Charles Manson: Kleiner, irrer, böser Mann
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Charles Manson: Kleiner, irrer, böser Mann

Artikel von Karin Reddemann

 

Der Mythos vom großen, genial bösen Mann spuckt sich selbst in hohem Bogen an. Der Große war klein, lächerliche einssiebenundfünfzig. Und er war irre böse. Genial? Wäre er wohl gern gewesen.

So blieb ihm nur das eingeritzte Hakenkreuz auf der Stirn zum Trotze gegen die verkehrte Welt. Eine, die immer noch verdreht genug war, aus ihm eine Pop-Ikone zu machen, weil eine Faszination entdeckt wurde, die keinen wirklichen Tiefgang braucht. Es geht ja so einfach, dumme dunkle Gedanken zu verklären. Charles Manson war kein Revoluzzer. Nicht mal das. Irgendwie kläglich war er. Ein fanatischer Irrer. Sektenführer. Verbissen in fatal falsche Ideologien, verkorkst und völlig größenwahnsinnig.

 

»Ich bin Jesus und Satan in einer Person!«

Helter Skelter! Holterdiepolter!

Manson über sich. Stolzgeschwellte Brust, flackernde Augen. Ein Lästerer, Menschenverachter. Manipulator. Ein abartiger Mörder. Musiker wäre er gern geworden. Zumindest ein echter Easy Rider. Der lief im Kino. Mit viel Wut im Bauch. Die hatte Manson auch. Die Beatles ließen ihn begeistert aufjaulen. Helter Skelter. Sein Slogan für die Apokalypse. Holterdiepolter. Schwarzer Zorn gegen Weiß. Am Ende Unterwerfung. Sein Rassensieg. Mansonsieg. Irrensieg. Helter Skelter. Die Beatles heulten. Die Welt heult nicht. Charles Manson ist tot. Gestorben wie ein ganz normaler alter kranker Mann mit dreiundachtzig Jahren. So läuft das. Friedlich entschlafen. Vielleicht sogar mit diesem gewissen Gefühl finsterster Seligkeit, so schnell mit Sicherheit nicht von der Bühne zu verschwinden.

 

Man erinnert sich. Man weiß bescheid. So einer wie Manson hat keinen Stern auf dem »Walk of Fame«. So einer hat einen Ruf, der über die Leichen der Vergangenheit geht und sie schreiend weckt. Auch über die eigene.

 

1971 wurden Manson und seine drei »Jüngerinnen« Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Leslie Van Houten wegen siebenfaches Mordes zum Tode in der Gaskammer verurteilt. Der Oberste Gerichtshof von Kalifornien erklärte die Todesstrafe noch im gleichen Jahr für verfassungswidrig und ordnete stattdessen lebenslange Haft an. Der blutige Sommer am Cielo Drive 1969 kostete die eiskalten Killer ihre Freiheit. Mehr oder weniger nicht.

Blutiger Sommer 1969

Irgendwann in den 1970ern lief Tanz der Vampire im Fernsehen, und meine Mutter erzählte, dass die Hauptdarstellerin, diese faszinierend schöne Frau, grausam ermordet wurde, kurz, nachdem der Film in die Kinos gekommen war. Sharon Tate, Ehefrau von Regisseur Roman Polanski und zum Zeitpunkt ihres furchtbaren Todes hochschwanger, starb im Sommer 1969, und die bestialischen Morde an ihr, ihrem ungeborenen Kind und vier ihrer Freunde übte nicht Manson selbst, sondern seine »Familie« aus. Sie war sein Instrument, wie mechanisch gehörig und gefügig gemacht:

Denker, Gönner und Schöpfer des Gemetzels in der Hollywood-Villa am Cielo Drive auf den Hügeln oberhalb des Sunset-Boulevards am 9. August eines Jahres, in dem die Blumenkinder ihrer Blütezeit von Liebe, Frieden und LSD selig träumend huldigten, war in der Hauptsache er: Charles Manson.

 

Manson ist tot. Er starb an einem Sonntagabend im Novemer 2017 in einem Krankenhaus in Kalifornien im Alter von dreiundachtzig Jahren. Die Zeit, zu bereuen, fand er in den fast fünfzig Jahren, die er hinter Gittern in Kalifornien verbracht hatte, wohl nicht. Warum auch? Niemals hätte er die Anweisung gegeben, zu töten, behauptete er. In dem Haus von Sharon Tate ein Blutbad anzurichten. Alle abstechen zu lassen. Tate, ihr Baby, die vier Gäste, Starfriseur Jay Sebring, die Freundin Abigail Folger, den Schauspielerkollegen Voytek Frykowski und den 18jährigen Steven Earl Parent, der den Mördern ahnungslos die Tür öffnete an diesem Abend im August hoch oben über L.A., wo die Luft klar ist und diese wunderbare Ruhe herrscht.

 

»Es war ganz still … man konnte die Eiswürfel hören, die unten im Canyon in den Cocktailgläsern klingelten.«

Es war ganz still

So eine der Mörderinnen. Und sie kamen wieder, kurz darauf in die Villa von Leno LaBianca und seiner Frau. Auch hier, eine Blutorgie, alles als Auftrags-Job inszeniert von den Manson-Jüngern Charles Watson und den langhaarigen, dank wirrer Überzeugung und Wunderstoff LSD lächelnden »Angel-Faces« Susan Atkins, Patricia Krenwinkel, Linda Kasabian und Leslie Van Houten.

