Die Geständnisse des Grafen Dracula (Autor: Fred Saberhagen)
 
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Die Geständnisse des Grafen Dracula von Fred Saberhagen

Rezension von Christian Endres

 

Der erste von mittlerweile zehn Romanen aus der Feder von Fred Saberhagen, der sich mit den Abenteuern des Grafen Dracula beschäftigt. Festa veröffentlicht die im Original als The Vlad Tapes erschienene Geschichte nun als Paperback in deutscher Erstaugabe – und gestattet dem deutschen Leser damit erstmals, einen Blick auf Saberhagens Version der Ereignisse von damals zu werfen und sich an der vermeintlichen Wahrheit aus der Sicht von Graf Dracula zu erfreuen, die nicht durch Stoker verfälscht worden ist ...

 

Bram Stokers Roman spaltet immer wieder die Leser: Ist sein »Dracula« nun ein Klassiker des Horrorgenres, oder ist er doch schon zu naiv, um als solcher durchzugehen? Nun, auch Saberhagen scheint sich intensiv mit dieser Frage (und natürlich Stokers Roman/Klassiker) beschäftigt zu haben und ferner zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass die Naivität in den Aufzeichnungen und Tagebüchern der Harkers, den Phonoskripten Doktor Stewards und den Notizen Professor Van Hellsings die ideale Grundlage zu einer interessanten Neubetrachtung des Stoffes sind.

 

So erleben wir also noch einmal die meisten der Schlüsselszenen aus Stokers »Dracula«, diesmal jedoch aus der Sicht des Grafen höchstpersönlich erzählt. Dabei kommt nicht nur heraus, dass der Vampirmythos als solcher in Wirklichkeit nicht beim Knoblauch und sakralen Gegenständigen seine Grenzen findet oder Draculas Umgang mit den britischen Frauen – insbesondere Mina Harker – doch ein etwas anderer war, als in Stokers Aufzeichnungen der damaligen Vampirjäger festgehalten, ebenso wie – natürlich und insbesondere! – das Ende des Originalromans neu interpretiert erzählt wird.

 

Fred Saberhagen macht das alles sehr geschickt, auch wenn die Rahmenhandlung, mit der er die ersten acht Vlad-Tapes (also die Tonbänder, die Dracula in Saberhagens Romanen ab Ende der 70er mit seiner »Wahrheit« bespricht) erklärt, ein wenig arg konstruiert erscheint und blass bleibt. Doch wenn man einmal von dieser kleinen Schwäche zu Beginn (die am Ende außerdem wieder deutlich kaschiert wird und besagte Rahmenhandlung deutlich legitimiert und rehabilitiert) absieht, dann macht es allemal Spaß und gestaltet sich als nicht immer einfaches, aber intelligent geschriebenes Lesevergnügen, dieser Neuinterpretation des vielleicht nicht ersten, jedoch mit Abstand wichtigsten Vampir-Romans der Literaturgeschichte zu lauschen.

 

Vorkenntnisse von Bram Stokers Geschichte sind natürlich Pflicht, ebenso wie sich im Umkehrschluss natürlich eine abermalige Lektüre eben dieser Geschichte nahezu aufdrängt, um sie unter den neu gewonnenen Gesichtspunkten und Erkenntnissen, ja Einsichten des Grafen Dracula noch einmal zu lesen, zu prüfen und zu begutachten.

 

Die Aufmachung des Paperback aus Frank Festas Haus der dunklen Phantastik ist zwar schlicht und schnörkellos, weiß dabei gestalterisch und optisch aber durchaus zu gefallen. Die Übersetzung – hier vor allem der etwas behäbige Stil des viktorianischen Zeitalters und natürlich (ein großer Vorteil zu den meisten Übersetzungen von Stokers Original!) das bruchstückhafte Geschreibe von Van Helsing – steht der Aufmachung in nichts nach und trifft fast immer genau den richtigen, bewusst etwas angestaubten und antiquierten Ton, den man schon in Stokers Originalroman bestaunen konnte und der auch hier wieder eine direkte Verbindung zu »Dracula« herstellt.

 

Fazit: Ist es ein Affront, einen Klassiker der »schauderhaften« Weltliteratur gewissermaßen der Lüge zu bezichtigen und sich genötigt zu sehen, die Wahrheit zu erzählen und die Ereignisse ins rechte Licht zu rücken? Oder kann der Mantel der Fiktion, der Schleier des Phantastischen solch einen Frevel verdecken? Ich sage ganz klar ja!, da Fred Saberhagen sich intensiv mit der Materie beschäftigt zu haben scheint und somit unter anderem Logikfehler aus Stokers Original (wie zum Beispiel medizinische Erkenntnisse, die Stoker 1887 einfach noch nicht haben konnte) plausibel erklärt.

 

Ob Saberhagens erste Sammlung von Tonbändern damit nun der Wahrheit näher kommen als der Ire zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts hin, das muss jeder für sich selbst entscheiden, doch sind die »Geständnisse des Grafen Dracula« neben Kim Newmans »Anno Dracula« auf jeden Fall eines der wenigen überzeugenden Gedankenspiele mit Bram Stokers Klassiker als Grundlage.

 

Am Ende bleibt neben einigen schönen, interessanten Lesestunden somit vor allem die Hoffnung, dass man bei Festa auch die restlichen Teile der mittlerweile auf zehn Bände angewachsenen Reihe von Saberhagens in den Vlad-Tapes geschilderten »Dracula-Wahrheiten« veröffentlichen wird (wobei ich natürlich auf den zweiten Band, das Aufeinandertreffen von Graf Dracula und Sherlock Holmes, schiele) ...

 

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240423184330afc7959d
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Die Geständnisse des Grafen Dracula

Autor: Fred Saberhagen

Paperback - 256 Seiten

Festa

Erscheinungsdatum: Juni 2006

ISBN: 3865520332

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 16.06.2006, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51, 2407