Das geheime Sanatorium (Herausgeber·innen: Nadine Muriel und Rainer Wüst)
 
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Das geheime Sanatorium herausgegeben von Nadine Muriel und Rainer Wüst

Rezension von Yvonne Tunnat

 

Da ich hier freundlicherweise ein Rezensionsexemplar erhalten habe, muss ich den Beitrag als Werbung kennzeichnen. Ich schreibe meine Meinung auch bei Rezensionsexemplaren genauso direkt wie immer.

Wenn du ein Monster wärest und hättest ein ungünstiges psychisches Problem, wohin würdest du dich dann wenden? Genau. Keine Ahnung. Gut, dass es das geheime Sanatorium gibt.

 

Fazit für Eilige

Die Anthologie besticht durch Einfallsreichtum, gute Plots, Humor und vor allem: positive, lebensbejahende Geschichten. Einige der Prämissen wie z. B. über Burn Outs oder die Akzeptanz des eigenen Jobs oder der eigenen Persönlichkeit, kann ich nur unterschreiben.

Bemerkenswert ist auch, wie gut die Geschichten der unterschiedlichen Verfasser:innen ineinander greifen.

Im Abspann heißt es, dass man Stigmatisierung durch (psychische) Krankheiten vermeiden wollte und keine »bestehenden Vorurteile und negative Zuschreibungen festigen«.

In der Ausschreibung hieß es: »Wir freuen uns auf spannende, originelle, skurrile Geschichten. Auch eine Prise Humor ist von uns sehr gerne gesehen, sofern er nicht in platte Klischees und einen respektlosen Umgang mit psychischen Problemen abdriftet.«

Das ist gelungen. Danke dafür.

Sprachlich hat es mir größtenteils gut gefallen, mal hier mal da gab es zu viele Phrasen und ein oder zwei Autor:innen haben es mit allzu originellen Vergleichen etwas übertrieben. Einige Figuren hätten mehr Profil vertragen können, dafür hätten bei allzu kurzen Geschichten auch weniger Figuren gereicht, die dann aber dafür plastischer geschildert.

Extrem gut finde ich, dass fast jede Story eine Prämisse hat und einen klaren Plot.

 

Zu den einzelnen Geschichten:

Die Anthologie startet mit Reality Soap von Nadine Muriel, was einen guten Überblick über das Sanatorium bietet und ein wenig an Sendungen wie Big Brother erinnert. Offenbar kommt das in Zwischenkapiteln auch immer wieder vor.

 

Grispa von Günter Wirtz

Emil ist Therapeut und fürchtet sich vor Druds. Zum Glück ist die Drud, die er ins Sanatorium aufnehmen soll, so gar nicht von dem Schlag, der ihn in Angst versetzt. Die Nichte der krass aussehenden Drud Hapyra möchte ihre Mitmenschen nämlich nicht erschrecken, sie verwandelt sich stets in das, was uns sehr angenehm ist. Da sie nicht von den anderen Druds akzeptiert wird, wollte sie sich schon mittels Weihwasser selber töten.

 

Der Plot, die Idee und vor allem der Schluss haben mir gefallen. Eine sehr versöhnliche Geschichte. Ein wenig schade ist es, dass die ganze Action im Off stattgefunden hat und Emil erst dazukommt, als fast alles gelaufen ist. Vielleicht hätte diese blutige, gewaltvolle Szene nicht so recht zum Rest gepasst.

 

Das Bild von einem Mann von Nele Sickel

Die Autorin war mir schon im Weltenportal positiv aufgefallen, hier erneut. Erst einmal die Details – die Protagonistin Colette, eine Wunschfee, wird wegen Burn-Out eingeliefert. Die Freunde des Yetis, der ihr Zimmer wohl vorher bewohnte, stellen sich alsbald bei ihr vor – ein Yeti übrigens, der unter traumabedingter Amnesie litt. Auch diese Geschichte ist eher positiv mit optimistischem Schluss, der ganz schön viel über unsere wirkliche Welt sagt. Trotz der phantastischen Geschöpfe darin. Für mich das Highlight dieser Anthologie.

