Die Erschaffung eines Hexers
Reihe: Michael Moorcocks ELRIC
Rezension von Frank Drehmel
Die Herrschaft Sardics, des alten Zauberer-Imperators von Melniboné, neigt sich dem Ende entgegen. Für den greisen Mann ist es an der Zeit, einen Nachfolger zu bestimmen. Soll er seinen grausamen, starken Neffen, Yyrkoon, inthronisieren oder seinen verhassten, schwächlichen Sohn Elric? Die Entscheidung wird in vier Traumprüfungen fallen, denen sich der junge Prinz unterziehen muss.
Mittels Drogen und Hexerei reist Elric in seinen Träumen in die Vergangenheit Melnibonés, um dort die unterschiedlichsten Herausforderungen zu meistern und sich dabei das Wissen und die Macht vergangener Zeiten anzueignen. Die Sache hat allerdings zwei Haken: erstens läuft die Zeit in der Traumwelt deutlich schneller als im wachen Leben, sodass aus Wochen Monate oder Jahre werden, und zweitens bedeutete der Tod im Traum auch das Aus in der wirklichen Welt.
Während Elric unter dem Namen Weiße Krähe in den Welten des Schlafs seine Bestimmung sucht, wachen an seiner Ruhestatt sein alter Mentor Krummknochen sowie seine geliebte Cousine Cymoril. Doch diese beiden Hüter können nicht verhindern, dass der ehrgeizige Yyrkoon jeweils in die Träume des Prinzen eindringt, um ihn dort in der einen oder anderen Verkleidung zu Fall zu bringen.
Doch nicht nur vom Cousin geht eine Gefahr aus; der Chaos-Lord Arioch trachtet danach, Elric zu verführen und zu manipulieren.
Mit Elric von Melniboné, dem Albinokönig auf dem Rubinthron, dessen seelentrinkendes schwarzes Runenschwert Sturmbringer ihm eines Tages den Tod bringen wird, hat Moorcock vor über 40 Jahren eine der bekanntesten und tragischsten Figuren des Fantasy-Roman-Kosmos’ erschaffen. In zahlreichen (Kurzg)eschichten brachte er seither dem Leser das Leben und Leiden dieses düsteren Herrschers nahe, der -wie Prinz Corum, Dorian Hawkmoon, John Daker u.a.- seinerseits nur eine der Inkarnationen von Moorcocks mythischem Ewigen Helden ist, welcher im ständigen Ringen von Ordnung, Chaos und Gleichgewicht innerhalb des Multiversums die unterschiedlichsten Rolle spielt.
Dass die Prequelisierung ausgerechnet vor diesem starken und letztlich auch ausgereizten Charakter halt macht, konnte man allenfalls hoffen, realistischerweise jedoch nicht wirklich annehmen. Und so sitzt der Fan nun kopfschüttelnd über einem Elric-Comic und fragt sich ständig: “Musste das wirklich sein?”
Es ist nicht so, dass Moorcocks Geschichte wirklich schlecht wäre. Bedauerlicherweise ist sie aber auch nicht gut. Sie ist einfach nur vollkommen überflüssig, belanglos, uninspiriert, ohne zündende, originelle Ideen oder Plottwists: Traumprüfungen, Prinzessinnen befreien, Artefakte suchen, Elementare vermöbeln und nebenbei dem intriganten Cousin zeigen, wo der Frosch die Locken hat, war vor 40 Jahren -als die Hippies die baumpimpernden “Herrn der Ringe”-Elben für sich entdeckten-, vielleicht interessant, heute aber bedeutet eine solche Story 200 Seiten gepflegte Langeweile, es sei denn, sie wird von starken Charakteren getragen. Doch gerade in dieser Hinsicht bietet Moorcocks Story nicht viel, da der Schwerpunkt deutlich auf phantastischem Aktionismus liegt und die Charakterisierung der Protagonisten, die Evaluierung ihrer Motive und der Beziehungsgeflechte die Sphären des Trivialen kaum verlassen.
Ist das Artwork in der Lage, die Schwächen der Geschichte wenigstens zum Teil zu kompensieren? Immerhin zeichnet mit Walter Simonson einer der bekanntesten und erfolgreichsten amerikanischen Comic-Granden für die grafische Umsetzung verantwortlich.
Wie schon bei der Story gilt aber auch hier: weder Fisch, noch Fleisch. Simonsons Artwork ist nett anzuschauen, zumal sein spezieller, kantiger, in der Panelgestaltung eher “klassischer” Stil, welcher seine “Star Slammers” oder seinen “Mighty Thor” ehemals so kraftvoll rüberbrachte, durchaus noch auf den ersten Blick erkennbar ist. Dennoch scheint der Duktus des mittlerweile 60 Lenze zählenden Künstlers deutlich zivilisierter, gezähmter als früher und im direkten Vergleich mit den jungen Wilden des amerikanischen Comics ist Simonsons Artwork geradezu klinisch rein, fast schon aseptisch. Es scheint so, als würde die unsägliche Selbstkontrolle des antiquierten Comic Codes in Simonsons Kunst heute noch nachhallen. Saubere Zeichnungen für unmündige Heranwachsende! Ob eine solche Fantasy, die in exakt der gleichen Form auch vor über 30 Jahren in den USA hätte erscheinen können, heute noch -wo die Ausdrucksmöglichkeiten von Künstlern wesentlich “realitätsnäher” sein dürfen- einer komplexen, düsteren Figur wie Elric gerecht wird, ist mehr als fraglich
Den mit Abstand rundesten Beitrag zu diesem Werk leistet Steve Oliff mit seiner Kolorierung der simonsonschen Zeichnungen. Die verwendete Palette ist vielschichtig und spiegelt in ihrer Farbigkeit die jeweilige Grundstimmung der unterschiedlichen Traumsequenzen treffend wieder, ohne dabei aufdringlich zu wirken.
Über die Aufmachung des Comics sind einmal mehr nicht viele Worte zu verlieren: Faltcover, schweres, matt gestrichenes Kunstdruckpapier und ein exzellenter Druck mit satten Farben.
Fazit: Eine klassische Sword & Sorcery-Story ohne großen Tiefgang und mit altbackenem Artwork. Elric-Fans sollten dennoch einen Blick riskieren ... am besten bevor sie den Geldbeutel zücken.