Cryptonomicon (Autor: Neal Stephenson)
 
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Cryptonomicon von Neal Stephenson

Rezension von Martin Hammerschmidt

 

Ein Kracher!

Neal Stephensons „Cryptonomicon“ ist mit seinen über 1000 Seiten ein wahrhaftes Epos. Wie der Titel bereits verrät, geht es in dem Buch größtenteils um die Kryptologie, ihren Ursprung und insbesondere die Rolle der Verschlüsselung im 2. Weltkrieg. Viele kennen die geheimen Verschlüsselungscodes, mit denen deutsche Spione dank der Chiffriermaschine „Enigma“ ihr Vaterland mit Informationen gefüttert haben, um die Abhörsysteme der Alliierten zu umgehen.

Ein äußerst komplexer und intelligenter Thriller über den 2. Weltkrieg und ihre Verschlüsselungsmethoden.

Ein geschickter Schachzug des Verlages war außerdem, den englischen Titel bei dem Buch zu belassen. Alles andere würde nicht so spannenden und erwartungsvoll klingen.

Bei einem Epos von solch gigantischem Ausmaß ist zu erwarten, dass die Handlung etwas ins Abseits gedrängt wird und die detaillierte Beschreibung von Lebensläufen, Orten, Charaktere und notwendigen Grundkenntnissen über Kryptologie den größten Teil des Buches in Anspruch nimmt.

Vor allem ist das Buch nichts für Spannungsfreaks, die extrem auf eine rasante und hochexplosive Handlung fixiert sind, aber auch nichts für welche, die einfach nur das Buch lesen wollen und fertig. Man muss sich gezwungenermaßen mit dem Thema der Cheffrierung und Dechiff

rierung auseinandersetzten, was dem Leser allerdings völlig neue Perspektiven eröffnet. Im Nachhinein hat man das Gefühl, mehr über Kryptologie zu wissen, als man in vier Leben gebrauchen kann.

 

 

 

Gleich zu Beginn wird der Leser auf den ersten fünfzig bis hundert Seiten in drei Handlungsstränge verwickelt. Im ersten geht es um den Ausbruch des zweiten Weltkrieges und den wahrscheinlichen Angriff der Japaner auf die Philippinen. Dort verlässt Shaftoe auf ein Kriegsmarineboot die Insel, um ins Unbekannte zu schiffen und später per Flugzeug auf Malta gebracht zu werden.

Im zweiten Handlungsstrang wird der Lebenslauf des Lawrence Waterhouse geschildert und wie er mit seinem mathematischem Gedächtnis die Kryptologie meistert und somit bei der Navy befördert wird und in eine wichtige Abteilung zur Aufklärung von Geheimbotschaften gesteckt.

Im schließlich vorerst letzten Einführungsstrang wird der ultralangsame Aufbau eines Kleinunternehmens geschildert, wobei erst einmal die Charakterzüge der Personen beschrieben werden. Dieser Handlungsstrang spielt jedoch nicht in der Vergangenheit, so wie die anderen beiden, sondern in der Gegenwart. Der Name des Hauptcharakters hierbei ist Randy Waterhouse, ein Nachfahre von Lawrence.

Alle diese Handlungen vollziehen sich auf den ersten 200 Seiten!!

Während Randy immer energischer versucht sein Unternehmen, was in der Erschaffung eines Datenhafens liegt, den sie in einer Krypta bauen, weiter auf Vordermann zu bringen, werden sie von ihren Geldgebern unter Druck gesetzt.

Inzwischen sind sich Shaftoe und Waterhouse bei der Bergung eines in einem U-Boot befindlichen Schatzes näher gekommen und haben sich kennen gelernt.

Shaftoe schlägt jedoch einen anderen Weg ein und begegnet Deutschlands besten Kryptographen, der seinem Vaterland den Rücken gekehrt hat. Waterhouse hingegen macht sich weiter an die Entschlüsselung von deutschen und japanischen Geheimcodes.

Nach einiger Zeit entwickelt sich ein weiterer Handlungsstrang, in dessen Verlauf, der Überlebenskampf eines Japaners, Goto Dengo, geschildert wird, der sich Gefahren wie Haiattacken oder Kannibalen stellen muss, um zu überleben.

Er ist es dann auch, dem der Bau einer riesigen unterirdischen Anlage anvertraut wird, um dort ein immens großes Depot an Goldreserven anzulegen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Basis für eine neue Währung dienen soll. Nach einiger Zeit wird allerdings klar, dass keiner der Arbeiter lebendig aus dem Stollen ans Tageslicht zurückkehren wird. Für Goto Dengo eine grausame Neuigkeit, der er sich jedoch nicht geschlagen gibt und alles in seiner Macht stehende tut, um sein Leben weiterführen zu können.