 

Der Fall Ernesto Tortuga – Maitre und Kosmonaut von Günther Kienle

Hier hat jemand nicht nur Kannibalismus recherchiert, sondern auch gute Rezepte. Beeindruckend. Wirkt dadurch viel authentischer, als mir so kurz vor dem Schlafengehen lieb ist. Interessant auch, dass der Ich-Erzähler ein Physiomorph ist und seine Gestalt regelmäßig verändert. Die Schlusspointe war durchaus originell, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich da hundertprozentig mitgehe. Gut finde ich außerdem, wie die Ereignisse aus dieser Geschichte später adressiert werden.

Es gab einige sehr ekelhafte Szenen, die nichts für Menschen mit einer Scheißangst vor Amputationen sind.

 

Hämatophobie von Michael Schmidt

Da ist er ja, der Werwolf, der ein Problem mit Blut hat. Wie gewohnt von dem Autor sehr gut geschrieben, und auch wenn die Erklärung für die Phobie mich ein wenig überrascht, ist sie doch in sich schlüssig. Wiederum witzig finde ich, wie in der nächsten Geschichte von den drei Hexen spekuliert wird, ob nicht noch etwas Anderes hinter der Auflösung stecken könnte. Es ist schon beeindruckend, wie hier die Kurzgeschichten ineinandergreifen. Chronologisch lesen erhöht den Lesespaß.

 

Reality Soap von Nadine Muriel und Effi Clifford Eweka

Kennt man das Sanatorium etwas besser, werden die Szenen mit den drei Hexen, die sich die Serie dazu anschauen, irgendwie witziger. Außerdem ist die hier beschriebene Situation sehr nachvollziehbar und echt beschrieben.

 

Eine geheimnisvolle Patientin von Effi Clifford Eweka

Ein sehr klassischer Rache-Plot – vielleicht etwas zu klassisch. Lesenswert machen es dann die sehr einprägsamen Figuren. Die Heinzelmännchen-Krankenschwestern, die sich tapfer schlagen trotz ihrer geringen Körpergröße, dazu ein beeindruckender Verstand, ein Hauch Agatha-Christie bei der Auflösung und ein paar gute Spritzer Blut. Nun ja, mehr als ein paar Spritzer. Gut ausgefeilte Story.

 

Femme Fatale von Michael Schmidt

Mehr Spaß hat man an dieser Geschichte, wenn man vorher die Geschichte desselben Autors über Robert, den Werwolf, gelesen hat. Eigentlich macht diese die vorherige erst richtig rund.

Thea, die Femme Fatale, ist nachts eine gestaltliche Frau, tagsüber ein Geist. Warum, wir mit Hilfe von Emil Bolze aufgeklärt und gelöst - der Schluss ist sehr befriedigend.

Die Erklärung, warum und wie es dazu gekommen ist, hätte noch ein, zwei Halbsätze mehr vertragen können. Ansonsten fand ich den Plot gelungen.

 

In der Haut des Todes von Amandara M. Schulzke

Wieder eine positive, optimistische Story. Dabei geht es um den Tod. Es beginnt recht humorvoll, der Tod ohne Sense beim FKK Strand, der ausgeschimpft und verjagt wird, da er nicht nackt ist. Er landet (natürlich) im Sanatorium und hadert mit seinem Job. Die Szene kurz vor dem Ende hat mich tatsächlich berührt. Schöne Botschaft.

 

Entemapente von Andreas Flögel

Karl und Gabi erzählen hier abwechselnd aus der Ich-Perspektive, was in meinem Ebook etwas deutlicher gekennzeichnet hätte sein können, vielleicht nicht nur mit »KARL« und »GABI« als Überschrift, sondern einer Leerzeile dazu. Ansonsten gibt es wieder einen Werwolf (wenn dieser auch besser als Nervensäge zu erkennen ist) und viel Action und Dialoge.

