Hörspiel
Humanemy 2
Rezension von Oliver Kotowski
Rezension:
Maurice kennt sich aus mit Fahrzeugen. Er war mal ein Drohnen-Pilot bei der Armee – bis der Kommandeur der Afrika-Offensive, General Gruber, ihm einen direkten Befehl gibt, der gegen das Kriegsrecht verstößt. Maurice zeigt Rückgrad, verweigert den Gehorsam und wird arbeitslos. Einige Zeit später dann also dieser Auftrag mit Lennart, dem Chamäleon, dem Hacker Bones und Center, einem Waffenspezialisten. Besonders Letzteren kann er nicht leiden. Er holt ein paar Erkundigungen über seine Kollegen ein – Bones und Center bleiben eher schattenhaft, aber Lennart ist als gesuchter ex-Verfassungsschützer bekannt. Soweit nichts Auffälliges. Maurice‘ Überwachungsdrohnen haben ein recht deutliches Bild vom Zielort gezeichnet: Dem Amtssitz der Staatsanwaltschaft. Dort liegen die zu beschaffenden Daten. Es scheint sich bei denen irgendwie um einen der Bürgermeisterkandidaten zu drehen – eben jenem General Gruber. Maurice wird hellhörig. Auch Bones war nicht faul: Der ermittelnde Anwalt Riedmüller hat eine Tochter, die in einem Animierclub arbeitet. Rasch wird für Lennart ein Profil erstellt, damit er die Kleine aushorcht. Nach der Aktion haben Lennart und Maurice jedoch gleich eine ganze Truppe Polizisten am Hacken – selbst ein bewaffneter Helikopter wird angefordert. Lennart hat einiges zu erklären – doch es bleiben mehr Fragen, als es Antworten gibt.
Mit Der Fahrer geht Humanemy in die zweite Runde. Die Figuren sind vorgestellt worden, aber nur Lennart hat man etwas näher kennengelernt. In Der Fahrer gibt es einen Perspektivwechsel: Statt Lennart 'schaut' der Hörer Maurice, eben dem Fahrer, über die Schulter. Der Weg in den Schatten, der bei Lennart das gesamte erste Hörspiel durchzog, wird hier im Trailer abgehandelt, geht aber über die bloße Charakterisierung hinaus – Maurice wird aufgrund seiner damaligen Erfahrungen eine schwere Entscheidung zu treffen haben. Lobenswert ist, dass jetzt bei allen vier Figuren von den klassischen Shadowrun-Stereotypen abgewichen wird. Von den drei Handlungssträngen wird zentral Lennarts Etablierung in den Schatten weitergeführt, auch wenn die Intrige um die Bürgermeisterwahl latent wichtig bleibt; Lennarts persönliche Feindschaften werden nur am Rande erwähnt. Um sich zu etablieren, muss er Daten aus der Anwaltschaft stehlen – das klingt nach einem klassischen Run. Entsprechend gibt es einen typischen Heist-Plot: Die Figuren baldowern einen Plan aus, um in das hochgesicherte Gebäude eindringen zu können, stoßen auf unerwarteten Widerstand, es folgt Action – da dies der zweite von vier Teilen ist, wird es dem Hörer kaum überraschen, dass der Plan hier nicht glatt ausgeführt wird. Dabei gibt es natürlich wieder besonders starke und eher schwache Momente: Der Drohneneinsatz zu Beginn des Hörspiels reflektiert treffsicher aktuelle Entwicklungen, ebenso Bones' Profil für Lennart in der Partnerbörse, um die Tochter des Staatsanwalts aushorchen zu können. Wunderbar sind auch einige Störmanöver der Polizei, die Lennart und Maurice auf den Fersen sind – überhaupt ist diese Szene schön anzuhören. Allerdings irritiert der hohe Einsatz etwas: Es scheint, als würde Maurice selbst ein bis zwei Drohnen verlieren – und das bei potenzieller Einnahme von 40k Euro. Verblüffend, dass er da nicht an die Decke geht und Nachverhandlungen einfordert.
Sieht man von kleineren Schwächen ab (hier und da etwas unplausibel bzw. unwahrscheinlich und die Dialoge könnten zugespitzter sein), so hat mich das Skript diesmal solider überzeugt – insbesondere, wenn der Name Mackandal und die Lücke in Maurice' Lebenslauf noch von Bedeutung sind.
Die Anzahl der Sprecher nimmt erheblich ab – die Hüllenangaben nennen nur noch zwölf Sprecherrollen und neun Sprecher in weiteren Rollen. Die Performanz bleibt durchwachsen, allerdings nimmt der prollige Tonfall ab (oder ich habe mich einfach daran gewöhnt). Neue Namen kommen nur wenige hinzu. Die zentral bleiben Thomas Lindner als Lennart, Stefan Lindner als Bones, Patrick Borlé als Maurice und Johnny Wittermann als Center. Die vier liefern wieder eine solide bis gute Performanz; es bleibt natürlich auch das Intro mit Oliver Mink. Als wichtigen Neuzugang ist Heinz Lindner als General (Gruber) zu nennen. Er ist mir nur aus einigen Produktionen von Lindenblatt Records bekannt. Seine Interpretation des Militärs mit politischen Ambitionen hat mir gut gefallen. Seltsamerweise gibt es noch zwei Neuzugänge mit einiger Hörspielerfahrung: Marc Schüler als Computer und Falk T. Puschmann als Militärpolizist; vielleicht hätte man denen gewichtigere Rollen zuschustern sollen?
Die Performanz der Sprecherriege insgesamt bleibt wiederum auf solidem Niveau durchwachsen, wobei ich eine leicht steigende Tendenz wahrnehme.
Die Inszenierung bleibt unverändert modern: Es gibt keinen Erzähler im eigentlichen Sinne, auch wenn Maurice gelegentlich dessen Funktion übernimmt. Die Geräusche werden meist untermalend, selten dramatisch benützt. Ähnlich bei den Musiken: Sie werden untermalend und als Überleitung zwischen Szenen verwendet. Die Auswahl ist weiterhin gelungen, doch die Auswahl neigt jetzt mehr zu Techno und Industrial. Bei den Tonschichten nimmt an etwas Komplexität heraus, was zu einer glatteren Inszenierung führt. Meistens sind zwei bis drei Tonsichten (Sprecherdialog und Geräusche oder Musik) zu hören.
Es bleibt eine gute Inszenierung, die (meines Erachtens: leider) etwas Wagemut bei den Tonschichten gegen eine rundere Wirkung tauscht.
Fazit:
Das Team um Lennart macht sich an den riskanten Datendiebstahl in der Anwaltschaft, doch die Vergangenheit von Maurice, dem Fahrer, spielt in den Auftrag hinein – werden sich die unterschiedlichen Interessen vereinbaren lassen? Der Fahrer wartet mit einigen Überraschungen auf, sowohl was den Heist-Plot, als auch was die Erzählperspektive angeht. Die Story weist noch einiges Potenzial auf – ich bin gespannt, wo die Reise noch hingehen mag.