Die Auferstehung (Vampire Boy Bd. 1)
 
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Die Auferstehung

Reihe: Vampire Boy Bd. 1

Rezension von Christian Endres

 

Für den namenlosen Helden des argentinischen Künstlergespanns Trillo/Risso ist die vampirhafte Unsterblichkeit mehr Fluch denn Segen – war vor allem daran liegt, dass Liebe und Sex sich für ihn, der er über die Jahrtausende hinweg stets im Körper eines Kindes gefangen war, in weiter Ferne befinden. Aber auch der Umstand, dass ihm die einstige Geliebte seines Vaters, eine ebenfalls unsterbliche, männermordende Hohepriesterin aus dem alten Ägypten zur Zeit der Pharaonen, das »Leben« immer dann, wenn unser »junger« Freund in seiner Ruhe gestört wird, zur Hölle macht und auf Biegen und Brechen sein Ende herbeiführen möchte, trägt nicht gerade dazu bei, den unsterblichen Titelhelden mit Frohsinn und Fröhlichkeit über die Welt wandeln zu lassen oder sich über seine diesmalige Auferstehung in einem New York der heutigen Zeit zu freuen ...

 

In Die Auferstehung wird der namenlose Vampir aus Ägpten, der Jahrtausende kommen und gehen sah, aber immer noch im Körper eines Jungen von zehn Jahren gefangen ist, wieder einmal in seiner Ruhe gestört und muss sich nach dem Erwachen – nach der Auferstehung – mit den Tücken der Neuzeit herumschlagen, derweil fünfzig Jahre ohne ihn verstrichen sind. Während ihm die Hohepriesterin Ahmasi wieder einmal mit allen Mitteln nach dem »Leben« trachtet und auch nach mehreren tausend Jahren der Unsterblichkeit noch auf Rache aus ist, kaum dass sie von der Auferstehung ihres ewigen Feindes erfährt, muss der namenlose Held sich zusätzlich in der heutigen, schnelllebigen Metropole zu Recht finden, wo er unter anderem auf einen alten Indianer und dessen schöne Tochter trifft, die im Kampf gegen skrupellose Immobilienhaie dringend Unterstützung benötigen. Doch genau diese Hilfestellung führt Ahmasi zu ihrem ewig »jungen« Todfeind, und letztlich kommt es zu einem Showdown zwischen den unsterblichen Sonnen- lichtvampiren ...

 

Mit dem namenlosen Pharaonensohn und der skrupellosen Ahmasi prallen zwei Extreme aufeinander: Für den einen ist die Unsterblichkeit dank der Kraft der Sonne ein Fluch, wohingegen die andere das ewige Leben in vollen Zügen auskostet uns sich vor allem sexuell Tag für Tag austobt. Richtig interessant wird es aber erst, wenn diese beiden Extreme ihre seit über fünftausend Jahren währende Vendetta ausleben und einander jagen, um ihrer persönlichen Fehde endlich ein Ende setzen zu können. Dabei geraten Freund, Feind und Passant in die Schusslinie, was vor allem unserem Vampirjungen manchmal ziemlich zusetzt, wohingegen Ahmasi moralische Gedanken oder Skrupel gar gänzlich fremd sind ...

 

Was mir an Vampire Boy: Die Auferstehung neben dem lockeren, erwachsenen Umgang mit »Tabu-Themen« besonders gefällt, das ist die Art und Weise, wie Carlos Trillo geschickt die verschiedensten Elemente des Horror- und Mystikgenres nutzt und zu einer wunderbaren Gesamtkomposition verschmelzen lässt, die zudem noch eine ordentliche Portion an Humor, Zynismus und Satire im Gepäck hat. Trillos Cocktail hat einfach das gewisse Etwas und erfreut sich einer erfrischenden Andersartigkeit, die mit gängigen Archetypen, Konventionen und Klischees bricht: Ägypten, ja, aber keine Mumien, sondern Vampire. Vampire, ja, aber solche, die durch Sonnenlicht aufgetankt und gestärkt werden, anstatt zu Staub zu zerfallen. Alte Indianer, ja, aber keine verhärmten, verbitterten Büffeljäger, sondern lederhäutige alte Männer, die auf dem höchsten Wolkenkratzer der Stadt leben, um ihren Ahnen nahe zu sein. Man sieht also: Hier gibt es Figuren, die auch mal aus einem Klischee ausbrechen, während anderswo ein Klischee so überspitzt dargestellt wird, dass es schon wieder hervorragend ist und bis aufs Haar in diese abgedrehte Horror-Geschichte passt. Als ebenfalls äußerst gelungenes Stilmittel muss man die Zeitsprünge und Rückblenden sehen, mit denen Trillo seinem jungen, von der Unsterblichkeit gepeinigten Helden immer wieder Charaktertiefe gibt oder diese Tiefe einfach nur nachzeichnet – was jedoch schon ab dem Zeitpunkt unnötig ist, da sich unser Held mit dem Mond unterhält. Eine prächtige Szene!