 

Patricia Krenwinkel sagte später vor Gericht aus, ihre Hand hätte geschmerzt, weil sie mit ihrem Messer immer wieder auf Knochen gestoßen sei. Aber Manson hätte das alles so und nicht anders von ihnen erwartet. Über 200 Messerstiche. Mit Blut geschrieben das Wort »Pig« an der Tür.

50 Millionen für die Scheiße

»Wir sind doch alle frei. Ich bin kein Boss von irgendwem.«

 

Sagte Manson in einem Interview für das Rolling-Stone-Magazine vor sieben Jahren, behauptete, sich für die Vermarktung als »gefährlichsten Mann der Welt« zu inszenieren, grinste breit, machte seiner Empörung darüber Luft, für Morde im Gefängnis zu darben, bei denen er selbst sich die Hände nicht blutig gemacht hatte. Seine Gnadengesuche waren stets auf taube Ohren gestoßen, er, der normalerweise auf dem elektrischen Stuhl gelandet wäre, hätte Kalifornien die Todesstrafe nicht 1972 abgeschafft, fühlte sich als Gefangener deplatziert. Die Regierung schulde ihm als Entschädigung …

 

»… 50 Millionen Dollar für diese Scheiße.«

 

Diese »Scheiße« hatte ihn berühmt gemacht, das genoss er. TV-Dokus, Filme, Bücher, Ausstellungen, der Provokateur Marilyn Manson sorg(t)en für Präsenz über Jahrzehnte hinweg, Guns N’Roses und die Beach Boys brachten sogar Songs von ihm, dem seine Berufung Suchenden, der als Straßenmusiker, Zuhälter und profaner Dieb arg schlecht Karriere gemacht hatte, bevor er 1967 in der Hippie-Kommune »The Family« die Rolle seines Lebens spielen lernte.

Teuflische Vision

Er hatte dieses Vision: Schwarze Rebellen ermorden die reichen Weißen, und er, Manson, gewährt den Überlebenden seine Sicherheit und macht sich anschließend die Afroamerikaner als minderwertige Rasse untertan. Teuflisch genug, dämonisch der Plan: Die grausamen Morde in der Tate- und LaBianca-Villa sollten den Farbigen in die Schuhe geschoben werden.

 

Manson war Rassist, verabscheute Jimmy Hendrix (»Negermusik«), war gleichsam davon überzeugt, dass Frauen keine wirklichen Seelen hätten und nur als Dienerinnen des Mannes brauchbar seien. Seine von Drogen und Lust berauschten jungen »Schwestern« himmelten ihn trotzdem an, ließen sich einbläuen, Hass säen zu müssen. Manson, der selbsternannte Mesias. Der Sex-Appeal des Bösen. Er fruchtete immer noch, auch hinter Gittern. Manson war mit einer 25Jährigen verlobt, als er starb. Eine von vielen Verehrerinnen, die dem prominenten Killer Fanpost schickten und immer wieder die Freilassung des »gequälten« Psychopathen forderten.

 

Der war geschmeichelt, pflegte sein Bad-Boy-Image. Zum »Rolling-Stone«-Reporter sagte er, nachdem er dessen Nase berührt hatte:

 

»Ich habe allen an die Nase gefasst. Wenn ich dich anfassen kann, kann ich dich töten.«

Once upon a time …

Der alte, kleine Mann sonnte sich immer noch darin, als magisch gefährlich zu gelten. Wie der spezielle Bösewicht im Comic, vor dem die gute, heile Welt zittert, weil er könnte. Wenn er denn wollte. Nur war sein Wille gefesselt. Manson war eingesperrt, bis der Tod ihn holen würde. Und seine Wahrheit? In den eigenen Augen war er, anders als der klassische Schwarze Mann, nicht wirklich typisch schlecht. Eher grundehrlich radikal als profan kriminell. So sah er sich. Und träumte sich ins Nirwana. Der Ort sei sein.

 

Im aktuellen Tarantino, Once upon a time in Hollywood, der Flower-Power und die Geschehnisse am Cielo Drive 1969 auf sehr spezielle Art aufmischt, ist es der wahnsinnige, finstere Schatten von Charles Manson, der sich in die Szenerie drängt und sich gemächlich, dann zusehends bedrohlicher aufplustert. Die Ruhe vor dem Sturm, der Alltag vor dem Showdown … aber der Film macht hier die Geschichte. Nicht die Geschichte den Film. Alles genial gemacht und rundum abartig gut.

 

Damon Herriman, der Charles Manson spielt, – keine Hauptrolle, das Rampenlicht gehört anderen –, war bereits als längst schon inhaftierter, entsprechend älterer Manson in der zweiten Staffel der Netflix-Serie Mindhunter besetzt worden. Kein Stempel für ihn: Die meisten Monster-Darsteller sind im zivilen Leben richtig nette Kerle.

Nach oben

Platzhalter
Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 14.04.2020, zuletzt aktualisiert: 08.10.2023 11:19, 18504