Der Racheengel (Autor: MaccBeth)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Der Racheengel

Autor: MaccBeth

 

Hans Lohmann stand vor der brennenden Scheune in Russland. Sein Zug war auf der Suche nach Partisanen in das kleine Dorf im russischen Hinterland eingezogen, in dem sich auch die brennende Scheune befand. Sie waren mit aufgesetzter Freundlichkeit aufgenommen worden, denn die russischen Bauern hatten Erfahrung mit deutschen Truppen. Hans Lohmann selber war schon dreimal in diesem Dorf gewesen, um nach Partisanen zu suchen. Jedes Mal war ihnen eine gute Mahlzeit aufgetischt worden, obwohl die Bauern selber am Hungertuch nagten. Doch die Angst vor den Deutschen war größer als der Hunger. Mit der Zeit hatte sich eine Art entspanntes Verhältnis entwickelt, zwar immer von Gerüchten über ungeheure Gräueltaten in anderen Dörfern überschattet, aber immerhin entspannt. Dieses Mal aber war es anders gekommen, denn Sergej, der ukrainische Hilfssoldat, hatte einen ungefähr 14jährigen Jungen aufgespürt, der keine Papiere vorweisen konnte. Schnell war er als Partisan identifiziert und ihr Kommandeur hatte den folgenschweren Befehl gegeben, dass Dorf niederzubrennen. Was folgte, hatte sich tief in Hans Lohmanns Gedächtnis eingebrannt. Die Bewohner des Dorfes wurden in eine größere Scheune getrieben, die Türen versperrt. Einige versuchten aus Fenstern zu entkommen und wurden durch Maschinengewehrsalven getötet. Dies hielt die restlichen davon ab, den selben Weg zu nehmen. Hans Lohmann hatte mit seinen 17 Jahren noch kein Gefecht mitgemacht und sein Magen begann sich bei den grausigen Bildern der Magen umzudrehen. Eine Mutter versuchte ihr kleines Kind aus dem Fenster zu werfen, wurde aber von einem ukrainischen Hilfssoldaten erschossen. Hans Lohmann übergab sich heimlich hinter einem Wehrmachtsmotorrad. Niemand bemerkte es, denn alle Männer des Zuges standen wie in Trance um das Gebäude herum, dass mittlerweile in Brand gesteckt worden war. Sie fingen an rhythmisch zu klatschen.

 

Hans Lohmann stand wieder vor der brennenden Scheune in Russland. Er hatte sich wieder aufgerichtet, da sah er einen kleinen Jungen von vielleicht acht Jahren. Der Junge kam langsamen Schrittes aus einem kleinen Bauernhaus und hielt auf die brennende Scheune zu. Die Szenerie hatte etwas gespenstisches, die Flammen warfen ihr grausames Schattenspiel auf das Gesicht des Jungen, welches dadurch in unheimliche Bewegung geriet, obwohl es eigentlich zu einer Maske des Grauens erstarrt war. Niemand sonst bemerkte den Jungen. Hans Lohmann ging zu dem Jungen herüber und stellte sich ihm in den Weg. Der Junge blieb einige Schritte vor ihm stehen. Sein Blick war leer und fest auf das Haus gerichtet, in dem gerade seine Eltern verbrannten. Dann heftete sich sein Blick auf Hans Lohmann. Dieser wich instinktiv einen Schritt zurück, denn der halb leidende, halb vorwurfsvolle Blick erschreckte ihn. Was dann geschah, sollte Hans Lohmann bis zu seinem Tode nicht mehr aus dem Gedächtnis tilgen können. In den Blick des Jungen hatte sich etwas bedrohliches gemischt, eine kleiner Funken des Hasses, visualisiert durch die Flammen, die sich in den Augen spiegelten. Unbewusst griff Hans Lohmann nach seinem Mauser-Gewehr, dass er über der Schulter hängend trug. Der Junge hob die Hand und deutete mit einem Finger anklagend auf Hans Lohmann. Der Moment, als ihre Blicke sich trafen schien Ewigkeiten zu dauern. Hans Lohmann war nicht länger ein 17 jähriger Soldat und der junge Russe war nicht länger ein achtjähriges Bauernkind. Sie waren Mörder und Opfer. Mit einer langsamen Bewegung hob Hans Lohmann das Gewehr und richtete den Lauf auf das Gesicht des Jungen. Er wurde panisch. „Hör auf mich anzusehen,“ schrie er so laut er nur konnte. „Hör AUF!! Hör auf!!!“ Seine Schreie wurden immer hysterischer und mischten sich unter die Schreie der Bauern, die in dem Haus verbrannten. „Hör auf!“ Der Junge sah ihn unverwandt an, noch immer den Finger anklagend auf ihn gerichtet. Hans Lohmann fing an zu Schluchzen. „Hör auf,“ wimmerte er. „Hör auf!“ Der nächste Moment zog sich quälend langsam hin. Ein letzter Blick in die vorwurfsvollen Augen des Jungen, dann bemerkte Hans Lohmann mit Schrecken, wie sich sein Finger um den Abzug krümmte. Ein letzter Schrei. „Hör auf!“ Seine Stimme überschlug sich in Hysterie, dann löste sich der Schuss und zerfetzte dem Jungen das Gesicht. Gleichsam mit dem toten Körper des Jungen fiel das Gewehr aus seinen kraftlosen Händen.