 

Eduardo Rissos Artwork, das im stimmungsvollen Schwarzweiß des langen Weges aus Ägypten daher kommt und sich in den Straßenschluchten, Ghettos und der hektischen Rush Hour der Großstadt wiederfindet, fesselt von der ersten Seite an durch einen klaren Strich und saubere, klare Formen. Eine einfache, strukturierte Seitenaufteilung, schöne Panorama-Bilder der Stadt, hübsche, detail- und vor allem menschenreiche Hintergründe und überhaupt großartig und individuell gezeichnete Charaktere geben sich Panel für Panel die Klinke in die Hand. Außerdem versteht Risso es hervorragend, unsere böse Lieblingshohepriesterin wirklich verdammt sexy in Szene zu setzen ...

 

Cross Cult steht für Crossing Culture, und Vampire Boy: Die Auferstehung lebt dieses Motto in seiner Reinform aus – fast so stark wie Ahmasi ihre Sexualität. In diesem außergewöhnlich abwechslungsreichen Band trifft argentinische Erzähl- und Zeichenkunst auf das japanische Manga-Kleinformat (A5), dazu aber im stabilen Hardcovereinband, der ganz in der Tradition der europäischen Alben steht. Die Aufmachung des schmucken Hardcovers besticht dabei wie üblich durch eine herausragende Verarbeitung und liebevolle Gestaltung, was sich in Satz, Druckqualität, Einband und letztlich auch der Papierqualität zeigt. Schon jetzt erahnt man außerdem, dass die drei geplanten Bände am Ende ein hübsches Buchrückenmotiv im Regal ergeben und sich damit wieder einmal ein kleiner Hingucker anbahnt. Interviews mit den sympathischen Künstlern Trillo und Risso runden das Leseerlebnis nach der eigentlichen Geschichte schön ab und lassen den Band so stimmungsvoll ausklingen, dass man ihn am liebsten noch einmal von vorne beginnen möchte ...

 

Fazit: Mit der Veröffentlichung von Vampire Boy in drei Bänden trifft Cross Cult wieder einmal voll ins Schwarze: Diese Serie ist spritzig, satirisch und sticht sowohl inhaltlich, als auch optisch auf angenehme Art und Weise aus dem derzeitig vorherrschenden Einheitsbrei heraus und weiß dabei vor allem durch den gelungenen Genre-Mix aus phantastisch-mystischen Storyelementen und einen lockeren, teils sogar recht zynischen Umgang mit in Comics eher tabuisierten Themen zu gefallen, was unterm Strich einen intelligenten Verband zwischen Horror , Fantasy und Comickunst ergibt, der wieder einmal lobesnwert-ansprechend verpackt wurde

 

Ganz anders als beispielsweise Sin City oder Hellboy, aber trotzdem ein toller, sehr erwachsener und in vielerlei Hinsicht ausgereifter Comic. Hat man neben einer Vorliebe für phantastischen Lesestoff jedweder Art auch noch das richtige Alter und/oder die richtige Reife, um solches Material, in dem es auch mal etwas freizügiger oder zynischer zugeht, genießen und verstehen zu können, dann gibt es in Hinblick auf den ersten Teil von Vampire Boy eigentlich nur eines: Zugreifen!

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403190440272ad40ecb
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Comic:

Die Auferstehung

Reihe: Vampire Boy Bd. 1

Autor: Carlos Trillo

Zeichner: Eduardo Risso

Verlag: Cross Cult

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3936480419

Anzahl Seiten: 156

Erhältlich bei Amazon

weitere Infos:


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Erstellt: 02.04.2006, zuletzt aktualisiert: 20.02.2023 19:18, 2061