Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 4
Rezension von Christian Endres
Reed Richards alias Mister Fantastic, Susan Storm (später Richards) alias die Unsichtbare, Johnny Storm alias die Fackel und Ben Grimm alias das Ding – gemeinsam sind sie Marvels first family, die durch Berührung mit kosmischer Strahlung zu den Superhelden wurden, wie die Welt sie heute kennt. Im Sommer 2005 kam ihr erster Kinofilm auf die Leinwand, eine neue Animationsserie im Fernsehen soll folgen und auch die Comicheftserie, mit der schon 1961 alles begann (sowohl die klassische aus dem normalen Marvel-Universum, als auch die unter dem Ultimativen oder dem Marvel Knights Label erscheinenden Serien) erfreuen sich wieder großer Beliebtheit bei Fans und Kritikern. Völlig zurecht widmet sich der vierte Band der Klassiker der Comicliteratur daher dem fantastischen Quartett aus dem Hause Marvel und ihren besten Abenteuern aus vierzig Jahren, in denen sie gegen mächtige Superschurken, aber auch ganz alltägliche Probleme zu bestehen haben.
Wie immer ist die Auswahl der Geschichten ein großer Pluspunkt. Wieder hat man sich sichtlich Mühe gegeben und ist sehr überlegt vorgegangen, und wieder einmal hat man durchwegs gute Geschichten aus dem vierzigjährigen Werdegang der Fantastischen Vier heraus gepickt, die auch ein FV-Neuling ohne großes Hintergrundwissen genießen kann. Natürlich ist einiges klassisches Material von Lee/Kirby dabei, das aus heutiger Sicht stellenweise überholt wirkt, dafür dann aber auch satte drei Geschichten von Superstar John Byrne aus den 90ern und zwei von Carlos Pachebo aus der jüngeren Vergangenheit. Ich persönlich hätte mir noch eine Geschichte von Waid/Wieringo gewünscht, doch besteht die Auswahl natürlich auch so. Und da zwischen dem Artwork von Jack Kirby und dem von Carlos Pacheco nicht nur Jahre, sondern auch Welten liegen, kann man die Entwicklung des Artworks innerhalb einer Serie – damit aber auch innerhalb der Superheldensparte oder gar der Comicbranche im Allgemeinen – schön verfolgen, was auch für den Gelegenheitsleser mit Sicherheit ein interessantes Erlebnis sein dürfte. Zunächst der traditionelle Stil von Kirby, dann der Zwischenstopp bei Byrne und den Neunzigern, und danach dann der Schritt in die „Moderne“ mit Zeichnungen von Künstlern wie Pacheco und Farben von Liquid!, die mit ihrer Computercolorierung schon bei Marvels Wiedergeburt der Helden für Begeisterungsstürme sorgten. Neben den abwechslungsreichen Zeichnungen und Geschichten aus vier Jahrzehnten gibt es auch wieder ein mit Informationen und Bildern gespicktes Vorwort (das, wie schon beim Peanuts-Band, ohne Zweifel das richtige ausdrücken und uns auf das richtige hinweisen will, sich dabei aber manchmal einer umständlichen Schreibweise bedient, die es unnötig verkompliziert), und wieder gibt es eine mit Jahresangabe versehene Auflistung als grobe zeitliche Einordnung der Geschichten.
Neben der etwas angestaubten Origin des durch kosmische Strahlung veränderten Superhelden-Quartetts fährt die FAZ diesmal schwere Geschütze aus dem Haus der Ideen auf, und so treffen wir nicht nur auf klassische FV-Gegner wie den Moleman, Doktor Doom oder Diablo, sondern auch auf Galactus den Weltenverschlinger, den Silver Surfer (der in der ersten Heft-Serie der Fantastischen Vier – genauer gesagt in der in diesem Band enthaltenen #48 – seinen ersten Auftritt im Marveluniversum überhaupt hatte und immer einer von Stan Lees Lieblingshelden sein sollte), die Inhumans, Uato den Beobachter und sogar Spider-Man und Daredevil, die in der letzten Story einen kurzen Gastauftritt haben. Man sieht also, dass die Auswahl der Geschichten auch dieses Mal wieder herausragend ist und man sich in der Redaktion wirklich Gedanken gemacht hat, um dem Leser ein möglichst bereites Spektrum zu präsentieren, das die Abenteuer mit zumeist kosmischen Ausmaßen von Marvels first family dem Rahmen entsprechend abdeckt. Highlight des Bandes ist sicherlich die Geschichte von John Byrne, in der die Fantastic Four ihrem Erzfeind Doktor Doom dabei helfen, sein Königreich zurück zu erobern; grafisches Highlight hingegen ist Pachecos Story, der man jedoch anmerkt, dass da die Einbindung in die regulären Abenteuer und Hintergründe notgedrungenermaßen ein bisschen auf der Strecke geblieben ist. Der Vollständigkeit halber hier auch noch das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden, vierten Bandes der Klassiker der Comicliteratur:
Die Fantastischen Vier
Die Fantastischen Vier – Es kommt Galactus
Die Fantastischen Vier – Ist dies der jüngste Tag?
