Serie über das Leben der Menschen in Graubünden im 17 Jahrhundert fort.
Auch in Graubünden in der Schweiz werden im Jahr 1662 jede Menge Hexen hingerichtet, nur in wenigen Dörfern wie Bergün scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, denn ein frommes Schauspiel fühlt sie zusammen und jeder fügt sich in sein Los, selbst Susanna, die ihren Vergewaltiger heiraten muss, um ihr Kind nicht in Schande zu gebären.
Doch dann sterben acht Arbeiter aus ungeklärten Gründen beim Bau der Straße am Bergünerstein und man sucht nach dem Schuldigen in Gestalt einer Hexe, auch wenn Richter Cla von Jochberg Recht und Ordnung zu wahren versucht. Zugleich muss die erfolgreiche Geschäftsfrau Luzia um ihr Leben kämpfen und in Pontresino versucht Mengia ihrem tyrannischen Vater zu entkommen, um endlich ihren Geliebten Giovanni heiraten zu können.
Es ist schon eine ganz eigene Welt, in die Antonia Bertschinger in ihrem zweiten Roman eintaucht. Das merkt man nicht nur an der eigentümlichen Sprache, die erstmals auch das Räterromanische in den Mittelpunkt stellt, sondern auch an der ganz anderen Denkweise der Menschen.
Frauenschicksale stehen im Mittelpunkt der Geschichte, seien es nun Luzia, die ihr Leben in Bergün mit einer Lüge begonnen hat und immer wieder von ihren Schuldgefühlen heimgesucht wird. Und nicht nur dass, sie muss durchaus auch irdische Strafe für ihre begangenen Taten fürchten, wenn dies ans Licht kommt. Gleichzeitig wird ihre selbstständige Arbeit auch immer wieder argwöhnisch beäugt.
Dann ist da Susanna, deren Martyrium erst beginnt, als sie auch noch ihren Vergewaltiger heiraten muss, um eine ehrbare Frau zu werden. Und nicht zuletzt ist da Mengia, die trotz ihres tyrannischen Vaters versucht, mit ihrem Geliebten glücklich zu werden.
Die Geschichte beschränkt sich auf wenige Schauplätze, damit sie die wichtigen Figuren um so mehr ausarbeiten kann. Gerade die zentralen Charaktere erleben immer wieder, wie eng die Grenzen sind, die die Gesellschaft ihnen setzt und wie gefährlich es sein kann, wenn man versucht aus diesen auszubrechen und einen eigenen Weg zu gehen oder zu retten, was zu retten ist.
Das ganze wird sehr lebensnah und eindringlich geschildert, denn die Autorin versucht nichts zu modernisieren, sondern wirklich in der Zeit zu bleiben, in der Religiösität, Aberglauben, die aufkommende Aufklärung und nicht zuletzt auch Pragmatismus zu einer gefährlichen Mischung werden.
Das ganze ist ausgezeichnet recherchiert, die Handlung bleibt dennoch lebendig, weil es gelingt das Wissen und die Informationen in glaubwürdige Szenen und Dialoge einzubetten und damit in den Bann zu schlagen, auch wenn der Text durch die vielen fremden Worte nicht immer einfach zu lesen ist.
Fazit:
»Bergünerstein II: Der Mord« ist mehr als ein einfacher historischer Roman, denn die Autorin bietet einen intensiven Einblick in die Gesellschaft und das Leben der Menschen in Graubünden in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Gerade das Frauenleben steht im Fokus, die verschiedenen Schicksale, derjenigen, die versuchen unter den strengen Regeln, die ihnen Glauben und Sitte auferlegen, dennoch ein wenig ihren Weg zu gehen und nicht unterzugehen, weil sie viel zu schnell in einen Abgrund fallen oder als Hexe angeklagt werden könnten.
Nach oben