Das Zornickel von Manfred Mai
Rezension von Markus K. Korb
Welche Eltern kennen dies nicht? Der heranwachsende Sohn ist genervt von der Tatsache, dass er sein Zimmer aufräumen soll, seine kleine Schwester bringt ihn in Rage, da er meint, sie würde bevorzugt und zu allem Übel gesellt sich noch der Umstand, dass er unzufrieden mit seinem Lehrer in der Schule ist.
In dem kleinen Jungen wächst der Zorn und es kommt, wie es kommen muss: Er wirft mit Schmähworten um sich, wird eventuell sogar handgreiflich gegen seine Schwester oder gegen Haushaltsgegenstände.
Diese Szenen sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Aber wie kann man einen gesunden Umgang mit dem Zorn, dem Ärger, lehren? Hier hilft ein erhobener, mahnender Zeigefinger meist recht wenig. Möglicherweise ist es in dieser Situation angemessener, man erzählt dem Jungen eine Parabel über die Auswüchse von Zorn, teilt ihm mit, wozu ein falscher Umgang mit Ärger führen kann.
Nicht jeder ist spontan genug, um sich eine solche Stegreifgeschichte auszudenken. Manfred Mai ist einer der bekanntesten Kinderbuch-Autoren Deutschlands und hat sich aufgemacht, eine Geschichte zu erzählen, rund um den Zorn kleiner Jungen und deren mögliche Folgen. Dies hat er in die fiktionale Gestalt eines „Zornickels“ verpackt, einer Fantasyfigur, entstanden durch den Ärger des Protagonisten, der im Buch „Das Zornickel“ Alexander heißt. Das Buch ist im Ravensburger Buchverlag erschienen.
Inhalt:
Alexander hat die Nase voll! Dauernd nörgelt Mama an ihm herum, seine kleine Schwester Lisa ist eine doofe Petze, sein Mathelehrer ist blöd und gemein, und immer ist Alexander an allem Schuld. Als er eines Tages in seinem Zimmer sitzt und mal wieder so richtig kocht vor Wut, wünscht er sich das Zornickel herbei, ein echtes Monster, das es allen mal so richtig zeigen soll.
Alexander malt eine furchterregende Gestalt auf sein weißes Blatt Papier: groß, mit zwei Hörnern auf dem kahlen Schädel, Vampirzähne, eine Augenklappe, in den Händen ein Piratensäbel und ein Zauberstab. Ehe er sich versieht, spricht das Wesen zu ihm, erklärt ihm, dass er mit Hilfe eines Zauberspruches das Zornickel in die Welt versetzen kann. Gesagt, getan. Fortan ist das Zornickel in sein Leben getreten und wächst jedes Mal, wenn sich Alexander über etwas ärgert zu nahezu riesenhafter Größe an.
Zunächst freut sich Alexander über diese Tatsache, denn sie verleiht ihm Macht über seine Mitmenschen: seine Mutter, seine Schwester, seinen Lehrer, sogar über piesackende Mitschüler.
Eines Tages trifft Alexander den Stadtstreicher Amadeus, der ihm einiges über sein Leben am Rande der Gesellschaft erklärt. Im Austausch mit ihm und durch eine Geschichte angeregt, welche Alexanders Mutter vorliest, beginnt der Junge über den Zorn nachzudenken, der in Form des Zornickels Gestalt angenommen hat. Er kommt zu dem Entschluss, dass das Zornickel nicht nur Gutes bewirkt.
Rezension::
„Das Zornickel“ von Manfred Mai ist eine kluge Parabel über die Auswüchse des unkontrollierten Zorns. Der Autor schafft es eine Brücke zu schlagen von der pädagogischen Haltung hin zu einer sprachlich interessanten Lektüre für Kinder ab 8 Jahren.
Dass er dabei den mahnenden Zeigefinger eher versteckt, macht das Lesen für Kinder und Erwachsene zu einem lohnenswerten Ereignis. Stets um die richtige Form bemüht, schafft es Manfred Mai, einen wichtigen Kern in eine unterhaltsame Geschichte zu verpacken, ohne dass es aufgesetzt wirkt.
Fazit:
Mit „Das Zornickel“ hat Manfred Mai eine Geschichte für Kinder verfasst, die zugleich Spaß am Lesen fördert und auch pädagogische Inhalte vermittelt. Die Lektüre ist unbedingt zu empfehlen und eignet sich auch für ältere Kinder.