Blutdurst von Jonathan Nasaw
Rezension von Carsten Kuhr
Stellen sie sich eine Welt vor, in der sich neben den Anonymen Alkoholikern, den Sexabhängigen, und den zwangshaften Kleptomanen eine weitere Selbsthilfegruppe gebildet hat – die anonymen Vampire. Mit dem erfolgreichen 12 Stufen Plan versuchen diese ihre Abhängigkeit vom roten Lebenssaft, der bei ihnen den sexuellen ultimativen Kick auslöst, in den Griff zu bekommen. Also Stuhlkreis statt Orgien, Gemüsesaft statt Blut.
Nick, der Gründer und Leiter der Gruppe ist sein Jahren clean. Zusammen mit seinem Freund Whistler hat er das runde Dutzend der Geschöpfe der Nacht überzeugt, und ist zurecht stolz auf das Erreichte. Doch da gibt es noch eine alte Rechnung zwischen den beiden ungleichen Freunden. So setzt Whistler zusammen mit einer Gruppe Hexen und Kultisten seinen Plan in Gang, in dem Babyblut eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Ein Plan, der Nick wieder in die Abhängigkeit führen soll...
Jonathan Nasaw ist seit seinem Überraschungserfolg »Die Geduld der Spinne« ein bekannter Name auf den internationalen Krimi- und Thriller-Bestsellerlisten. Mit diesem Roman, dessen Fortsetzung »Reich der Schatten« für Dezember 2006 angekündigt ist, wendet er sich erstmals dem Vampir-Genre zu.
Selten wurden die Nosferatu so alltäglich, so durchschnittlich, so menschlich dargestellt, wie in diesem Buch.
Junkies auf der Suche nach dem Stoff, der für sie Leben ist. In diesem Fall statt Exstasi oder Angel Dust eben Blut, um mit der Einnahme desselben den Trip zu erreichen. Das liest sich oftmals provokant, das sind Gestalten, wie sie uns tagtäglich begegnen, vereinsamte, abhängige Wesen, deren Glück am wie auch immer gearteten Stoff hängt.
Nasaw will seine Leser provozieren, hält uns einen Spiegel einer dekadenten Zivilisation vor Augen, die ohne innere Werte auf der Suche nach ihrer Suchterfüllung ist. Dass es hierbei deftig zugeht, ist klar, wobei anzumerken ist, dass die Beschreibungen der sexuellen Ausschweifungen nie geschmacklos oder überzeichnet wirken. Sie sind Bestandteil des Settings, nicht mehr.
Dennoch vermochte mich dieser Roman nicht so ganz zu packen.
Mag sein, dass es an dem ungewöhnlich distanziert wirkenden Stil lag, oder daran, dass ein echter Protagonist fehlt, aber ich wurde mit keinem der Akteure so richtig warm. Nun gibt es in der Handlung auch keinen wirklichen Triumph zu feiern, winkt kein hehres Ziel. Man kann das Werk mehr als durchaus unterschwellig kritisches Sittengemälde unserer modernen westlichen Kulturlandschaft betrachten, nicht unbedingt als ein Spannungsroman mit durchgängigem Handlungsbogen. Insoweit bietet das Werk einen pointierten Einblick in die West-Coast Gesellschaft der USA, eine ungewöhnliche Aufarbeitung des alten Vampir Themas, leider aber keine wirklich packende Handlung.
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