Der Heilige mit der roten Schnur (Autor: Flavius Ardelean)
 
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Der Heilige mit der roten Schnur von Flavius Ardelean

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Auf dem Weg nach Alrauna begegnet ein reisender Händler einem seltsamen Kutscher, der ihn bereitwillig auf seinem Wagen mitnimmt. Den Preis dafür wird er dem Reisenden noch mitteilen und derweil die Geschichte vom Heiligen Taush erzählen, der einst die Stadt Mandragora gründete, die heute Alrauna genannt wird, dem Ziel des Händlers.

 

Der Kutscher nennt sich Bartholomäus Knochenfaust, gefürchteter Erzähler und er war damals dabei, so seine Worte.

 

Die drei Tage dauernde Reise wird nur unterbrochen um dem Reisenden eine Nachtruhe zu gönnen und den Preis zu bezahlen. Das Skelett schneidet dem Mann Nacht für Nacht Teile des Fleisches vom Körper und fügt es bei sich ein – Flavius Ardelean erzählt uns ganz eindeutig kein einfaches phantastisches Märchen.

 

Vielmehr entwickelt sich neben der schaurigen Rahmenhandlung eine symbolträchtige und metaphernschwere Lebensgeschichte, die typische Bestandteile einer Heiligen-Saga verwendet und dabei mit leisen, sehr poetischen Zwischentönen, jeglichen Horror besänftigt.

 

Taush wird als einziges Kind seiner Eltern in der Dämmerung in Gaisterștat geboren und die Welt hielt inne, wie sie das zu tun pflegt, wenn bedeutsame Menschen geboren werden. Er besondere Gaben. So kann er mit Insekten reden, er verschwindet von der Welt und zieht aus seinem Bauch eine rote Schnur, mit der er Sterbenden Frieden bringt.

 

Bald beginnt er eine Lehre beim alten Tace, der mit seinen Lehrlingen Geschichten gegen die Un’Welt erzählt, denn diese versucht in die Welt zu dringen, ein ewiger Kampf zwischen Gut und Böse, oder besser zwischen zwei Seiten der Realität. Im Laufe des Romans wird klar, dass die Grenzen zwischen Mensch und Un’Mensch nicht so eindeutig sind, wie man denken mag. Die Wortspiele in den Namen, es taucht auch noch ein Fiesling namens Unghe Tzifăr auf, stammen vom Autor selbst, der mit Deutsch als Sprache aufwuchs.

 

Der Heilige mit der roten Schnur lässt sich schwer einordnen. Der Roman besitzt Märchen-hafte Züge, spielt mit Horror-Klischees wie dem gruseligen Jahrmarkt oder einem Männer aussaugenden Bordell, bringt aber immer auch wieder Gleichnisse ins Spiel, die an religiöse Texte erinnern. Ein großer bunter Strauß der Phantastik, mit skurrilen und makabren Szenen, Gewalt, Gräuel und jeder Menge Blut. Aber auch mit Liebe und Sehnsucht, Treue und Achtsamkeit.

 

Flavius Ardeleans Prosa ist in der Übersetzung von Eva Ruth Wemme kraftvoll und dem Sujet mehr als angemessen. Unterstützt wird dieser Ton noch durch die fragil erscheinenden Zeichnungen von Ecaterina Gabriela, deren Linien dem Bild der roten Schnur folgen und allerlei seltsame Kreaturen aus krakeligen Strichen formen. Selbst die Illustration brutaler Szenen erhält eine gewisse Zartheit dadurch, aber auch eine intensive Schwere, wenn massive schwarze Flächen auf den Betrachter eindringen.

Auch der Satz unterstützt den Kunstcharakter des Bandes. Ein eigener Font in den Titeln und Überschriften bricht das starre Muster gewöhnlicher Seiten auf, selbst eine leere Seite für ein Kapitel, dass der Erzähler nicht miterlebte, findet sich.

 

Das alles ergibt in Summe ein außergewöhnliches Buch, das man fasziniert und überwältigt, kaum aus der Hand legen möchte.

In einem Interview mit dem Verlag ordnet der Autor den Roman in eine größere Reihe ein, die er Miasma-Serie nennt – vielleicht schaffen es ja weitere Werke von Flavius Ardelean ins Deutsche. »Der Heilige mit der roten Schnur« weckt auf jeden Fall große Erwartungen.

 

Fazit:

»Der Heilige mit der roten Schnur« von Flavius Ardelean bietet eine phantastische Reise in den Kampf zwischen Welt und Un’Welt, in der die Dinge üble Gestalt annehmen können und ein roter Faden das Leben mit dem Tod verbindet. Ein kunstvolles Buch, ein überraschendes Buch, ein bisschen Magie für die Melancholie der Dämmerung.

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Buch:

Der Heilige mit der roten Schnur

Original: Scârba sfântului cu sfoară roșie, 2015

Autor: Flavius Ardelean

Übersetzerin: Eva Ruth Wemme

Cover und Illustration: Ecaterina Gabriela

Gebundene Ausgabe, 216 Seiten

homunculus Verlag, 10. September 2020

 

 

ISBN-10: 3946120903

ISBN-13: 978-3946120902

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 12.09.2020, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51, 18977