Beutezeit (Autor: Jack Ketchum)
 
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Beutezeit von Jack Ketchum

Rezension von Christian Endres

 

Nach seinem schockierenden »Evil« wird mit »Beutezeit« der nächste Roman von Jack Ketchum alias Dallas Mayr unter dem HARDCORE-Label von Heyne im Taschenbuch aufgelegt. Wie schon »Evil« (orig.: »The Girl next door«), ist auch »Beutezeit« (orig.: »Off Season«) ein schonungsloser und zuweilen unglaublich harter und intensiver Horrorthriller, der nicht nur gekonnt mit der von all den Genre-Klischees genährten Erwartungshaltung seiner Leser spielt und immer wieder an die Grenzen des guten Geschmacks stößt, sondern diese schon nach 100 Seiten ganz bewusst überschreitet und für die letzten beiden Drittel der Story hinter sich lässt. Im Falle von »Beutezeit« ging das bei Ersterscheinen 1980 letztlich sogar so weit, dass Ketchums Roman nur indiziert auf den amerikanischen Markt kommen durfte, bevor er erst 1999 (!) in einer an die ursprüngliche, aber leider vom Autor selbst vernichtete Original-Fassung angelehnten Version samt gelungenem Vorwort von Douglas E. Winter (das es glücklicherweise auch in die deutsche Ausgabe geschafft hat) und Nachwort von Ketchum erschien.

 

Ein Häuschen am Dead River in Maine wird trotz spätherbstlicher Idylle im Indian Summer zum Schauplatz der Gewalt sowie unvorstellbarer Greueltaten. Alles beginnt ganz harmlos, als drei Pärchen sich das kleine Haus in der Wildnis mieten, um den Sorgen ihres Alltags in New York zu entkommen. Doch nicht nur Marderhunde und Waschbären schleichen nachts auf der Suche nach Nahrung um jenes Haus, das zudem noch in einer Gegend liegt, in der in den letzten Jahren immer wieder Menschen spurlos verschwunden sind. Schließlich wird auch die örtliche Polizei vor Ort endlich misstrauisch und stellt die vielen Verschwundenen und Vermissten entlang der Küste und in den Wäldern in einen Zusammenhang. Ob die reichlich spät gestarteten Ermittlungen die jungen Männern und Frauen in der Hütte allerdings retten können, steht noch in den Sternen, die wiederum mit eisiger Boshaftigkeit in der kalten Herbstnacht über der Wildnis funkeln...

 

Degeneration gegen Zivilisation. Kannibalistische Landeier gegen beziehungsgebeutelte Großstädter. Angst gegen Gewalt. Blutrünstige Hillbillys gegen verliebte Städter. Hunger gegen Verzweiflung. – Jack Ketchum gewinnt den Motiven und ihren Begleiterscheinungen sicherlich keine neuen Impulse ab. 1980 hätte und hat er dies vielleicht ansatzweise getan – 2007, nach einer Überdosis schnell produzierter Horror-Movies wie den Remakes zu The Hills Have Eyes und anderen, schockiert einen weder das Grundthema um die menschenfressenden, degenerierten Hinterwäldler, noch der hohe Splatter- oder Ekelfaktor mit der Prise Sex im hinteren Teil des Romans. Dennoch hat Ketchums »Beutezeit« vielen seiner Genreverwandten etwas voraus: Wie schon in »Evil«, geht Ketchum auch im vorliegenden Roman wieder hart und gnadenlos mit seinem Leser ins Gericht. Zeigt, dass man sich einfach nicht abwendet, egal wie grausam oder ekelhaft eine Szene wird, ja dass man stattdessen, gierig und hungrig wie die inzestuösen Jäger aus den Wäldern, bis zum Ende weiterliest, fasziniert und abgestoßen zugleich. Damit ist Ketchums Roman abermals vor allem eines: eine blutige, brutale und faszinierend abstoßende Reise hin zu bitterer Selbsterkenntnis.

 

Mayrs/Ketchums bewährtes Konzept funktioniert also auch diesmal: Idylle und Figuren knapp, aber geschickt aufbauen, relativ simple und eindeutige Andeutungen und Hinweise aussetzen – und dann Stück für Stück das bodenlose Grauen und den maßlosen Ekel steigern, bis es fast nicht mehr zu erdulden ist. Mit schlichten handwerklichen Mitteln schafft Ketchum so auf wenig Raum und mit kleiner Cast eine beklemmende Atmosphäre, die den Leser gewissermaßen dazu zwingt, Seite für Seite weiter zu lesen, obwohl man das oft viel zu explizite Buch eigentlich lieber aus der Hand legen möchte und es zum Ende hin auch ein Stück weit nachlässt.

 

Dennoch ist »Beutezeit« über weite Strecken ein schnörkelloser, grausiger Pageturner voller Abgründe.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240419074153b8dc352d
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Titel: Beutezeit

Autor: Jack Ketchum

Taschenbuch, 300 Seiten

Heyne, Oktober 2007

ISBN: 345367507X

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 09.10.2007, zuletzt aktualisiert: 08.02.2023 19:01, 5034