Obwohl – der lose auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick basierende – Blade Runner seit Jahren als wegweisender Kultfilm gilt, hat es erstaunlich lange bis zu einer Comicversion gedauert, die in der Filmwelt spielt. Vor knapp fünf Jahren hat Michael Green mit Blade Runner 2019 seine Vision präsentiert. Nun folgen K. Perkins, Mellow Brown und Mike Johnson mit Blade Runner Origins Band 1: Produkte, die aber ein Jahrzehnt früher spielt.
Eine Wissenschaftlerin der mächtigen Tyrell Corporation wird tot aufgefunden. Die Hinweise deuten auf Suizid hin, sodass die Ermittlungen, für die Detective Cal Moreaux zuständig ist, nur Formsache scheinen. Doch warum soll der Ex-Soldat dann gekauft werden? Moreaux ermittelt darauf gründlicher, als vielen lieb ist, und stößt auf ein Geheimnis.
Die von K. Perkins (Paper Girls), Mellow Brown (American Gods) und Mike Johnson (Titans) erdachte Story harmoniert nicht nur gut mit dem Film »Blade Runner«, sondern auch mit dem Werk von Michael Green. Das dürfte daran liegen, dass der für diesen Comic als Kreativberater tätig fungierte. Mit Cal Moreaux präsentieren die Macher einen interessanten Protagonisten, der nicht nur als Identifikationsfigur taugt, sondern auch ein wenig an den Replikantenjäger Decker aus dem Film »Blade Runner« erinnert. Dementsprechend ist auch eine gewisse Ermittler-Noir-DNA präsent, die gut zum Setting passt. Die Geheimnisse, die Cal Moreaux umgeben – etwa bezüglich der militärischen Vergangenheit oder seiner Schwester – sorgen neben den Ermittlungen für Spannung und dürften in den folgenden Bänden noch eine Rolle spielen. Aber auch schon jetzt bietet die Story einige Überraschungen. Statt einer ständigen Actionhatz stehen die Ermittlungen von Cal Moreaux im Vordergrund, die die Macher aber mit einzelnen actionreichen Sequenzen würzen. Nicht ganz optimal wirken allerdings die Zeitsprünge. Der Comic beginnt 2007 mit Ereignissen, die in der Handlung des ersten Bandes praktisch keine Rolle mehr spielen. Darauf erfolgt nach ein paar Seiten der Sprung in das Jahr 2009. Dann bewegt sich die Handlung einen Tag zurück, was nicht ganz zwingend wirkt. Die zeitliche Organisation wirkt so etwas holprig und hätte sich insgesamt besser lösen lassen.
Die Optik von »Blade Runner 2019« war bereits ansprechend. Aber Zeichner Fernando Dagnino (Smart Girl) zeigt, dass es noch besser geht. Dabei setzt der Spanier durch besonders sorgsam gestaltete Panels immer wieder visuelle Ausrufezeichen. Dazu zählt auf jeden Fall eine fast doppelseitige Sicht auf den Stadtmoloch von Los Angeles. Hier erscheint die von Abgasen durchzogene dicke Luft, in der sich Feuer, Lichter und Sonne zwischen hoch emporragenden Wolkenkratzern spiegeln, förmlich greifbar. Zusammen mit dem – wie im Film – fast allgegenwärtigen Regen entsteht so eine dichte Atmosphäre. Ein anderes Beispiel für eine tolle visuelle Umsetzung des Plots ist der großformatig dargestellte Zusammenprall eines Flugautos mit der Glasfassade eines Wolkenkratzers, bei dem die im Vordergrund dargestellten Panels sich von klassischen Bildkonventionen lösen und wie Glassplitter gestaltet sind. Es findet sich für Fans zudem eine schöne Hommage an Rutger Hauers berühmteste Szene aus dem Film.
Als Bestandteil des umfangreichen Bonusmaterials findet sich am Ende des Sammelbandes nicht nur eine Cover-Galerie. Auch Figurenentwürfe und Layout-Skizzen sind vorhanden. Besonders aufschlussreich sind die letzten Seiten, die für ausgewählte Szenen den Weg vom Script zur Zeichnung zeigen. Vorbildlich!