Der Geist der Bücher von Christoph Wortberg und Manfred Theisen
Rezension von Bine Endruteit
Rezension:
Ben lebt bei seiner Tante, seit seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind. Eigentlich kommt er mit ihr ganz gut aus, nur nervt es ihn oft, wie sehr sie an ihrer Literatur hängt. Immer wieder erzählt sie ihm von ihren Büchern und liest ihm Stellen aus ihren eigenen Texten vor, dabei interessiert ihn das eigentlich gar nicht besonders. Auch an diesem Morgen hat sie ihn wieder zu sich in die Bibliothek beordert und erzählt ihm etwas von einer Gefahr, die die Welt der Literatur bedroht. Natürlich glaubt er ihr kein Wort und geht einfach los zur Schule. Auf dem Weg dort hin meint er aber, seine Tante schreiben zu hören, und bekommt so viel Angst deswegen, dass er sich schnurstracks auf den Rückweg macht. Er stellt fest, dass sie tatsächlich verschwunden ist. Nur einen zerbrochenen Anhänger kann er von ihr finden, dieser Lag zwischen den Seiten einer „Romeo und Julia“-Ausgabe. Und kaum, dass er den Anhänger an sich genommen hat, geschieht das Unfassbare: Ben befindet sich mitten in Verona und ein junger Mann namens Mercutio steht ihm gegenüber. Es ist kaum zu fassen, aber er ist tatsächlich mitten in dem berühmten Theaterstück von Shakespeare gelandet.
Von jetzt an überschlagen sich die Ereignisse, Ben muss mit ansehen, wie Romeo von seltsamen Wesen in schwarzen Kutten umgebracht wird. Um ihnen zu entgehen flüchtet er mit Mercutio und Julia gemeinsam. Zu seinem Erstaunen landen sie dabei in einem anderen Buch, nämlich „Moby Dick“. Sie finden sich mitten auf dem Meer zwischen heruntergekommenen Matrosen und ihrem unnahbaren Kapitän Ahab wieder. Sie fliehen in einem Boot und landen auf einer einsamen Insel. Schon nach kurzer Zeit stellt Ben fest, dass auch diese einem Buch entstammt, denn sie begegnen einem Einsiedler namens Robinson Crusoe. Immer weiter reisen die drei durch verschiedene Bücher, dabei will Ben nur eins: seiner Tante helfen. Doch das ist gar nicht so leicht, denn sie werden unbarmherzig von den Schattenkriegern verfolgt.
In „Der Geist der Bücher“ von Christoph Wortberg und Manfred Theisen geht es rasant zu. Kaum in einem Buch angekommen verschlägt es die drei Protagonisten schon in das nächste. Nie bleiben sie besonders lange an einem Ort. Dabei wissen sie selbst nicht so genau, was den Wechsel zwischen den Orten herbeiführt. Ben hat außerdem das Problem, dass er Mercutio und Julia nicht sagen kann, dass sie selbst nur Figuren aus einem Theaterstück sind. Die Grenzen zwischen Fantasy und realem Leben werden fliesend, denn Ben erkennt, dass in den Geschichten viel mehr drin steckt, als einfach nur aneinander gereihte Buchstaben.
Leider bleibt bei dieser Geschwindigkeit die Handlung selbst etwas auf der Strecke. Die Autoren haben sich etwas zu sehr auf die Episoden der Bücher und Geschichten, durch die Ben und seine Begleiter reisen, konzentriert und dabei ihre eigene außer acht gelassen. Schon ganz zu Anfang merkt der Leser, dass Mercutio es nicht besonders ehrlich mit Ben meint. Das aber dreihundert Seiten lang auszuspielen wird auf die Dauer etwas langatmig. Der Leser ahnt längst, was hinter seiner freundlichen Fassade steckt, muss aber noch das ganze Buch lang warten, bis sich seine Befürchtung bestätigt. Die komplette Geschichte hindurch verliert man außerdem immer wieder das Ziel aus den Augen. Die vage Vorstellung von Ben, seine Tante zu retten, reicht leider nicht aus, um den Leser zu fesseln. Auch das die Übergänge zwischen den Büchern keinem bewussten Schema zuzuordnen sind, sondern zufällig auftreten, schmälert die Spannung.
Die Story ist rasant erzählt und macht junge Leser neugierig auf die Literatur, von der sie dort lesen. Sie begegnen nicht nur Romeo und Julia, sondern auch Kaptitän Ahab, Robinson Crusoe, Faust und Mephisto, Oliver Twist, Don Quijote, Werther und vielen mehr.
Fazit:
Die Grundidee dieses Buches hätte durchaus Potenzial gehabt, bei ihren Reisen durch die Literatur haben die Autoren aber leider ihre eigene Geschichte nicht gut genug ausgebaut. Junge Leser, die besonders viel Spaß an actionreichen Geschichten haben, werden hier ihren Spaß haben, wer mehr Tiefe von seiner Literatur erwartet, wird aber leider enttäuscht.
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