Das Haus der Phantome von Barbara Büchner
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Geisterhaus-Geschichten scheinen auch im 21. Jahrhundert nicht totzukriegen zu sein. Im Gegenteil! Stattdessen scheint gerade die x-te Welle von unheimlichen Gebäuden samt spukender Untermieter angerollt zu sein, wie zahlreiche Neuerscheinungen in gedruckter und filmischer Form beweisen – unter anderem eben auch Das Haus der Phantome von der produktiven Österreicherin Barbara Büchner, die ihre Werke scheinbar präzise im Halbjahres-Turnus mit Nachschub für etwaige Leser aufwarten kann. Bleibt nur eine – entscheidende – Frage: Leidet bei so viel Produktivität mitunter nicht auch die Qualität? Bedeutet Masse doch nicht immer Klasse? Eventuell kann der aktuelle Wälzer aus Frau Büchners Feder Antworten geben.
Auf jeden Fall fällt bereits nach den ersten Absätzen die erste positive Idee ins Auge: die Protagonistin, welche die Ereignisse berichtet. Oder besser gesagt, niederschreibt. Denn Charmion Sperling ist Romanautorin. Vorzugsweise von Gruselromanen. Und damit garantiert mit dem einen oder anderen Charakterzug ihrer Erschafferin gesegnet. Als Charmions Lebensgefährte, der eher biedere Anwalt Alec Marhold, in einem Anfall von Spontaneität eine alte, aber dennoch – oder gerade deswegen – entzückende Villa zum Spottpreis erwirbt. Ein Gebäude, welches hinter vorgehaltener Hand mit „Totenhaus“ tituliert wird. Nicht, dass sich Marhold etwas aus derlei urbanem Aberglaube macht. Ganz anders seine Lebensgefährtin, der sich prompt die Nackenhaare sträuben, zumal die nüchtern-trübe Erscheinung der Villa auch nicht gerade für eine Besserung des Gemütszustands beiträgt. Und sicher, einen Haken muss es doch irgendwo geben. Warum war es denn so billig? Und weshalb war es die ganze Zeit über praktisch unbewohnt?
Natürlich schlägt Marhold sämtliche Warnungen und subtile Vorzeichen samt und sonders in den Wind. Was für den Anwalt zählt, ist klar: schnell das Totenhaus wieder auf Vordermann bringen und schwarze Zahlen schreiben. Doch mit jedem weiteren Schritt offenbart sich das grausige Geheimnis, welches (nicht nur) in den Wänden des Hauses schlummert, sondern auch mit einem der vier verbliebenen Mieter zusammenhängt – dem in sich gekehrten Junkers, zu dem sich Charmion bereits nach kurzer Zeit hingezogen fühlt …
Wer bei dieser Art von Roman rasante und schweißtreibende Action samt obligatorischer Cliffhanger erwartet, der sollte besser galant einen Bogen um das »Haus der Phantome« machen. Hier dominieren eine immer dichter werdende Atmosphäre, ausführliche Beschreibungen von Lokalitäten und der Dramatis personae. Im Gegenzug wirken etwaige unheimliche Erscheinungen dadurch aber noch intensiver.
Überwiegend muss man Barbara Büchner auch attestieren, dass sie diese Form des Schreibens wirklich gut beherrscht. Sicher, sie lässt sich Zeit – Kunststück bei 456 Seiten –, lässt aber ihre Geschichte niemals zum Lückenbüßer verkommen. Leerlauf muss man von daher auch mit entsprechenden Vergrößerungsinstrumenten suchen. Schön außerdem, wenn eine Autor/in mal nicht den Klischeebaukasten zu Hilfe nimmt, sondern stattdessen originelle, unverbrauchte Charaktere platziert.
Büchners Alter Ego ist das beste Beispiel. Ihre Neigungen sind es dann auch, welche dem Roman einerseits etwas mehr Würze verleihen, andererseits dafür sorgen, dass sich »Das Haus der Phantome« von der Geisterhaus-Konkurrenz abhebt. Dabei verkommen die sehr sorgsam verlegten S/M- und Erotik-Einsprengsel zum Glück niemals zum bloßen Selbstzweck oder zu lächerlichen Softporno-Phantasien, welche einschlägige Kabelsender nach Mitternacht zuhauf bieten. Weit gefehlt. Dank Charmions immer intimer werdenden Beziehung zu dem Eigenbrötler Junkers wird zusätzlich an der Dramatik- und Spannungsschraube gedreht – nach dem eher mittelmäßigen »Das Haus am Waldrand« eine definitive Steigerung also.
Gekrönt wird die gebundene Ausgabe des Romans von einem sehr passenden Titelbild von Jörg Jaroschewitz und den nicht minder überzeugenden Illus von Mark Freier.
Fazit:
Mit »Das Haus der Phantome« legt Barbara Büchner ihre Version des »Haunted House«-Motivs vor, welches vor allem in Sachen Atmosphäre ordentlich punkten kann. Kein Meisterwerk, aber ein überdurchschnittlicher Vertreter der Genregattung, bei der alle Freunde der Stilrichtung im Grunde bedenkenlos zugreifen können.
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