Der Apparat (Autor: J. O. Morgan)
 
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Der Apparat von J. O. Morgan

Rezension von Matthias Hofmann

 

In J. O. Morgans Roman Der Apparat geht es um den Einzug einer neuen Technologie und ihre Auswirkungen auf die zivilisierte Menschheit. Dieser Apparat ist nichts Geringeres als eine Art Materietransmitter, ein Gerät, das teleportieren kann. Im ersten Kapitel sieht der Prototyp noch aus wie ein klobiger Kühlschrank, dessen fettes Kabelgewirr ein korrektes Aufstellen unmöglich macht. In den Anfängen der Technologie versucht man sich am Teleportieren von kleinen Gegenständen wie z. B. Plastiklöffel. Später folgen selbstverständlich auch Menschen. Und das Teleportieren wird so selbstverständlich wie das Telefonieren, denn irgendwann ist der Apparat überall.

 

Diese Grundidee ist nichts Neues. Spätestens seit der TV-Serie Raumschiff Enterprise und Chefingenieur Scotty, der routinemäßig Lesewesen »beamt«, kennt man die Vorstellung der schnellen Fortbewegung, ohne sich selbst bewegen zu müssen.

 

Der Schotte Morgan, der sich bis dato eher als preisgekrönter Lyriker einen Namen gemacht hat, beschäftigt sich in seinem Roman mit den Auswirkungen des Apparats aus verschiedenen Perspektiven. Eigentlich ist es kein Roman, sondern eher eine Sammlung von Kurzgeschichten, denn jedes der elf Kapitel des relativ schmalen Büchleins schildert die Auswirkungen dieser Technologie auf andere Personen. Das stringente Element des Buchs ist keine fortlaufende Handlung, sondern die Einführung und Entwicklung des Apparats, der sich auf der Welt ganz natürlich ausbreitet. Wie eine Art Virus.

 

Morgan beschreibt die sich verändernden Zustände indirekt. Als Leser muss man sich jedes Mal neu orientieren. Was sind das für Charaktere? Wie wirkt sich der Apparat aus? Und wohin führt das alles? Der Blick auf die Entwicklung und die Auswirkungen der Technologie werden so vom kleinteiligen Stückwerk im Verlauf des Buchs zum großen Gesamtbild.

 

Und je mehr man liest, desto mehr versucht man die Thematik einzuordnen. Ein Vergleich zur Einführung des Internets, des weltweiten Netzes von Informationen, drängt sich auf. Es war plötzlich da, hat sich ausgebreitet und fest in den Alltag der meisten Menschen integriert. Man kann es nicht mehr abschaffen. Die Effekte auf den Menschen sind Segen und Fluch zugleich.

 

Ähnlich ist es beim Apparat. Sobald Menschen teleportiert werden, können die Probleme gravierend sein. Morgan thematisiert nicht nur offensichtliche Probleme wie Unfälle, sondern auch Gedankenspiele wie: Ist ein Mensch, der erfolgreich teleportiert wurde, wirklich noch die exakt gleiche Person? So behauptet einer Teleportierter, sich nicht verändert zu haben, aber seine Frau stellt leichte Unterschiede an seiner Persönlichkeit fest. Hat er noch die gleiche Seele?

 

Ich muss sagen, dass die falsche Kennzeichnung des Buchs als Roman mich nach der Lektüre der ersten Kapitel irritiert hat. Es gibt nur einen schwachen roten Handlungsfaden in Form der mehr oder weniger starken Präsenz der neuartigen Technologie. Aber wenn man einmal verinnerlicht hat, dass mit jedem neuen Kapitel eine neue Türe mit neuen Charakteren und Situationen aufgemacht wird, kann man sich besser einstellen auf die eigentlichen Inhalte. Auch wenn sie zunächst wie harmlose Episoden erscheinen, die zwischen Menschen passieren, wird am Schluss deutlich, mit wieviel Sorgfalt die einzelnen Teile zusammengestellt wurden.

 

Morgen predigt nicht. Er gibt auch keine Lösungen vor. Aber über all den Inhalten steht dennoch eine leise Bedrohlichkeit. Um noch das einmal mit der realen Jetztzeit zu vergleichen: Das Internet bietet aus Sicht vieler Menschen mehr Segen als Fluch. Aber seit neuestem nimmt eine weitere Technologie die Welt im Sturm. Mit Künstlicher Intelligenz fühlt es sich so ähnlich an. Etwas Neues entwickelt sich so schnell, sodass der volle Umfang ihrer Auswirkungen von normalen Durchschnittsmenschen gar nicht begriffen werden kann.

 

Selbst wenn ich zunächst nach dem Lesen von »Der Apparat« etwas enttäuscht war, weil ich auf einen besonderen Höhepunkt gehofft hatte, muss ich sagen, dass sich die Lektüre gelohnt hat. Die einzelnen Kapitel kann man getrost auch mit Abstand lesen statt in einem Rutsch.

 

»Der Apparat« ist kein Science-Fiction-Roman im gewohnten Sinn, sondern eine literarische Auseinandersetzung der Auswirkungen von neuen Technologien mit Hilfe von SF-Elementen. Für Leserinnen und Leser, die sich gerne abseits der ausgetretenen SF-Pfade umschauen, ist dieses Buch zu empfehlen.

 

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Buch:

Der Apparat

Original: Appliance, 2022

Autor: J. O. Morgan

gebundene Ausgabe, 240 Seiten

Rowohlt, 13.06.2023

Übersetzung: Jan Schönherr

Titelillustration: Konrad Klapheck

 

ISBN-10: 349800302X

ISBN-13: 978-3498003029

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0BJT9G74G

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 05.08.2023, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 22094