Die Galerie der verschwundenen Ehemänner (Autorin: Natasha Solomons)
 
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Die Galerie der verschwundenen Ehemänner von Natasha Solomons

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Als Juliet Montagues Ehemann einfach verschwindet, geschieht ihr beinahe dasselbe. Für ihre konservative jüdische Gemeinde in einem Londoner Vorort ist sie, die verlassene Frau, eine aguna und damit unsichtbar. Juliet gibt ihr Bestes, um den Regeln zu entsprechen und den Alltag mit ihren beiden Kindern zu meistern, aber dann, an ihrem dreißigsten Geburtstag, tut sie etwas Unvorhergesehenes: Statt des Kühlschranks, auf den sie lange gespart hat, kauft sie sich spontan ein Gemälde ihrer selbst. Schritt für Schritt befreit sie sich aus ihrem beengenden Umfeld und taucht ein in die schillernde Kunstwelt Londons. Dann stößt sie auf eine Spur ihres Ehemanns …

 

Rezension:

Die Ausrottung jüdischen Lebens in der Sowjetunion sorgte für eine gewaltige Flüchtlingswelle. Viele dieser aus armen dörflichen Umgebungen stammenden Menschen mussten sich in einer komplett anderen Welt zurechtfinden. Die Bewahrung ihres Glaubens und ihrer Kultur half dabei, nicht von den Mühlen der Großstadt zermahlen zu werden. Sowohl in der englischen als auch in der US-amerikanischen Kultur haben jene Flüchtlinge Spuren hinterlassen und sie um vieles bereichert.

Doch der Integrationsprozess war niemals einfach. Natasha Solomons begibt sich in Die Galerie der verschwundenen Ehemänner auf eine Zeitreise in die fünfziger Jahre. London ist auf dem Weg, sich der Rationierungen und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zu erledigen. In einem Vorort hat sich eine jüdische Gemeinde etabliert. Den Traditionen verhaftet sind die Eltern von Juliet Montague. Sie tragen schwer daran, dass ihre Tochter von ihrem Ehemann verlassen wurde.

Die patriarchalische Welt hält nichts von verlassenen Frauen, doch an ihrem dreißigsten Geburtstag beschließt Juliet spontan, etwas zu tun, dass sie aus der Unsichtbarkeit herausbringt. Von dem mühsam ersparten Geld für einen Kühlschrank lässt sie sich von einem Straßenmaler porträtieren. Der erste Schritt in ein anderes Leben.

 

Juliet Montague ist eine Frau, die sich an der Bruchstelle zwischen traditionellen Rollenbildern und der Moderne wiederfindet. Doch flieht sie nicht aus der Enge ihrer jüdischen Gemeinde. Sie hält das Gerede, die stillen Vorwürfe und kleinen Gemeinheiten aus. Trotzdem geht sie ihren eigenen Weg. Eröffnet eine Galerie, taucht in die junge Kunstszene ein, lernt eigensinnige Maler kennen, verliebt sich. Ohne ihre Wurzeln abzuschneiden. Jeden Abend fährt sie zurück in die Vorstadt, beteiligt sich lose am Gemeindeleben und erzieht ihre beiden Kinder.

Juliet lebt dabei mit einer Intensität, die ihr selbst kaum bewusst ist, aber jene Maler fasziniert, die bald zum Umfeld ihrer Galerie gehören. Zeugnis davon sind diverse Portraits die von ihr im Laufe der Handlung gemalt werden. Sie hängt sie an den Wänden ihrer Treppe auf. Jedes zeigt einen kleinen Teil ihres Wesens. Es werden über hundert Bilder. Nur das erste Portrait fehlt. Ihr Mann stahl es, als er sie an ihrem Geburtstag für immer verließ. Dieser Diebstahl schmerzt sie bald mehr als das Verlassenwerden.

Als ihre Eltern durch einen Privatdetektiv den Aufenthaltsort des Mannes erfahren, macht sie sich auf die Reise. Sie bildet einen Bruch in der Handlung. Natasha Solomons nutzt den Ortswechsel um mit Sorgfalt und feinem Gespür für die Kanten ihrer Figuren Holocaust-Schicksale zu erzählen. Die fröhliche Emanzipationsgeschichte dreht in eine melancholische Herbstnote, die sich nicht mehr verflüchtigt.

 

Fazit:

Natasha Solomons gelingt mit »Die Galerie der verschwundenen Ehemänner« eine berührende Lebensgeschichte, die nicht nur das Flair Englands vom Ende der Fünfziger einfängt, sondern auch die Grenzen auslotet, in denen sich Frauen und Mädchen bewegen konnten.

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Buch:

Die Galerie der verschwundenen Ehemänner

Original: The Gallery of vanished husbands, 2013

Autorin: Natasha Solomons

Übersetzer: Martin Ruben Becker

Gebundene Ausgabe, 414 Seiten

Kindler, 28. November 2014

Cover: Barbara Hanke und Cordula Schmidt

Illustration: Jim Tierney

 

ISBN-10: 3463406500

ISBN-13: 978-3463406503

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B00KL21WZO

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 29.06.2018, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 16777