 

Der Trickser von Günter Wirtz

Na, das war mal wieder ein Highlight, wenn ich es auch bevorzugt hätte, die Story wäre ein wenig anders aufgebaut gewes

Hier ist wieder jemand, der seine Gestalt verändern kann – allerdings nur in einen Raben (Rabemetamorph). Dieser hat ein klares Ziel im Sanatorium, dass er aber verschleiert. Angeblich hat er bei sich selbst eine Depression diagnostiziert. Die Story ist ganz interessant, richtig cool wird sie erst auf den letzten beiden Seiten, als sie sich verdichtet und auflöst und dabei einige Krimis locker in die Tasche steckt.

Auch schon vorher habe ich einige nette Details entdeckt wie den drogenabhängigen Ork oder Vergleiche wie diesen hier: »Sein Kopf ruckte hin und her, als würde er einen Fressfeind wittern.«

 

Der Tote in der Salzsteingrotte von Laurence Horn

Ein paar originelle Figuren (ein Einhorn, ein Zentaur, ein Elb, eine Fee und ein Zwergdrache - später kommt noch ein Flaschengeist dazu) stehen um den (womöglich) toten Menschen herum und von fast jedem dieser Wesen klebt eine Spur an dem Opfer. Wer war es?

Dialoglastige Story, hätte wegen mir gern auch ein, zwei Figuren weniger vertragen, dafür unterscheidbarer im Dialog und mit mehr Ecken und Kanten. Ansonsten birgt der Text durchaus einige coole Ideen und Wendungen und ist am Ende auch rund.

 

Reality Soap von Rainer Wüst und Nadine Muriel

Ganz kurzes Zwischenspiel diesmal.

 

Post mortem von Thomas Heidemann

Der Ausdruck »postmortale Depression« made my day. Irina Paschkowa ist tot. Nein, doch nicht. Aber so richtig lebendig auch nicht. Sie isst, trinkt und schläft nicht, hat keinen Herzschlag und ist kalt (»wie eine Küchenfliese«). Erinnert an wenig an American Gods. Auch wenn es ansonsten nicht viel mit der Figur gemein hat.

»Warum ist Frau Paschkowa nicht tot? Oder besser: nicht mehr?«

 

Die traurige Vampirin von Asmodina Tear

Hier spielt dann endlich Boris Horowicz, das Faktotum des Sanatoriums, die Hauptrolle. Der, der als einziger das Tor öffnen kann. Er verliebt sich in die Vampirin Isabella. Inklusive Kussszene, Schweineblut und Bissszene.

 

Humphrey von Thomas Heidemann

Perfekte letzte Idee – ein (vermeintlicher) Mensch betritt das Sanatorium. Doch er isst verdächtig viel. Und er isst immer alleine. Das ist das Rätsel, das es zu lösen gilt.

 

Reality Soap von Rainer Wüst und Nadine Muriel

Dieser Schlussteil rundet die Anthologie gut ab, mit einer Schlusspointe, die vielleicht nicht allzu überraschend ist, aber trotzdem sehr nett.

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Buch:

Das geheime Sanatorium

Herausgeber·innen: Nadine Muriel und Rainer Wüst

Taschenbuch, 250 Seiten

Lindwurm Verlag, 30. August 2021

 

ISBN-10: 3948695326

ISBN-13: 978-3948695323

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B095LMKP39

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

Inhalt:

  • Reality Soap von Nadine Muriel

  • Grispa von Günter Wirtz

  • Das Bild von einem Mann von Nele Sickel

  • Der Fall Ernesto Tortuga – Maitre und Kosmonaut von Günther Kienle

  • Hämatophobie von Michael Schmidt

  • Reality Soap von Nadine Muriel und Effi Clifford Eweka

  • Eine geheimnisvolle Patientin von Effi Clifford Eweka

  • Femme Fatale von Michael Schmidt

  • In der Haut des Todes von Amandara M. Schulzke

  • Entemapente von Andreas Flögel

  • Der Trickser von Günter Wirtz

  • Der Tote in der Salzsteingrotte von Laurence Horn

  • Reality Soap von Rainer Wüst und Nadine Muriel

  • Post mortem von Thomas Heidemann

  • Die traurige Vampirin von Asmodina Tear

  • Humphrey von Thomas Heidemann

  • Reality Soap von Rainer Wüst und Nadine Muriel


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Erstellt: 31.10.2021, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51, 20249