Nicht nur im DC-Universum gibt es bei zahlreichen Serien mit Dawn of DC eine Art Neuanfang. Auch Marvel nimmt bei diversen Reihen immer wieder einen einsteigerfreundlichen Neustart vor. Das jüngste Beispiel ist Der unsterbliche Thor – Sturmfront. Hier muss der Donnergott noch in seine neue Rolle als König von Asgard herein finden. Dabei erweist sich die Konfrontation mit einigen Frostriesen nur als kleines Ärgernis. Denn ein anderer, älterer Gott hat es auf Thor abgesehen. Zu allem Überfluss spielt Trickster Loki mal wieder ein undurchsichtiges Spiel und bringt damit nicht nur seinen Bruder in Gefahr.
Verantwortlich für »Der unsterbliche Thor – Sturmfront ist Al Ewing. Der Brite hatte zuletzt vor allem mit Bruce Banner: Hulk einen guten Eindruck hinterlassen. Hier mischt er gekonnt Tradition und Innovation. Dabei führt der Autor den Donnergott einerseits zu seinen mythologischen Wurzeln zurück. Dazu passt es, dass der Brite jedes Kapitel mit einer Devise aus einem klassischen Werk – vor allem aus der alten Edda – einleitet und die Handlung diverse Verweise auf die Mythologie gibt. Die Sprache der Asen und vor allem von Thor hat einen anarchischen Touch, an den sich einige Leserinnen und Leser möglicherweise erst gewöhnen müssen. Insgesamt wirkt das aber stimmig. Die Handlung harmoniert auch gut mit dem jüngst erschienen und ebenfalls klassisch angelegten Comic von Loki: Der Lügner. Der Gott spielt hier seine Rolle als undurchschaubarer Trickster trefflich. Auch die Anbindung zu früheren Marvel-Serien um den Donnergut ist gelungen. Andererseits kreiert Ewing aber zudem einen neuen und vielversprechenden Gegenspieler, der in seiner Gestaltung jedoch durchaus klassisch, weil stimmig, wirkt. Das Finale des Bandes hat dann epische Qualitäten und auch für Fans der Meta-Ebene bietet der Comic etwas.
Allerdings wirkt die Auflösung eines Rätsels, das Loki seinem Bruder stellt, etwas willkürlich und insgesamt wenig zwingend. Auch überrascht es im Rückblick inzwischen doch ziemlich, wer dann doch alles würdig genug ist, um Thors Hammer zu schwingen. Außerdem wäre es ein netter Service gewesen, ein einleitendes lateinisches Motto aus „Carmina Burana“ ins Deutsche zu übersetzen. Schließlich haben die Macher – glücklicherweise – darauf verzichtet, die Motti aus der Edda in altisländischer Sprache zu belassen.
Die grafische Gestaltung des Comicbandes obliegt Martín Cóccolo (Magic: The Gathering, Green Lantern). Der Zeichner gestaltet vor allem Thors Gegenspieler sehr ansprechend und schön düster. Dabei setzt er dessen ersten Auftritt toll seitenfüllend in Szene. Überhaupt beweist der Uruguayer ein gutes Gespür, wann er ins Großformat wechseln sollte, um den Effekt seiner Zeichnungen zu intensivieren. Auch die androgyne Darstellung von Loki ist gelungen und passt gut zum aktuellen Comic »Loki: Der Lügner«. Ausgerechnet das Design von Thor ist allerdings etwas zwiespältig. Zwar weiß der klassische Look des Donnergottes insgesamt zu gefallen. Mit der Spitze erinnert sein Helm jedoch etwas zu sehr an die Pickelhaube der preußischen Armee, was dementsprechend nicht zum göttlich-epischen Gesamteindruck beiträgt. Hier hätte sich Cóccolo gerne vom klassischen Stil von Jack Kirby & Co lösen dürfen. Zudem wirkt die Mimik des neuen Allvaters zuweilen etwas arg dümmlich.