Die 14-jährige Ropa lebt mit ihrer kleinen Schwester und der Großmutter in einem Wohnwagen am Rande Edinburghs. Da sie Geister sehen kann, überbringt sie Nachrichten zwischen ihnen und ihren Hinterbliebenen. Das ist das einzige Einkommen, von dem sie leben müssen. Doch dann gerät sie in eine elitäre magische Bibliothek und auf die Spur von Kindesentführern. Plötzlich fehlt ihr die Zeit zum Geldverdienen, und man trachtet ihr nach dem Leben.
Was T. L. Huchu mit diesem Buch vorlegt, ist eine jugendlich-abenteuerliche Fantasy-Geschichte, die in einer alternativen Realität (oder einer düsteren nahen Zukunft) angesiedelt ist. Das Edinburgh der Handlung zeigt deutliche postapokalyptische Züge. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in sehr schlechten Verhältnissen, Südfrüchte können sich nur wenige Reiche leisten, Autos sind beinahe ausgestorben, und es herrscht schon längere Zeit ein englischer König, der anscheinend ziemlich diktatorisch waltet. (Das Buch erschien im Original 2021, als in der Realität Queen Elizabeth II noch im Amt war.)
Wenn von der ›alten Zeit‹ die Rede ist, die die Protagonistin schon nicht mehr selbst erlebt hat, wird eine Welt beschrieben, die etwa unserer realen entspricht. Die Technik mit Internet und Handy entspricht dabei aber weitgehend unseren Verhältnissen. Die Existenz von Geistern ist in dieser Welt allgemein bekannt und akzeptiert.
In dieser Welt erzählt der Autor eine mitreißende Fantasy-Geschichte, die Genre-Fans schnell in ihren Bann zieht. Vorhersehbar ist hier nichts. Ständig warten neue Überraschungen auf den Leser, die zumindest teilweise wahrscheinlich auf der simbabwischen Mythologie beruhen, die T. L. Huchu von seiner eigenen Herkunft auf seine junge Protagonistin, die er auch als Ich-Erzählerin einsetzt, übertragen hat.
So weit wäre dieses Buch ein eindeutiger 5-Sterne-Kandidat. Für eine so gute Bewertung fehlt mir dann allerdings doch etwas: Informationen. Wie es zu den beschriebenen postapokalyptischen Zuständen kam, wird nämlich nicht thematisiert. Auch wieso Ropa nur ihre Schwester und die Großmutter hat, wird mit keinem einzigen Satz erzählt. Was ist mit ihren Eltern? Sie sind einfach nicht da, wobei auch nicht der Eindruck entsteht, als solle hier bewusst ein Geheimnis für die Fortsetzung aufgebaut werden. Deshalb kommt mir die eigentlich sehr gute Story leider irgendwie unvollständig vor. Lesenswert ist sie aber trotzdem.