 

Schweißgebadet wachte Hans Lohmann auf. Sein Herz raste, er sah sich panisch um, fest damit rechnend, das brennende Gebäude zu sehen, den Qualm zu riechen. Nur langsam entspannte er sich wieder. Neben ihm schlief seine junge Frau. Sie schlief ruhig, denn sie hatte sich bereits an die nächtlichen Alpträume ihres Mannes gewöhnt. Anfangs war sie von den hysterischen Schreien aufgewacht und hatte versucht ihren Mann zu trösten. Doch sie wusste nicht, worum es in den Träumen ging, ihr Mann hatte nie erzählt, was an diesem Tag im Frühjahr 1942 in dem russischen Bauerndorf geschehen war. Was vor 10 Jahren geschehen war. Hans Lohmann war tatsächlich dort gewesen und hatte diesen Jungen erschossen. Eine Woche später war er in einem Feuergefecht mit einer kleinen Partisanentruppe verletzt worden und in die Heimat zurückgeschickt worden. Seinen Kameraden gehörten später zu den Truppen, die in Stalingrad eingekesselt wurden und in Gefangenschaft gingen. Er war einer der letzten gewesen, die die Hölle verlassen durften. Aber die Hölle war ihm gefolgt. Den Vorfall hatte er schnell verdrängt und als seine Wunde verheilt war und der Krieg zuende ging, hatte er seine Jugendliebe geheiratet. Sie hatten einen kleinen Sohn bekommen. Dann hatten die Träume angefangen. Das ging nun etwa 6 Jahre so.

 

Hans Lohmann erhob sich vom Bett und ging in die kleine Nische, den sie Küche nannten. Nach dem Krieg war es ihnen nicht gut ergangen. Die noch junge Bundesrepublik hatte ihnen nicht zu einem besseren Leben verhelfen können, denn Hans Lohmann war fast vollkommen unfähig einen Beruf auszuüben, da er mit den Nerven am Ende war. Er drehte den schäbigen Wasserhahn auf und ließ sich das dünne Rinnsal auf die Hand träufeln. Dann benetzte er damit sein Gesicht. Er schaute hoch in den kleinen Spiegel, der an einer Ecke gesprungen war. Er war blass. Er legte den Kopf schräg und versuchte in seinem Gesicht Spuren von dem Geschehenem zu erkennen. Aber davon war nichts zu bemerken, sein Gesicht war zu einer Totenmaske erstarrt. Etwas huschte durch das Spiegelbild. Hans Lohmann drehte sich erschrocken um. Da war nichts. Er verließ die Nische und schaute zur Zimmertür seines Sohnes herüber. Er dachte, dass er seinen Sohn gesehen hätte. Aber die Nerven hatten ihm wohl einen Streich gespielt. Das kam häufiger vor. Hans Lohmann schüttelte resignierend den Kopf und ging zurück in die Küche. Er drehte den Wasserhahn zu, der die ganze Zeit weitergelaufen war. Verschlafen fuhr er mit den Fingern durch das Haar. Er war müde, aber er wusste genau, dass er in dieser Nacht nicht mehr schlafen würde. Die Träume schreckten ihn zu sehr. Jemand kicherte im Zimmer seines Sohnes. Hans Lohmann erstarrte. Er drehte sich erneut um und ging zu der Tür, die das Zimmer seines Sohnes vom restlichen Wohnbereich trennte. Er legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Nichts war zu hören. Trotzdem öffnete er leise die Tür und ging in das dunkle Zimmer. Er schlich zum Bett seines Sohnes und betrachtete das Gesicht seines Sohnes. Das war zu seinem letzten Trost im Leben geworden. Die Gewissheit, für das Leben, das er ausgelöscht hatte, ein anderes in die Welt gesetzt zu haben, verschuf ihm zumindest ein wenig Ruhe.

