Das Geflecht (Autorx: Jol Rosenberg)
 
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Das Geflecht von Jol Rosenberg

An der Grenze

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Mit Das Geflecht erschien im Verlag ohneohren der erste Roman von Jol Rosenberg und verstärkt damit den hervorragenden Science-Fiction-Jahrgang 2022.

 

»Das Geflecht« spielt auf den Planeten Rusal. Terranische Kolonist·innen betreiben hier Bergwerke, um Bodenschätze abzubauen. Einer von ihnen ist der Ingenieur Pako, der nach einem Vorfall seinen Job verliert und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält, bis ihm ein seltsames Unternehmen anstellt. Bald steigt er auf, muss dafür aber einen hohen Preis bezahlen. Während einer angeblich unkomplizierten Mission stürzt er in einem Dschungelgebiet ab und wird von der einheimischen Surai-Jägerin Danyla angeschossen. Dieses Versehen geschieht, weil der Terraner kein Teil des Geflechts ist, wie die Bewohner·innen Rusals ihre Verbindung zu allem nennen. Diese Verletzung verpflichtet Danyla nach den Regeln ihres Volkes, sich um Pako zu kümmern, der ohne seine technischen Hilfsmittel weder sprechen, noch im Dschungel überleben könnte. Danyla wird von ihrer Dorfgemeinschaft beauftragt, den Fremden zu seinen Leuten zurückzubringen und dabei Informationen zu sammeln.

 

Was zunächst als eine Art Roadmovie beginnt und von den Komplikationen lebt, die das Aufeinandertreffen so unterschiedlicher Zivilisationen mit sich bringt, entfaltet nach und nach immer weitere Schichten. So lernen wir nicht nur weitere einheimische Kulturen kennen, sondern erfahren auch, dass Rusal eine bewegte Geschichte besitzt, deren Probleme nur dem Anschein nach beigelegt wurden.

Zusammen mit den ähnlich ahnungslosen Danyla und Pako geraten wir in einen sich zuspitzenden Konflikt zwischen einer ganzen Reihe von Parteien, der in einem spannenden Finale mündet, das zwar den Plot um Danyla und Pako schlüssig beendet, aber jede Menge Stoff für die bereits avisierte Fortsetzung offenlässt.

 

Die Stärke des Romans liegt nicht nur in der überzeugenden Charakterisierung der unterschiedlichen Figuren, sondern vor allem in der feinfühlig dargestellten Verbindung, die die Bewohner Rusals mit der Natur, mit der unbelebten Materie, sowie untereinander eingehen. Man wird direkt hineingezogen in das Geflecht, erfährt, was es bedeutet, die Gefühle der Pflanzen und Tiere ebenso zu spüren, wie die Zerstörung eines Berges. Hier baut Jol Rosenberg der Leserschaft auch eine schöne Brücke, in dem they die Beziehung Pakos zur Technik ganz ähnlich beschreibt. Durch seine Implantate kann er mit Maschinen kommunizieren und dieses Netzwerk ist letztlich nicht viel anders als die Verbindung Danylas mit dem Dschungel. Diese Spiegelung des Geflechts findet sich in vielen Szenen zwischen den beiden. Dabei sind ihre Gegensätzlichkeiten groß. Pako ist ein Alleinkämpfer, mit konservativen Wertvorstellungen, den der Anblick einer nackten Frau nervös und lüstern macht, ein Tausendsassa, der auf die harte Tour lernte, auf sich selbst gestellt zu sein und den das Leben selten eine breite Optionspalette anbot, sodass er nie zögert, wenn er eine Möglichkeit sieht, sich aus der Schusslinie zu bringen, egal, was es für andere bedeutet.

Danyla hingegen wuchs behütet auf, konnte stets auf Ratschläge und Antworten der Weisen des Dorfes zurückgreifen. Sie agierte frei in der Wahl ihrer Tätigkeiten und auch ihr Sex- und Gefühlsleben unterlag keinen moralischen Beschränkungen. Durch ihren Bandsinn und dem Geflecht, war sie niemals wirklich allein oder dazu gezwungen, ohne den Rückgriff auf andere Meinungen, Entscheidungen fällen zu müssen.

