Rezension von Eileen Weinreich
Inhalt
Als Leni Draugur es endlich schafft, vor ihrem gewalttätigen Mann von Reykjavik nach Berlin zu fliehen, weiß sie nicht, wohin. Sie beschließt, zu ihrer Halbschwester Zicky zu gehen und dort erstmal Unterschlupf zu suchen. Da in Zickys Wohnung niemand öffnet, beschließt Leni, auf der Treppe zu warten. Dort trifft sie auf den leicht verstört wirkenden Jungen Nicky, dessen Schwester soeben aus dem Fenster gesprungen ist…
Leni versucht sich in Berlin ein halbwegs neues und normales Leben fernab vom Terror ihres Mannes Magnus aufzubauen. Zusammen mit Olga, Zickys Lebensgefährtin, macht sie erfolgreich Musik und es beginnt, ihr besser zu gehen. Magnus allerdings gibt nicht auf und ist ihr näher auf den Fersen, als sie glaubt.
Kritik:
Was zunächst klingt wie ein herkömmlicher 08/15 – Thriller, wächst sich sehr bald zu einem krankhaften Stück Literatur aus, das man so eigentlich nicht ertragen möchte. Die Grundstory ist zu Beginn noch halbwegs erkennbar, geht aber sehr schnell unter in Handlungen der einzelnen Figuren, die man nicht nachvollziehen kann und sich auch gar nicht vorstellen möchte. Was trägt es zum Plot bei, wenn ein Fünfjähriger an einem abgerissenen Daumen kaut oder Blut aus einer Konserve trinkt? Gar nichts. Es schürt nur den unverständigen Ekel beim Leser. Denn von einem Thriller mag man ja viel erwarten, aber so etwas beileibe nicht.
Vielleicht könnte man die Ergüsse an Abartigkeiten der Autorin noch verschmerzen, wenn wenigstens die eigentliche Story etwas mehr hergeben würde – Spannung zum Beispiel oder zumindest so etwas wie einen roten Faden. Doch auch diese beiden essenziellen Aspekte sucht man vergebens. Karla Schmidt schweift immer wieder ab, setzt ihren Fokus auf die verquere Dreiecksbeziehung zwischen Zicky, Olga und Karla sowie die musikalische Bemühungen zweier der Damen. Man fragt sich bald unweigerlich: Worum geht es hier eigentlich? Dabei hätte der Plot so gut sein können – dies allerdings zeigt sich erst gegen Ende und mit der Auflösung. Denn die ist wider Erwarten überraschend.
Die Figuren in „Das Kind auf der Treppe“ sind allesamt vollkommen verkorkst und haben mehr oder minder schwere psychische Schäden. Dies allerdings auf eine jeweils so extreme Weise, dass es das Identifikationspotenzial derart schmälert, dass man sich die Protagonisten so gar nicht mehr vorstellen kann. Der Schreibstil der Autorin tut dann noch sein übriges. Er schwankt zwischen ungeschickt, streckenweise poetisch und stinknormal. Karla Schmidt verzichtet zum Glück auf übermäßige Emotionen, erzeugt dafür mit ihrem Stil aber eine recht bedrohliche und ungemütliche Atmosphäre, was eigentlich recht gut passt.
Unterm Strich sollte jeder Thrillerfan die Finger von „Das Kind auf der Treppe“ lassen. Die Story hat keinen roten Faden und bietet somit keine Spannung. Die Figuren sind allesamt sehr unsympathisch, manche Schilderung zu sinnentleert abartig. Was bleibt, ist ein überraschendes Ende und die Gewissheit, seine Zeit mit knapp 300 Seiten verschwendet zu haben.