Der Riss im Raum (Autorin: Madeleine L'Engle)
 
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Der Riss im Raum von Madeleine L'Engle

Rezension von Mirijam Kraft

 

Rezension:

Meg glaubt ihren Ohren nicht zu trauen, als ihr kleiner Bruder Charles Wallace behauptet, er habe in ihrem Gemüsegarten eine Herde Drachen gesehen.

Eigentlich wissen sie und ihre Familie nur zu gut, dass nicht immer alles so sein muss, wie es scheint, aber gerade jetzt, wo Charles Wallace schwer krank ist, scheinen seine Drachen nicht mehr als seiner Phantasie entsprungen zu sein.

Umsomehr ist Meg erstaunt, als sich die Drachen tatsächlich an der von Charles Wallace bezeichneten Stelle befinden und sich dann auch noch herausstellt, dass es sich bei der vermeintlichen Drachenherde in Wirklichkeit um ein einziges Wesen, den Cherubim Proginoskes, handelt.

Gemeinsam mit seinem Lehrmeister Blajeny bittet er Meg und ihren Freund Calvin um Hilfe – das Universum ist von den furchtbaren Echtroi bedroht, die ein Loch ins All gerissen haben und alles auslöschen, was sich ihnen in den Weg stellt. Ausgerechnet das Schicksal von Charles Wallace wird plötzlich zum Schlüsselpunkt von dem Geschick der ganzen Schöpfung.

 

Seltsam. Wer durch das Cover und den Klappentext ein typisches Buch der Fantasyliteratur erwartet – jugendliches Mädchen wird von Drachen in eine fremdartige Welt entführt, die von einem Tyrannen beherrscht wird, den es in einem ungleichen Kampf besiegt – wird in seinen Vermutungen sicherlich enttäuscht werden.

Madeleine L'Engle spielt mit zahlreichen abstrakten Ideen, für die sie seltsam anmutende Bezeichnungen wie “exen” oder “kythen” bereithält und die sie als wissenschaftliche Fakten verkleidet (sind doch die Eltern der Protagonistin berühmte Forscher).

Ihre Gedanken sind stellenweise so befremdend, dass man sie kaum annehmen möchte, und gleichzeitig faszinierend neuartig und erfrischend.

Aus diesem Blickwinkel gesehen hat die Geschichte durchaus Potential, das sie aber leider viel zu wenig ausschöpft.

Bis unmittelbar zu den letzten Seiten plätschert die Handlung vor sich hin, mal mit ein wenig Spannung, dann wieder völlig träge, ohne je wirklich packend zu werden. Fast hat man das Gefühl, die Geschichte würde erst während der letzten Kapitel richtig beginnen, um das Buch dann mit der unausgesprochenen Frage: “Das war's schon?” zu beenden.

Die Charaktere wirken größtenteils blass, manchmal zur Einseitigkeit neigend, und verhaspeln sich nicht selten in unrealistischen Handlungen. Mal reagieren sie so, dann wieder auf völlig andere Weise – gerade so, wie es die Situation im Augenblick erfordert. Besonders auffallend war dieser Punkt bei Charles Wallace, der sich einfach nicht wie ein Sechsjähriger benimmt – hochbegabt hin oder her. Auch von dem “nach außen hin schüchternen Jungen” war kaum etwas zu bemerken – trotz ständiger geistiger “Korrekturen” blieb in meinem Kopf für ihn das Bild eines mindestens fünfzehn jährigen Teenagers hängen – auch wenn die Lebenserfahrung, die er öfters an den Tag legt, durchaus auch für einen Fünfzigjährigen ausgereicht hätte.

 

Bis zum Ende hatte ich mit halbem Herzen auf eine überraschende Wende gewartet, jedoch leider vergebens. Der Handlung hätte sie sicherlich gut getan. Nicht, dass sie direkt voraussehbar wäre, aber was Madeleine L'Engle einmal für bare Münze erklärt, bleibt es bis zum Ende, was einen Großteil der Spannung ungenützt verpuffen lässt. Das ist schade, vor allem, da mich der schöne Schreibstil an manchen Stellen fast dazu gebracht hätte, dem Buch all seine Schwachstellen zu verzeihen. Beinahe möchte man hoffen, die Autorin würde fortfahren, einen Sonnenuntergang oder den Garten um Megs Haus zu beschreiben, anstatt die Handlung voranzutreiben, denn die bringt vor allem eine ihrer größten Schwächen mit sich: Endlose Dialoge. Während das Verhältnis zwischen Erzählung und Dialogen anfangs noch relativ ausgewogen ist, besteht das Buch zum Ende hin fast nur noch aus direkter Rede. Ich will der Autorin diese Tatsache nicht vorwerfen – schließlich ist sie wichtig für das Hauptthema des Buches, das Kythen –, würde mir aber wünschen, sie hätte die Hälfte des Gesagten ungnädig herausgekürzt. Bei den Dialogen überwiegen vorallem zwei Themen: Nicht enden wollende Debatten mit den Echtroi darüber, ob es nun besser ist, sich dem Nichts oder der Schöpfung zu verschreiben, und elendslange Frage-Antwort-Unterhaltungen über die momentane Aufgabe, den Aufenthaltsort (Wo spielt keine Rolle, wie Madeleine L'Engle dem zum Trotz ständig betont ...) und überhaupt das gesamte Weltengefüge. Dazu kommt die unglaubliche Begriffsstutzigkeit mancher Charaktere, sodass dasselbe Thema nicht selten von verschiedenen Personen (aber im fast gleichen Wortlaut) drei- oder viermal wiederholt werden muss, bevor endlich der Lieblingssatz der Autorin zu lesen ist: “Ich beginne zu begreifen.”

Nicht selten gibt es dazwischen Abschweifungen mittleren Ausmaßes, die sich das Gespräch kurz zu einer schon vor Seiten ausgiebig durchgekauten Sache wenden lassen, ehe es wieder über viele Umwege zurück zu seinem eigentlichen Ausgangspunkt flattert und die meist recht sinnlos erscheinen.

 

Auch der Schluss kommt alles andere als überraschend – auf die eine oder andere Weise hat man schon die Lösung des Problems auf diese Art in Betracht gezogen. Alles, was mich ein wenig in Erstaunen versetzt hat, war die Tatsache, dass es so schnell und einfach vonstatten geht. Umgeworfen hat mich das Ende jedenfalls in keiner Weise – trotzdem fand ich die Idee recht schön und interessant. Mit der richtigen Umsetzung hätte aus den Grundsätzen des Buches viel werden könnten – schade.

 

Fazit:

Leider kann "Der Riss im Raum" an keiner Stelle mit sonderlicher Spannung oder gut durchdachten Personen und Handlungssträngen aufwarten. Nichtsdestotrotz hat er sich seine Chance verdient, gelesen zu werden – den guten Ideen und dem schönen Schreibstil, der seitenweise hervor blitzt, zuliebe. Wenn auch die Bezeichnung “Klassiker” nicht über die vielen Schwächen hinwegtäuschen sollte, hat das Buch doch von diesem Standpunkt aus gesehen, der mir gerade hier am Herzen liegt, einiges zu bieten.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404241617596453293c
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Buch:

Der Riss im Raum

Autor: Madeleine L'Engle

Übersetzer : Wolf Harranth

Verlag: cbj, 4. Mai 2009

Taschenbuch, 224 Seiten

empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre

 

ISBN-10: 3570220524

ISBN-13: 978-3570220528

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 29.08.2009, zuletzt aktualisiert: 20.03.2024 15:43, 9073