Die Fantastischen Vier – Die ergreifende Saga des Silver Surfer!
Die Fantastischen Vier – Dieser Mann ... ein Monster?
Die Fantastischen Vier – Schrecken einer kleinen Stadt
Die Fantastischen Vier – Zu viele Dooms
Die Fantastischen Vier – Dies Land ist mein!
Die Fantastischen Vier – Schatten im Spiegel
Die Fantastischen Vier – Tag der dunklen Sonne
Mir ist beim ersten Lesen glücklicherweise kein (durch die FAZ und Panini verschuldeter) Satzfehler aufgefallen, und diesmal scheint die Seitenreihenfolge durchaus zu stimmen; dafür hat man jedoch bei der Auflistung der Autoren und Zeichner einen Fehler eingebaut, da wohl vergessen wurde, Jack Kirby als Zeichner in der zweiten Übersicht bei den von Byrne geschriebenen und gezeichneten Abenteuern heraus zu nehmen. Außerdem bleibt es die alte Leier mit dem Papier, das mit seiner Wellung zwar zum Silver Surfer passt, ansonsten aber nach wie vor ein Ärgernis ist. Das Design des Bandes hingegen ist wieder äußerst gelungen und sowohl als Einzelband, als auch als Teil der Klassiker-Bibliothek überragend, zumal sich der geneigte Leser diebisch über die im wahrsten Sinne des Wortes kleine, jedoch feine Cover-Gallery nach dem Vorwort freut, die die Titelbilder der amerikanischen Originalausgaben zeigt. Auch die Idee, die Fantastischen Vier in den vierten Band der Reihe zu stecken, zeugt zumindest in dieser Hinsicht von großer Sorgfalt und sollte hervorgehoben werden –nettes Gimmick! Schade, dass diese akribische Sorgfalt nicht in allen Belangen so zum Tragen kommt und der Reihe an anderer Stelle immer wieder Punkte kostet ...
Fazit: Der desastreuse Prinz Eisenherz-Band spukt mir zwar noch ein bisschen im Hinterkopf herum, doch kann die vorliegende Ausgabe um die Fantastic Four wieder an die ersten beiden Teile der Klassiker-Reihe anknüpfen und das bisherige Endergebnis trotz des nach wie vor ärgerlichen „Papier-Faktors“ deutlich nach oben korrigieren. Sicherlich wäre auch bei den vorliegenden Geschichten wieder ein etwas größeres Format wünschenswert gewesen, doch bewegt es sich wie schon bei den verkleinerten Superman-Stories aus Band eins gerade noch im Rahmen und trübt den Lesespaß nur geringfügig.
Jetzt geht´s rund! Wer nach dem Kinodebüt der Fantastischen Vier im Sommer dieses Jahres also Lust bekommen hat, einmal in die ursprünglichen Comic-Abenteuer dieser Helden zu spitzen, ohne dabei gleich in eine monatliche Serie einsteigen oder ein deutlich kostspieligeres Tradepaperback kaufen zu müssen, dem sei dieser Band der Klassiker der Comicliteratur wärmstens Empfohlen. Wer hingegen mit dem Superman-Band schon seine Freude hatte, der wird auch mit dem vorliegenden Taschenbuch ein oder zwei schöne Lesestunden haben. Alle anderen – Komplettsammer, Fanboys und Co. – dürfen sich bis auf einige Abstriche beim Format und der Papierqualität auf eine kleine Zeitreise freuen, die im Jahre 1966 beginnt und 2002 endet, und die nicht einmal ganz fünf Euro kostet und dadurch eine Empfehlung wert ist.