Das Jahr des Grauens - Satan in St. Judas von Walter Brandorff
Rezension von Ramona Schroller
Klappentext:
In den unwegsamen Bergzügen der Alpen gibt es manch einsames Dorf, das
von der Welt abgeschieden vor sich hindämmert. Menschen eines eigenen
Schlages, wortkarg zueinander, abweisend, nicht selten bösartig zu
Fremden, führen ein Leben, als hätten sie mit unserer Zeit nichts zu
schaffen.
St. Judas ist so ein Dorf. Was sich im Laufe eines Jahres an Schrecken
und Grausamkeiten da oben in den Bergen zugetragen, hat ist aber weder
mit seiner Lage noch durch die Eigenart seiner Bewohner zu erklären.
Weshalb Satan gerade über die Menschen von St. Judas gekommen ist,
ihren Geist verwirrt und ihr Blut vergossen hat, bleibt rätselhaft.
Vielleicht war das, was voriges Jahr geschehen ist, nur ein Anfang,
und es ist die Welt, die zerfällt ... ?
Satan in St. Judas - eine Kalendergeschichte der besonderen Art.
Inhalt:
Fabian Ausreiter kann seinen Augen kaum trauen, als er an einem kalten
Januarmorgen seinen Stall betritt: Seine beiden Zugbullen Max und
Moritz wurden bestialisch getötet! Starr vor Schreck und Schock ruft
er die Gendamerie an und ruft Brecht, den Vorsteher, zu sich. Und der
bringt den Veterinär mit sich.
Doch noch erschreckender als die Tatsache, daß die beiden Bullen
getötet wurden, ist das, was das Labor über die Abstriche zu den
Kadavern zu sagen hat. Und dieser Fall, so stellt sich schnell heraus,
ist nur der Anfang.
Der Teufel geht um in dem kleinen Bergdorf St. Judas. Und er bringt
Schrecken, Mord und Tod mit sich ...
Rezension:
Es ist selten, ein Buch in die Hand zu nehmen und es nicht mehr
weglegen zu wollen. Gut, in jüngeren Jahren mag dies vielleicht noch
des öfteren vorkommen, doch ab einem bestimmten Alter meint man fast,
schon alles gelesen zu haben, so vertraut sind die Geschichten, die
man in scheinbar neuen Büchern liest.
Nun, Walter Brandorff gehörte sicher nicht zu dieser Massenware, wie
jeder an seinem Roman „Das Jahr des Grauens - Satan in St. Judas"
feststellen kann. Irgendwie gelingt es ihm sogar, sich immer perfidere
Dinge auszubrüten und seinem Leser einen neuen Schauer über den Rücken
zu jagen. Und das wirklich gemeinste an der Sache ist sein Schluß -
der aber hier nicht verraten werden soll.
Brandorff, leider viel zu früh verstorben, gehört sicherlich zu den
Großen der deutschsprachigen Phantastik. Doch leider auch zu den fast
unbekannten Perlen dieses Genres. Der kleine aber feine Verlag
Lindenstruth hat sich in Deutschland seiner Werke angenommen, um ihn
bekannter zu machen. Ganz sicher kein Fehler, sondern eher das Können
eines engagierten Kleinverlegers, der eine Menge von seinen Genren
versteht.
Doch zurück nach St. Judas. Was Brandorff sich für dieses beschauliche
Dörfchen in den österreichischen Bergen hat einfallen lassen, ist
schon etwas außergewöhnliches, denn der zweite Untertitel dieses
Werkes lautet: Kalendergeschichte.
Was hat der Leser darunter zu verstehen? Nun, ganz einfach. Brandorff
hat seinen Roman in in die zwölf Monate des Jahres aufgeteilt,
demzufolge gibt es zwölf Kapitel. Und in jedem dieser Kapitel steigert
sich das Grauen allmählich. Die verstümmelten Bullen von Bauer
Zureiter sind da nur der Anfang. Der Leser ahnt zwar einiges, doch
eine letztendliche Gewißheit bleibt selbst am Ende aus.
Dabei sollte vor allem auf die verschiedenen Stufen des Grauens
eingegangen werden. Ab knapp der Mitte des Buches denkt der Leser sich
unwillkürlich: „Weiter kann es nicht gehen. Das ist die Spitze des
Eisbergs!" Doch da hat man sich dann wirklich geirrt. Brandorff treibt
es weiter. Dabei fügt er seine Horrorhandlung so geschickt in den
Alltag eines Dorfes, in dem jeder jeden zu kennen glaubt, ein, daß das
Übernatürliche natürlich wirkt. Selbst die letzte Auseinandersetzung
hat nichts unglaubhaftes an sich.
Ebenfalls gelingt es Brandorff meisterhaft, seine Leichen nicht zu
splatterhaft zu beschreiben. Dabei aber läßt er selten die Tötungsart
weg. Eine Gradwanderung, die den meisten Autoren leider nicht gelingen
mag. Wenn ich hier die verschiedenen Morde aufzählen wollte, würde
jeder sich weiß der Himmel was denken, aber so wirkt es nicht. Ganz im
Gegenteil. Die kleinen Perversitäten der Dörfler wirken teils
aufgesetzter als das, was Satan ihnen eingibt. Und da zeigt sich die
Meisterhand.
Man merkt es dieser Rezension deutlich an, daß ich immer wieder in
Gefahr komme, zuviel verraten zu wollen. Und schon allein das ist
recht selten und zeigt, wie gerafft der Autor seine Geschichte
niedergeschrieben hat. Keine überflüssige Zeile, keine Durchhänger.
Man liest und liest und liest und am Ende ist man schlicht sprachlos.
Ein besonderer Roman, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Vor
allem Fans des gepflegten Horrors müßten sich sehr wohl fühlen bei
dieser Lektüre. Ein Meisterstück!