 

Neben diesem Paar gibt es noch zwei weitere wichtige Figuren, die eine tiefere Charakterisierung erhalten. Zum einen ist das eine junge Frau, die von einem Planeten stammt, der ebenfalls Opfer einer brutalen Kolonisierung wurde. Kiral schlägt sich nun als Mitarbeiterin der Kolonialfirma durch, bis sie von Einheimischen gefangen genommen wird. Die Kalok leben nicht wie die Surai im Dschungel und so stießen sie schon früh auf die Kolonist·innen. Doch weder ist es im Interesse der Firma, die Anwesenheit einer Zivilisation auf Rusal zuzugeben, noch wollen die Kalok ihre wirkliche Macht offenbaren, werden sie doch bisher als halbintelligente Tiere behandelt. Einer ihrer Informationssammler ist Raswin und er gehört zu den Kalok, die Kiral gefangennehmen und verhören.

Mit Kiral bekommen wir eine Figur, die ihr Leben lang am Rande der Gesellschaft lebte und nun erneut damit konfrontiert wird, dass man sie für entbehrlichen Abschaum hält. Ihre Perspektive öffnet eine sozialökonomische Sicht auf die Welt, jenseits der Abenteuerhandlung von Pako und Danyla, die sich mit der politischen Dimension verknüpft, für die Raswin und die Kalok stehen.

Auch unter den Terraner·innen gibt es unschuldige Opfer und es werden zwar von einigen Figuren einfache Antworten darauf gegeben, was mit ihnen geschehen soll, doch je mehr sich die Ereignisse entwickeln, umso komplexer werden auch die Folgen falschen Handelns. Das fördert den Spannungsaufbau immens und macht aus »Das Geflecht« einen Pageturner.

Wichtig ist dabei, dass sich Jol Rosenberg einer Romantisierung der Naturverbundenheit verweigert. Im späteren Verlauf des Romans wird klar, dass es they nicht um Natur versus Technik geht. Gerade in Bezug auf die Antagonisten wird deutlich, dass es eher darauf ankommt, was man mit der Umwelt macht, wie man mit und in ihr lebt. Auch wenn es eine klar definierte und mit typischen Accessoires sowie schlimmen Taten ausgestattete, böse Seite gibt, finden wir ihr gegenüber eine ganze Reihe von Nuancen und Grautönen, auch wenn manche, wie die Ganan, erst recht spät auftauchen. Jede Fraktion offenbart erst nach und nach tiefer liegende Motive und Konflikte, sodass einiges erst im Finale deutlich wird.

 

So mischen sich Planetenabenteuer, Kolonialismuskritik und das Verhandeln ethischer Fragen zu einem sehr guten Science-Fiction Roman. Ein beeindruckendes Debüt!

 

Wer das Buch in der Hand hält, wird sich bestimmt auch an dem tollen Cover erfreuen, dass der Verlag dem »Geflecht« bescherte. Wir dürfen auf eine mögliche Fortsetzung sehr gespannt sein.

 

Fazit:

»Das Geflecht« von Jol Rosenberg erzählt eine moderne Science-Fiction Geschichte über die Folgen von Krieg, Kolonialisierung und Ausbeutung. Dabei entwickelt sich eine vielschichtige und lebendige Welt, zu deren Figuren und auch zu deren Problemen wir gern zurückkehren. Das Jahr 2022 erhielt mit diesem Romandebüt ein weiteres SF-Highlight.

 

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Buch:

Das Geflecht

An der Grenze

Autorx: Jol Rosenberg

Taschenbuch, 520 Seiten

Verlag ohneohren, 17. Oktober 2022

 

ISBN-10: 3903296430

ISBN-13: 978-3903296435

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0B4BM3KZM

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 27.01.2023, zuletzt aktualisiert: 10.03.2024 18:58, 21514