Rezension von Cronn
Als ich die rote Tür öffne, sehe ich einen langen nahezu dunklen Gang vor mir und trete ein. An den Wänden hängen Plakate, deren abgewetzte Enden wie Fähnchen im kaum spürbaren Luftzug zittern. Sie gleichen nervösen Tauben, jederzeit bereit, bei Gefahr aufzusteigen.
Ich laufe über die kalten Fliesen auf die gegenüberliegende Tür zu.
Es ist kalt hier, ich fröstele und ziehe die Schultern hoch. Wie bin ich hierher gekommen? Alles ist vernebelt in meinem Gehirn.
Vorhin war ich noch in meinem Apartment, der Fernseher lief, die Frau sprach aus der Küche mit mir. Und nun das hier? Wollte ich draußen etwas besorgen?
Plötzlich schlägt hinter mir die Tür zu. Ich zucke zusammen.
Ich drehe mich um.
Dort steht eine Frau. Sie zuckt und zittert. Alles an ihrer Erscheinung wirkt auf mich ungewöhnlich, unwirklich. Sie umgibt die Aura des Dämonischen.
Aber ich habe keine Angst vor Dämonen, ich bin gerüstet mit Talismanen gegen böse Geister. Vor allem bin ich geistig gewappnet gegen diese jenseitigen Besucher. Mich kann nichts so leicht aus der Ruhe bringen.
Also tue ich das, was dieses Wesen sicher nicht vermutet: Ich gehe forschen Schrittes auf es zu!
Nach wenigen Schritten allerdings passiert es.
Blitzschnell rennt mir das Wesen entgegen. Ich verfalle in Schockstarre und kann mich nicht mehr rühren. Das Wesen rennt mit einem Kreischen durch mich hindurch!
Ich fasse mir an den Körper. War das real?
Diese Gegenreaktion habe ich nicht vermutet. Ich bin völlig durcheinander und geschockt!
Mal sehen, was der Weg durch die Finsternis noch so alles an Schrecken für mich bereithält. Ich sollte nicht so überheblich sein …
Devotion ist ein Spiel, das eine interessante Erzählung in den Mittelpunkt seines Gameplays stellt und somit ein Walking-Simulator mit Adventure-Anteilen ist. Entwickelt wurde es von Red Candle Games, einem Studio aus Taiwan. Das Game wurde 2019 von Steam und GOG genommen, weil es einen Aufruhr chinesischer Spieler wegen eines chinakritischen In-Game-Plakats evoziert hatte. Nun ist es auf der offiziellen Shop-Seite des Entwicklers zurückgekehrt und zum Downloadkauf bereit. Grund genug, sich das Horrorgame anzuschauen, also. Wie gut ist es tatsächlich, abseits des Skandals?
Hintergrund:
In »Devotion« spielt man eine Figur, die sich erst nach und nach in ihrer Identifikation entpuppt, während sich die Narration des Spiels entfaltet. Man befindet sich in Ego-Perspektive in einem Apartment in den 80er Jahren in einer nicht näher bezeichneten Stadt, vermutlich in Taiwan.
Das ist auch nicht weiter wichtig. Spannender ist die Tatsache, dass man einer Tragödie im persönlichen Bereich der Spielfigur auf die Schliche kommt. Diese Erzählung ist so menschlich nachfühlbar gezeichnet, dass es dem Spieler nahe gehen kann. Für Zartbesaitete ist das Game also nichts. Die Story des Spiels erstreckt sich über eine Spieldauer von knapp 3 Stunden und unterhält Geschichtenliebhaber sehr gut. Einschränkend muss gesagt werden, dass die Erzählweise streckenweise fragmentiert ist, wodurch man sich selber vieles zusammenreimen muss. Diese Leerstellen sind aber recht problemlos zu füllen, wenn man mit der eigenen Phantasie herangeht.
Gameplay:
Vom Gameplay her erinnert »Devotion« über weite Strecken an Gone Home, gemischt mit dem Horror von Visage und einer Prise P. T.-Demo. Man erkundet immer wieder dasselbe Appartement, allerdings zu verschiedenen Zeiten. Dort findet man Gegenstände, die man untersuchen und mitnehmen kann, um sie andernorts (eigentlich: andern-zeits) zu verwenden. Dabei sind keine großen Kopfnüsse zu knacken, sodass der Spielflow erhalten bleibt. Ebenfalls enthalten sind lesbare Notizen, allerdings ausschließlich auf Englisch. Die Sprachausgabe ist auf Taiwanisch.
Die Horrorelemente sind recht gelungen eingesetzt. Manche Scare-Jumps haben mich total unvorbereitet erwischt, andere waren vorhersehbar. Die allgemeine Stimmung des Spiels hat fasziniert. Es ist allein schon durch die unterschiedliche Herangehensweise an den Grusel für westliche Spieler·innen sehr interessant. Auch die unterschiedliche Kultur erzeugt durch ihre für westliche Gamer·innen unbekannten Aspekte für ein Gefühl des Fremdseins im Spiel.
Zwischendurch gibt es sogar einen Wechsel im Gameplay, wo man in einem Bilderbuch die Geschicke einer gezeichneten Figur lenkt. Ein sehr gelungener Wechsel und spannend in den Gesamtkontext der Narration eingebunden.
Es gibt leider einen nervigen Savegame-Bug im zweiten Akt des Spiels, wodurch es unmöglich ist, das Spiel nach den Zwischen-Savegames fortzusetzen, sondern man stets am Akt-Beginn loslegen muss. Das ist zwar ärgerlich, stört aber angesichts einer eh schon knappen Spielzeit nicht allzu sehr, da das dritte Kapitel zeitlich nicht weit entfernt ist und man nicht lange für das zweite Kapitel braucht.
Grafik und Sound:
»Devotions« Grafik ist auf dem Gerüst der Unity-Engine aufgebaut. Das sieht man dem Spiel positiv an. Die Beleuchtung ist sehr stimmig und auch die Effekte sind gelungen. Der Detailgrad ist hoch, solange man nicht allzu nahe an die Texturen herangeht. Dann wirken sie doch nicht ultra-hochaufgelöst, aber das stellt kein Hindernis dar.
Der Sound überzeugt durch ein dichtes Design. So sind an vielen Stellen die Hintergrundgeräusche einer asiatischen Stadt mit Hundegebell, Mofa-Lärm, Wind und vielen weiteren Sounds eingebaut und ziehen den Spieler damit sehr intensiv in die Umgebung.
Fazit:
»Devotion« ist ein sehr gelungenes Horrorgame, das die Erzählung klar in den Vordergrund rückt und dennoch nicht auf Gameplay-Elemente verzichtet. Es ist ein kleiner Geheimtipp für all jene Horrorfans, die bereits vieles schon gesehen haben und gerne vom Setting und Spielmechaniken überrascht werden wollen.
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