 

Sein Sohn rührte sich nicht, er schien fest zu schlafen. Mit einer zärtlichen Geste strich er ihm durch das Haar. Er spürte etwas feuchtes, klebriges an der Hand. Er führte sie näher an das Gesicht um zu sehen, was er da an der Hand hatte, dann prallte er erschrocken zurück. Es war Blut. Panisch stürzte Hans Lohmann an das Bett und rüttelte an seinem Sohn. Er hatte sich nicht gerührt weil er schlief, sondern weil er tot war! Mit schreckengeweiteten Augen sah er immer wieder vom leblosen Gesicht seines Sohnes zu seiner blutigen Hand und zurück. Jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen. Diese Tatsache schlich sich nun in das Bewusstsein von Hans Lohmann. Hysterisch fuhr er herum, fest damit rechnend, den Mörder seines Sohnes hinter sich zu erblicken. Dann hörte er ein Kichern vom Ehebett her. Hans Lohmann stürmte durch die Wohnung, kam ins straucheln und konnte sich gerade noch an der Bettkante festhalten. Mühsam rappelte er sich wieder auf. Voller schlimmer Ahnungen sah er in das Gesicht seiner Frau. Die Augen standen weit offen, doch jedes Leben war aus ihnen gewichen. Eine Blutlache hatte sich auf dem Kopfkissen gebildet. Hans Lohmann stieß einen gequälten Schrei aus. Hinter ihm erklang wieder das Kichern. Langsam drehte er sich um. Der kleine achtjährige Russe stand hinter ihm. Er kicherte, als er Hans Lohmanns panischen Gesichtsausdruck sah. „Warum?“ „Warum meine Familie?“ Hans Lohmanns Stimme klang schmerzerfüllt. Der Junge schwieg, aber in seinen Augen war die Antwort zu lesen. „WARUM MEIN DORF, MEINE ELTERN, WIESO ICH?“ „Aber mein Sohn trägt dafür keine Schuld!“ Noch immer schwieg der Junge. „DAS TATEN WIR AUCH NICHT!“ Dann fing der Junge an zu kichern, seine Augen blitzten fröhlich, wie sie es vielleicht getan hatten, als er noch ein glücklicher Bauernjunge gewesen war.

 

Lange standen sich die beiden gegenüber, Mörder und Opfer. Dann hörte der Junge plötzlich auf zu kichern, erhob die Hand und deutete anklagend auf Hans Lohmann, wie er es damals vor dem brennenden Haus getan hatte. Aus seinem Blick war jedwede Fröhlichkeit gewichen. Stattdessen war in ihnen nur unendlicher Hass zu sehen. Dann hatte der Junge plötzlich das Mauser-Gewehr in der Hand. Er richtete es auf sich selber und drückte ab.

 

 

Familientragödie in Köln

 

Am Montag Morgen wurden in einer Wohnung in der Kölner Innenstadt drei Leichen gefunden. Die Polizei geht von einer Familientragödie aus. Anscheinend hatte der Familienvater Hans L. zuerst seine Frau und seinen achtjährigen Sohn mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen und sich dann anschließend mit einem Gewehr erschossen. Das genaue Motiv ist noch nicht geklärt, aber wie Freunde der Familie bestätigten, hatte der Mann unter psychischen Problemen gelitten.

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042702493822c0c46b
Platzhalter

Disclaimer

Die Charaktere dieser Geschichte, sowie alle Handlungen sind geistiges Eigentum des Autors. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Orten oder Handlungen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Der Autor verfolgt kein kommerzielles Interesse an der Veröffentlichung dieser Geschichte.

Freigabe zur Weiterveröffentlichung besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 04.06.2005, zuletzt aktualisiert: 26.07.2019 10:10, 402