Die Läuterung von Roisin Fallon
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Zu behaupten, dass Richey mit dem goldenen Löffel zur Welt gekommen sei, wäre vermessen. Sehr vermessen sogar. Anstelle von Liebe und Schutz wurde Richey in jungen Jahren von seinem Vater und dessen Saufkumpels regelmäßig missbraucht, was ihn schließlich zur Flucht nach vorne trieb. Doch das große Glück fand Richey auch in der Ferne nicht. Stattdessen weitere Brutalität und Gefühlskälte. Emotionen, die er allerdings erträgt; ja ertragen muss, da sie fester Bestandteil seines Broterwerbs sind – auf dem Straßenstrich. Einzig die halbgare Beziehung zu Lysander und eine merklich intensivere Freundschaft zu harten Drogen stellen marginale Höhepunkte einer Existenz dar, die auf ihrer Odyssee gen Hoffnung falsch abgebogen ist und das neue Ziele noch finsterer, noch auswegloser zu sein scheint als Richeys altes Dasein.
Bis er eines Nachts auf dem Straßenstrich von einer ganz besonderen Person angesprochen wird. Was auch immer es sein mag, das in Richey eine Saite zum Erklingen bringt – dieser Ryan hat es. Zumal Ryan kein weiterer Freier ist, der seinen sexuellen Druck mittels einer schnellen Nummer loswerden möchte. Fortan ist Richey besessen von dem älteren Mann und einstigen Chirurgen. Und diese Besessenheit ist es auch, welche die Risse in der Beziehung zu Lysander größer werden lassen. Zu groß, um sie wieder zu kitten.
Ergo findet sich Richey ein weiteres Mal auf der Straße wieder. Diesmal allerdings mit einem klar definierten Ziel: Ryan Grant. In ihm sieht Richey seine personifizierte Zukunft; seinen Schatz am Ende des farblosen Regenbogens.
Was Richey jedoch nicht weiß, ist jenes furchtbare Geheimnis, das Ryan umgibt. Denn er ist ein Serienmörder. Allerdings sieht Ryan sein grausames, menschenverachtendes Handeln anders. Weder mordet noch quält er seine Gefangenen, die vornehmlich aus der lokalen Stricherszene stammen. Nein, Ryan Grant ist davon überzeugt, hehreren Zielen nachzugehen. Wer sich gefesselt in seinem Keller wieder findet, der wird nicht einfach bestialisch hingerichtet, sondern vielmehr von seinen Sünden gereinigt. Bei Richey liegen die Dinge jedoch anders. In ihm sieht er einen Seelenverwandten; einen Kompagnon für seine nächtlichen Streifzüge und blutigen Aktivitäten.
Von all dem weiß Richey natürlich nichts, als er Ryans Einladung annimmt …
Die Läuterung ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswertes Buch. Etwa weil es das Debüt einer – bislang – völlig unbekannten und zudem noch deutschen Schriftstellerin ist: Roisin Fallon. Doch wer ist diese junge Frau, deren attraktives Konterfei charmant dem geneigten Leser zulächelt und die gleichzeitig so dermaßen harte Kost abliefert?
Selbst eine intensive Suche in den Irrungen und Wirrungen des elektronischen Datendschungels bringt da nicht besonders viel zu Vorschein, was andererseits, in Zeiten von stellenweise völlig überzogenen Selbstdarstellungen auch schon wieder etwas Erfrischendes; ja Bodenständiges besitzt. Immerhin verrät ihre MySpace-Seite unter anderem ihre filmischen und literarischen Vorlieben. Nimmt man beides genauer in Augenschein, wird zumindest eines klar: einfach so hingesetzt und geschrieben hat Roisin Fallon ihren Erstling ganz bestimmt nicht. Stattdessen waren es die Werke von Autoren wie Jack Ketchum, Richard Laymon, J. G. Ballard und Streifen á la The Devil’s Rejects, Monster oder Audition welche ihr als Nährboden gedient haben – und dem eine wirklich beeindruckende Saat entsprungen ist.
Wie schon bereits erwähnt, ist „Die Läuterung“ alles andere als harmlos. Wer sich bislang eher mit trivial-naiven Fantasyszenarien oder zahnlosen Vampirromanzen abgegeben hat, dem dürfte das Buch nur schwer bekommen. Zwar erkennt man bereits nach wenigen Seiten den Weg, welchen „Die Läuterung“ unweigerlich einschlagen wird, doch schafft es Fallon stets irgendwie doch, den Leser weiterhin im Glauben zu lassen, dass es womöglich doch ein Licht am Ende des Tunnels geben mag … bis man feststellt, das dieses Licht zwar vorhanden, aber im Grunde das Fehlen von ebenjenem ist – konsequenter Nihilismus eben. Die grausame Detailverliebtheit, die Richeys Odyssee dabei durchzieht, hätte auch dem Verstand eines begabten Torture Porn-Regisseurs entspringen können, wird hier allerdings nicht als bloßer Effekt, sondern zur Unterstützung der Geschichte eingesetzt. Ganz wie es sein sollte.
Sicher, perfekt ist Roisin Fallons Debüt gewiss nicht geworden. Der eine oder andere sprachliche Stolperstein bleibt; ebenso diverse Längen. Doch größtenteils kann der Roman nicht nur überzeugen, sondern zusätzlich auch als Statement einer großartig talentierten Autorin angesehen werden, die den ersten Abschnitt ihres Aufstiegs überwunden, aber den Gipfel noch vor sich hat.
Fazit:
„Die Läuterung“ ist nicht nur einer der härtesten, sondern auch einer der besten deutschen Horrorthriller seit sehr langer Zeit. Statt biederer Massenware hat Roisin Fallons Roman scharfe Krallen und spitze Zähne und erinnert ob der Thematik stark an die Frühwerke von Poppy Z. Brite. Man darf gespannt sein, was als nächstes folgen wird!
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