Der Fluch (Vampire Boy Bd. 2)
 
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Der Fluch

Reihe: Vampire Boy Bd. 2

Rezension von Christian Endres

 

Die herbeigesehnte Fortsetzung von Vampire Boy führt ihre Leser nicht nur ins schwarze Herz des musikalischen New Orleans oder das Zentrum des geschäftigen Londons, sondern setzt auch den Kampf zwischen dem namenlosen Pharaonensohn und seiner Erzfeindin, der skrupellosen Hohepriesterin Ahmasi konsequent fort. Dabei präsentiert das Künstler-Duo Trillo/Risso neben einem etwas anderen Exkurs in die Vergangenheit auch einen hinreißenden Blick auf den Fluch, der mit der vermeintlich köstlich-süßen Frucht der Unsterblichkeit einhergeht, und knüpft direkt dort an, wo der erste Band dieser furiosen Serie aufgehört hat ...

 

Es ist ein Kampf, der schon an die 5000 Jahre auf dem Buckel und eine traurige Zahl mehr oder weniger unbedarfter Opfer gefordert hat. Darüber hinaus ist es der Kampf zwischen zwei Unsterblichen; zwei Unsterblichen, von denen der eine im Körper eines kleinen Jungen gefangen ist und der andere im Körper einer begehrenswerten Frau, die das Leben unter den Sterblichen allerdings über alle erträglichen Maße langweilt und die es sich zudem in den Kopf gesetzt hat, die einzige Unsterbliche auf der Welt zu sein. Die Rede ist – wie Leser des ersten Bandes von Vampire Boy bereites unschwer erahnt haben mögen – natürlich einmal mehr von unserem namenlosen Titelhelden und dessen Todfeindin Ahmasi, deren Kampf im zweiten Band von Vampire Boy nun in die nächste Runde geht. Wieder einmal treffen die beiden unsterblichen Vampire der etwas anderen Art, denen die Sonne neue Kraft verleiht und (fast) alle Wunden heilt, das ein oder andere Mal aufeinander und ziehen – vor allem in Ahmasis Fall – alle Register und Mittel, um ihren Gegner aus der Reserve zu locken und den Kampf ein für alle Mal zu beenden ...

 

Dabei ist es nicht nur dieser zeitlose Kampf zwischen den beiden ungleichen Todfeinden aus dem alten Ägypten, der den zweiten Band der Reihe ausschmückt und die 172 Seiten mit Inhalt füllt: Carlos Trillo baut selbstverständlich auch immer wieder Passagen oder Szenen ein, welche die Story interessant, vielschichtig und vor allem auch unvorhersehbar machen. In diesem Moment noch philosophiert der namenlose Vampirjunge über den Fluch seiner Unsterblichkeit und darüber, wie furchtbar es ist, beispielsweise niemals die Liebe kennen lernen zu dürfen, nur um auf den nächsten Seiten schon aus der Obhut seiner Freunde zu flüchten und sich eine Hand voll Panels später in einem Zug wiederzufinden, wo er es mit einem perversen Mitfahrer zu tun bekommt und den Vampir in sich freien Lauf lässt ...

 

Hervorragend haben mir auch Trillos gelungene Ausflüge in die Vergangenheit unserer Welt gemundet, geschildert aus den Augen des namenlosen Titelhelden, der so zum Beispiel am Krankenbett seiner blinden Freundin Fever die »wahre Begebenheiten« zum Fall der Weltwunder zum Besten gibt, oder aber einen sehr schönen Blick auf die Zeit der Inquisition spendiert. Solche Ausflüge geben der schon so lange, so viele Zeitalter währenden Fehde zwischen den beiden Vampiren nicht nur mehr Tiefe, sie geben dem Band insgesamt auch mehr Facetten und gelungene Momente.