Shaftoe dagegen wird von den Deutschen gefangen genommen und muss gegen all seinen Erwartungen nicht um sein Leben kämpfen. Ihm und anderen Personen gelingt die Flucht nach Schweden. Dort hält er sich nicht lange auf, als er erfährt, dass er einen Sohn geschenkt bekommen hat, und macht er sich wieder auf in den Krieg um das Antlitz seines Sohnes zu Gesicht zu bekommen.

Lawrence Waterhouse ist hingegen immer noch mit der Entschlüsselung japanischer und deutscher Geheimcodes beschäftigt, bis er auf einen äußerst rätselhaften Algorithmus stößt. Ein verdammt schwierig zu knackender Code nimmt seine Zeit in Anspruch und will einfach nicht geknackt werden.

Kommen wir zum letzten Handlungsstrang. Dem wichtigsten, denn er spielt als einziger in der Gegenwart. Randy Waterhouse und Avi haben die Pläne für einen Datenhafen beim Sultan eingereicht, seine Zustimmung erhalten und die Unterseekabel für eine interkontinentale Übertragung angefangen zu verlegen. Als einer ihrer Geldgeber jedoch von einem U-Boot-Fund erfährt, in dem die Rede von Gold ist, verklagt er Waterhouse und Avi auf Schadensersatz in einer solch enormen Höhe, dass sie die Mehrheit ihres Unternehmens an den „Dentisten“ abgeben müssten. Nun hilft nur noch ein Wunder.

Randy findet in den Nachlässen seiner Opas ETC-Lochkarten aus Gold, die auf einen alten Code hinweißen, der die exakte Position eines riesigen Goldlagers verrät.

Doch als Randy wieder auf den Philippinnen ankommt, wird er wegen Drogenhandels festgenommen. Drogen, Heroin, den irgendjemand ein sein Gepäck eingeschleust haben musste!

Doch wer war es? Der Dentist oder womöglich noch ein weiterer Unbekannter, der an dem Bankrott Randys und Avis profitieren kann?

 

 

Neal Stephenson ist mit Cryptonomicon ein richtig fetter Wälzer gelungen. Der Anfang ist jedoch schmerzhaft zu lesen, da sich die Handlung schleppend entwickelt und man kaum Ahnung hat, um was es in dem Buch eigentlich gehen soll. Hätte man die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches nicht gelesen, wäre man ziemlich alleinegelassen.

Mit Zeit und Dicke des Buches nimmt die Story aber Fahrt auf und verspricht eine ziemlich komplexe aber dennoch spannende Handlung anzunehmen. Das sich dann viel zu viel über die Atmosphäre der einzelnen Orte ausgelassen wird, daran gewöhnt sich der Leser relativ schnell. An manchen Stellen ist die Geschichte sehr verworren, was zur Folge hat, dass sich einige Passagen extrem in die Länge ziehen und der Leser auf den ersten Blick nicht erkennen kann, für was jetzt diese Szene überhaupt notwendig ist. Doch später macht alles Sinn und man wird für sein langes Durchhaltevermögen belohnt, denn das Ende schließt mit einer spannenden Handlung nach der anderen. Alle Handlungsstränge, die am Anfang keinen Sinn zu ergeben schienen, werden gekonnt mit einander verknüpft und entwickeln so einen äußerst ansehnlichen Plot, der sich zwar durch die 1100 Seiten in die Länge zieht, aber mit klugem Hintergrundwissen über Kryptographie gespickt ist.

Über das ganze Buch hinweg, kommen ziemlich viele Fremdwörter vor, die man noch nie zu hören geglaubt hat, und dem Buch somit wirklich etwas Kryptisches zu geben scheint.

 

Stephenson lässt in seinem Buch auch öfters mal sein mathematisches Können raushängen.

4-5 Mal zaubert er seitenlange mathematische Gleichungen aufs Papier, bei dem sich der Leser denkt, wie schwachsinnig manchmal die Mathematik doch sein kann.

 

 

Unterm Strich hält man einen dicken Wälzer in der Hand, der es auf jeden Fall in sich hat. Die Belohung des 1100 Wälzers bekommt man auf den letzten 400 Seiten, in der die Story wirklich Fahrt aufnimmt.

Für alle, die einen rasanten Thriller mögen, ist dieses Buch nicht zu empfehlen. Diejenigen jedoch, die Kryptofans, Naturwissenschaftsfreaks sind, oder auch einfach nur lange dicke Bände mögen, vor denen man sich tagelang hinsetzten kann, ist dieses Buch wie geschaffen. Am Schluss bekommt man richtig was für sein Geld geboten, auch wenn manche Stellen unheimlich langweilig sind.

Ein klarer Kauftipp von mir.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425130949606a32fb
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Cryptonomicon

Autor: Neal Stephenson

Broschiert: 1180 Seiten

Verlag: Goldmann; Auflage: 1 (Februar 2005)

ISBN: 344245512X

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 27.11.2006, zuletzt aktualisiert: 14.05.2022 19:19, 3118