Reihe: Die Abenteuer von Kit Salter Bd.1
Rezension von Chris Schlicht
Kathleen „Kit“ Salter hat es nicht leicht. Bei einem Mädchen wird ihre Abenteuerlust in Oxford im Jahre 1872 mit Strenge und wenig Verständnis betrachtet. Zudem muss sie für ihren Vater, einen extrem zerstreuten Professor auch die Pflichten einer Ehefrau übernehmen und darauf achten, dass er nicht alles vergisst, was mit dem alltäglichen Leben zu tun hat. Dementsprechend hat die Hauslehrerin und Gouvernante Fräulein Minchin sie sehr auf dem Kieker. Kit wird zusammen mit den jüdischen Geschwistern Rachel – einem richtig wohlerzogenen Mädchen – und Isaac, sowie dem Amerikaner Waldo unterrichtet.
Als ihre Tante Hilda von Ausgrabungen aus Ägypten zurückkehrt, hält Kit nichts mehr im Haus und bei der Minchin. Sie rückt mit ihren Freunden ab und schleicht sich im Museum ein, wo gerade die Ausstellung vorbereitet wird. Dabei finden sie in einer der Kisten eine lebendige Fracht: Ahmed. Der Junge wurde mit eingeschmuggelt und scheint kein Wort Englisch zu verstehen, hat aber ein Schreiben bei sich, das erklärt, dass seinem Dorf ein wichtiges Artefakt gestohlen wurde und seitdem das Dorf von einer Katastrophe nach der anderen heimgesucht wird. Dieses Artefakt ist ein Skarabäus, der in den Leinenbinden der Mumie versteckt sein soll, die Tante Hilda in einer Aufführung präsentieren will. Kit und ihre Freunde wollen Ahmed helfen und den Skarabäus stehlen.
Doch die Mumie im Sarkophag ist nicht echt und es kommt zu diplomatischen Verwicklungen, weil Tante Hilda glaubt, ein Franzose hätte sie gestohlen. Eine Spur führt Kit in eines der schlimmsten Viertel von London. Dort finden sie einen Informanten, doch der kann ihnen nur den Namen Jabber Jukes, eines angehenden Ganoven nennen und wird vor den Augen der Kinder ermordet. Doch selbst dieses schreckliche Ereignis hält Kit nicht davon ab, sich weiter ins Abenteuer zu stürzen, um Ahmed zu helfen.
Doch schon bald müssen sie erkennen, dass Ahmed auch kein ganz sauberes Spiel spielt und nicht der ist, für den er sich ausgibt. Der Diebstahl der Mumie hat zudem einen Fluch freigesetzt. Nichts ist wie es scheint und es geht auch nicht nur um den Skarabäus, sondern auch um nichts Geringeres als das älteste Buch der Welt...
Ein herrliches Stück Geschichtsunterricht, ohne dass es dem jugendlichen Leser auf die Nase gebunden wird, dass er ganz nebenbei auch etwas über die Lebensverhältnisse, die Forschungsarbeiten und Zustände des viktorianischen Englands und seiner Kolonien lernt. All das wird unsichtbar in ein spannendes Abenteuer verpackt und Protagonisten aufgebürdet, bei denen sich jedes Kind sicher mit dem einen oder anderen identifizieren kann. Sei es nun mit dem überheblichen Waldo, den gewitzten Isaac, der braven Rachel oder eben mit Kit, die neben ihren Fehlern alle auch herausragende Eigenschaften haben. Alle wachsen in den Abenteuern über sich hinaus.
Die Beschreibungen der Lebensumstände von Ober- und Unterschicht sind bildhaft und sehr fantasieanregend. Verwirren könnten nur diverse Begriffe, die nicht näher erklärt werden, im heutigen Sprachgebrauch aber nicht mehr vorkommen. Nicht genug, um nach einem Glossar zu schreien, aber doch kleine Stolpersteine. So wird Kit als „Blaustrumpf“ bezeichnet, aber es wird nicht weiter definiert, was damit gemeint ist. Das wäre aber eine schöne Ergänzung zu den sonst so wunderbar integrierten Kleinigkeiten zum Leben im 19. Jahrhundert.
Nun, es wird weitere Abenteuer geben, jedenfalls kann man angesichts des Titels davon ausgehen. Natascha Narayan versteht es jedenfalls, den Leser so in eine vergangene Zeit zu entführen, dass man sich dort richtig heimisch fühlt. Derart spannende Abenteuer darf es gern noch ein paar mehr geben und man darf gespannt auf die weitere Entwicklung der Protagonisten sein.