 

Dazu gehört dann natürlich auch, dass es wieder ziemlich kompromisslos zur Sache geht: Sex und Gewalt werden weder von Trillo, noch von Risso gescheut, wobei vor allem letzterer durch seine außergewöhnlichen Schwarzweiß-Zeichnungen wieder auf ganzer Linie zu punkten versteht. Sein Artwork ist an den richtigen Stellen sexy und verführerisch, blutig und heftig, melancholisch-einsam und ruhig, witzig und actiongeladen – in jedem Panel also einfach nur gelungen. Es macht Spaß, sich von diesem Artwork führen zu lassen, ohne dass es sich in den Vordergrund drängt, genauso wie es ein herrliches Erlebnis ist, nach Lesen der Textkästen und Sprechblasen einfach noch ein wenig auf den Seiten zu verweilen, um die Details in den Zeichnungen zu entdecken und zu genießen.

 

Die Aufmachung des Cross-Cult-Hardcovers lässt einmal mehr keine Wünsche offen – sieht man einmal großzügig davon ab, dass auch der zweite Band der Reihe beim Covermotiv wieder ein bisschen Pech gehabt hat. Dafür wächst das Buchrückenmotiv weiter und braucht nun nur noch einen Rücken zur Vollständigkeit – und was sieht das jetzt schon vielversprechend aus! Ich kann es kaum erwarten, dass der dritte Band das Gesicht unseres namenlosen Helden aus Ägypten vervollständigen und der kleine Vampir mich aus dem Buchregal mit gebleckten Zähnen anschauen wird (findige, aufmerksame Leser werden das Motiv übrigens im vorliegenden Band als Panel wiederfinden ...). Tolles Gimmick! Obendrein eines, das darüber hinwegtröstet, dass der Band im Gegensatz zum Vorgänger diesmal völlig ohne Interviews oder andere Extras auskommen muss (der Fluch eines Verlages, der seine Leser zu oft mit Extras, Interviews und Artikeln verwöhnt, scheint der zu sein, dass man solche Gefälligkeiten zu schnell als gegeben hinnimmt – deshalb gibt es an dieser Stelle auch bei Weitem keine negative Kritik. Wie vermessen sollen wir noch sein, meine lieben Vampirfreunde?).

 

Fazit: Die einmal mehr wunderschön aufgemachte Fortsetzung von »Vampire Boy: Die Auferstehung« macht konsequent da weiter, wo der erste Band aufgehört hat: Stets kompromiss- und schonungslos, mal grimmig, mal noir, mal sexy, mal mystisch, mal sogar historisch, mal einfach nur brutal – man kann sich im Grunde nie so richtig auf das einstellen, was in diesem Comic auf den nächsten Seiten passiert. Und genau das macht letztlich mit den Reiz des Bandes aus und verleiht ihm gemeinsam mit seinem offenen Umgang mit ehemaligen »Tabuthemen« eine gewisse Einmaligkeit, aufgrund derer er als nahezu perfekter Vertreter moderner, reifer Erwachsenencomics erscheint und die heutigen Möglichkeiten des Mediums demonstriert.

 

Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls diebisch auf den dritten, abschließenden Band der Geschichte um den namenlosen Vampirjungen, der nicht nur dessen Geschichte und die ewige Feindschaft zwischen ihm und Ahmasi, sondern eben auch das schicke Buchrückenmotiv endlich vervollständigen wird, und vergebe an dieser Stelle guten Gewissens die Höchstnote für höchst unterhaltsames Entertainment auf einem wirklich verdammt erwachsenen Niveau. Trotzdem fühlt man sich als Leser schier verflucht – immerhin erscheint der Abschlussband erst im Juni des nächsten Jahres. Seufz.

 

Daumen hoch für den namenlosen Vampirjungen, seine betörende Gegenspielerin und einen außergewöhnlichen Comic-Band, der auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. Splendid!

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403191042119b951865
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Comic:

Der Fluch

Reihe: Vampire Boy Bd. 2

Autor: Carlos Trillo

Zeichner: Eduardo Risso

Verlag: Cross Cult

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3936480427

Anzahl Seiten: 172

Erhältlich bei Amazon

weitere Infos:


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Erstellt: 23.09.2006, zuletzt aktualisiert: 20.02.2023 19:18, 2800