Der überwiegende Teil der Sachbücher und Romane über die amerikanischen Ureinwohner stammt aus der Feder von weißen Autoren. Und selbst wenn sie sich die Mühe machten, tief in diese Kulturen einzutauchen, so bleibt doch immer eine gewisse Distanz. Ganz anders ist das bei Bücher wie Das Wunder vom Little Bighorn, denn John Ocute Sica (1890-1964) ist selbst ein Lakota aus Wood Mountain in Kanada gewesen, der die mündliche Erzählkunst seines Volkes auf Papier gebannt hat. Das Buch erschien bereits 2009, nun gibt der Palisander-Verlag eine erweiterte Neuausgabe heraus.
Die Lakota waren schon immer tief verbunden mit der Natur, ihren Wundern und Schrecken, fühlten sich dieser aber nicht überlegen, sondern sahen sich als demütige Diener. Von dieser alten Welt berichten Erzählungen wie Die Pfeife des Weißen Büffelkalbs zu den Menschen kam. Oder wie der Grasgürteltanz entstand. Abenteuerlich wird es in der spannenden Geschichte Maiden Chief, die mit ihrer großen Liebe durchs Feuer ging, eine Variation der Erzählung ist mit Amber Moon ebenfalls enthalten. Es geht um mutige Krieger und seltsame Gestalten, junge Frauen, die sich mit Weißen einließen und am Ende doch zu ihrem Stamm zurück fanden.
Die Geschichten berichten so auf eine ganz besondere Weise von den Gebräuchen und dem Selbstverständnis der Lakota, erzählen aber auch ihre Sicht der Schlacht am Little Bighorn und den nachfolgenden Massakern, berichten von dem Untergang ihrer so vertrauten Welt und dem Zusammenleben mit den Weißen.
Man merkt, dass der Autor aus dem vollen schöpfen konnte, zumal er vieles davon auch noch selbst erlebt hat oder aus den direkten mündlichen Erzählungen seiner eigenen Großeltern und Eltern erfuhr.
Dabei geht er sehr versöhnlich mit allem um, klagt niemanden an, sondern bleibt eher sachlich. Er überhöht die Taten seines Volkes nicht, stellt sie aber auch nicht unter den Scheffel und schlägt so eine Brücke zwischen den Völkern.
Es ist interessant zu erfahren, wie die Lakota die Weiße und die an ihn verübten Greuel miterlebten, und wie sie versuchten, das zu verarbeiten. Gleichzeitig bekommt man als Weißer eine Ahnung wie reichhaltig und lebendig die Kultur war, die so massiv unterdrückt wurde.
Und es stört auch nicht, wenn »Maiden Chief« und »Amber Moon« eigentlich die gleiche Geschichte erzählen, da die Schwerpunkte anders sind, denn erstere wurde in der Zeit des Untergangs angesiedelt, die zweite Version spielt weitaus früher.
Zugleich staunt man auch darüber, dass die Lakota von sich selbst behaupten, aus dem Süden gekommen zu sein, und durch die neusten archäologischen Funde von über 45.000 Jahre alten Siedlungsspuren sogar belegt werden.
Ergänzt wird das ganze auch noch durch ein langes Vorwort der Forscherin und Schriftstellerin Liselotte Welskopf-Henrich, die John Okute Sica selbst noch kennenlernen durfte und weitere Texte, die den Autoren und seine Geschichte genauer vorstellen.