Rezension von Christel Scheja
In den letzten Jahren wurden Werwölfe romantisch verklärt. Aus den blutgierigen und menschenfressenden Bestien wurden mehr oder weniger kernige Naturburschen mit dem Hang zum Öko-Freak, die zwar auf die Jagd gingen, um sich zu ernähren, aber mehr die aufrechten Beschützer der Sterblichen als skrupellose Killer waren. Glen Duncan erinnert nun mit „Der letzte Werwolf“ daran, dass dem nicht immer so war.
Obwohl Glen Duncan 1965 in Bolton Lancashire geboren wurde, stammt er aus einer anglo-indischen Familie. Er arbeitete als Buchhändler und studierte Philosophie, bevor er anfing zu schreiben.
Jake Marlowe lebt seit etwas mehr als zwei Jahrhunderten und hat so miterlebt, dass seine Rasse, die Werwölfe immer unerbittlicher von den Menschen gejagt und schließlich so gut wie ausgerottet wurden – denn zusätzlich überlebte seit dieser Zeit auch kein Gebissener die schwierige Zeit der Umwandlung – alle Opfer starben mehr oder weniger schnell.
So gehört er zu einer aussterbenden Spezies, von der es im 21. Jahrhundert nur noch wenige gibt und schließlich nur noch ihn selbst. Doch Jake ist gar nicht einmal so böse drum, da er selbst seines Lebens müde geworden ist und keine Lust mehr hat, einmal im Monat in einen wahren Blutrausch zu verfallen, in dem er Menschen töten und frisst. Denn die Stimmen seiner Opfer hallen in ihm nach und bringen ihn dazu, langsam aber sicher wahnsinnig zu werden. So sucht der zynische Mann geradezu den Tod und stellt sich offen den Jägern, auch wenn es Leute wie seinen Freund Harley gibt, die ihn selbst um den Preis ihres Lebens schützen wollen.
Das alles ändert sich an dem Tag, an dem er die ebenso schöne wie geheimnisvolle Talulla kennen lernt, die ihn wie magisch anzuziehen scheint. Sie hat nicht nur keine Furcht vor seinem dunklen Ich, sie scheint auch selbst ein großes Geheimnis zu hüten, dem Jake nun unbedingt auf die Schliche kommen will.
Eigentlich ist die Geschichte sehr einfach, der Leser folgt den Erlebnissen eines müde gewordenen alten Werwolfes, dessen Überlebenswille fast erloschen ist. ein über die Jahrzehnte gut angelegtes Vermögen erleichtert ihm zwar das Leben – aber auf der anderen Seite fragt er sich nach dem Sinn.
Man lernt Jay Marlowe als zynischen und verbitterten Mann kennen und hat das Gefühl, dass der Name nicht zufällig gewohnt wurde. Der Autor lehnt sich bei seiner Geschichte sehr deutlich an die Atmosphäre des Crime Noir an. Nüchtern, mit derber Sprache schildert er das freudlos gewordene Leben des Werwolfs, der sich scheut, weitere Bindungen einzugehen und eigentlich nichts dagegen hat zu sterben. Die Beschreibungen sind dabei nicht ohne, so dass zartbesaiterere Leser durchaus mehrfach schlucken dürften.
Aber die stellenweise expliziten Schilderungen von Sex und Gewalt passen zu dem Charakter und seinem Umfeld, vertiefen die düstere und schmutzige Atmosphäre auch noch.
Die Handlung ist sehr geradlinig, aber auch actionreich, da sich der Autor nicht mit unnötigen Beschreibungen aufhält. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und arbeitet die Wandlung sehr gut heraus, die für einen interessanten und stimmigen Wendepunkt in der Handlung sorgt.
Alles in allem dürften auch Genrefans von „Der letzte Werwolf“ angetan sein, da der Autor endlich einmal wieder die dunklen Seiten des Werwolfs herausgearbeitet hat, die in den letzten Jahren im phantastischen Bereich durch die ganzen Romanzen untergegangen ist. Hier kommt wieder richtiges Horror-Feeling auf. Nur wer gefühlvollen Beziehungsclinch und harmlose Abenteuer sucht, der wird mit dem Roman nicht viel anfangen können.