Die 1980 geborene Homeira Quaderi wuchs in einem zerrissenen und von Krieg und Gewalt gezeichneten Land auf. Sie erlebte nicht nur die Besatzung durch die Russen, sondern auch die Herrschaft der Taliban mit. Aufgewachsen in Kabul und Herat, musste sie als Mädchen und junge Frau einiges durchmachen. Aber sie verlor niemals ihr Selbstbewusstsein und ihren Mut, wie sie in ihrem autobiographischen Roman Dich zu verlieren oder mich erzählt.
Schon als Kind ist Homeira anders als viele Mädchen in ihrem Alter, denn sie hinterfragt Dinge, lernt und liest, ist auch nicht bereit sich in die vorgegebene Rolle zu fügen und gehorsam das zu sein, was man von ihr erwartet.
Mit dreizehn Jahren riskiert sie sogar ihr Leben, indem sie die jüngeren Kinder in Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet, etwas, was die Taliban unter Todesstrafe stellen. Und sie schafft es sogar, dass eine ihrer Kurzgeschichten in der Zeitung veröffentlicht wird.
Das aber zwingt sie letztendlich zu einer Flucht nach vorne. Die Heirat mit einem Mann, den sie nicht wirklich kennt und liebt, bringt ihr aber endlich die ersehnte Freiheit, auch wenn sie einen hohen Preis dafür bezahlt.
Es gibt viele Berichte und Dokumentationen aus westlicher Sicht über das Leben der Mädchen und Frauen in dem von den Taliban beherrschten Afghanistan, jedoch nur wenige Frauen aus dem Land, die ihre Stimme erheben und ihre Geschichten erzählen ohne dafür gleich sterben zu müssen.
Homeira ist eine von ihnen. Sie hat das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, sie nicht ganz konservativ ist, von der Großmutter einmal abgesehen, was sie auch in ihrem Charakter stärkt und Dinge wagen lässt, die sie das Leben kosten könnte. Zudem findet sie auch immer wieder Verbündete.
Das macht die Geschichte so interessant. Das Bild, was sie vom Leben in Afghanistan zeichnet ist brutal und schmerzvoll, hat aber auch glückliche Momente. Der Blick ist differenziert, denn auch unter den Taliban scheint es nicht nur verblendete Fanatiker zu geben und auch in ihrer Familie und direkten Umgebung scheint teilweise eher liberaler Geist zu herrschen.
Gerade weil die Erzählung so unmittelbar ist, die Heldin jemand, mit dem man sich als Leser identifizieren kann, wird man regelrecht von den Ereignissen mitgerissen und atmet auf, als sie im Iran erstmals Freiheit erlebt, von der sie vorher nicht träumen konnte. Und man versteht auch, warum sie bereit ist, um ihren Jungen zu kämpfen, als sie nicht länger mit ihrem Mann zusammen leben kann.
Die Beschreibungen sind traurig und berührend zugleich und führen einem noch deutlicher vor Augen, wie wenig Mädchen in diesem Land vor allem in den Augen der radikalen Kräfte wert sind, und warum es wichtig ist, den Frauenrechtlerinnen zu helfen. Und gerade dieses Buch kann dabei helfen, da es anrührend und lebendig geschrieben ist, und nicht nur ein Einzelschicksal behandelt, denn Homeira beschreibt auch immer wieder, was die Frauen und Mädchen in ihrem Umfeld erdulden mussten. Und das ohne Übertreibungen und Kitsch. Man merkt sehr deutlich, dass sie nahe an der Realität geblieben ist, bei der Wiedergabe ihrer ganz persönlichen Erinnerungen.