Die Oea-Mission (Autor: Achim Hiltrop; Genre: ScienceFiction)
 
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Leseprobe: Die Oea-Mission

Die Oea-Mission

Autor: Achim Hiltrop

Homepage: http://www.clou-gallagher.de

Der Roman kann hier bezogen werden: Amazon

 

Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.

 

 

Leseprobe:

 

Kapitel 1: Quints Armee

 

"Und das nennt der Fliegen", nörgelte Trigger und paßte seinen Steigwinkel dem des Geschwaders an, mit dem er flog.

 

"Quint weiß, was er tut", entgegnete Clou Gallagher gelassen.

 

"Ich wünschte, ich wüßte es auch", brummte sein Schiffscomputer.

 

Clou seufzte. Die Einstellung seines Schiffes zum Dienst in einer Armee war zweifellos gespalten. Zum einen fühlte sich Trigger in Gesellschaft der anderen Schiffe wohl, andererseits hatte er seinen eigenen Kopf. Er wollte absolut nicht wahrhaben, daß es außer ihm selbst und seinem Piloten Gallagher noch jemanden geben sollte, der seinen Kurs für ihn plante. Aus reiner Gehässigkeit gegenüber dem Kursrechner des Geschwaderführers rechnete Trigger grundsätzlich jeden Vektor nach, der ihm vorgeschrieben wurde. Selbstverständlich machte er sowohl Clou als auch die Piloten der anderen Schiffe des Geschwaders hämisch auf besonders eklatante Abweichungen aufmerksam. Bei dem Kommandanten ihrer kleinen Söldnerarmee war dieses Vorgehen nicht immer auf Gegenliebe gestoßen.

 

***

 

Quint war einer der wenigen Männer, die nicht nur verwegene Piloten waren, sondern es auch vollbracht hatten, alte verwegene Piloten zu werden. Verwegene Piloten wurden in der Regel nicht alt. Quint schon.

 

In diesem Jahr hatte er seinen einundsechzigsten Geburtstag gefeiert und damit allen gespottet, die jemals geschworen hatten, ihn umzubringen. Von denen gab es mittlerweile ein ganzes Sonnensystem voll, dachte er manchmal grinsend. Weitaus höher war die Zahl derjenigen, die tatsächlich versucht hatten, ihn zu töten - und daran gescheitert waren.

 

Quint stammte aus den irdischen Kolonien im Sektor Proxima Centauri. Seine Karriere hatte bei der Handelsmarine der Republik Terra begonnen. Bald hatte er jedoch sein strategisches Talent erkannt und war zur Verteidigungsflotte des Königreichs Kerian übergewechselt. Dort hatte er sehr schnell den Ruf eines Draufgängers erhalten, der im Gegensatz zu vielen anderen Hitzköpfen bei seinen waghalsigen Einsätzen auch stets Erfolg hatte. Sein undiszipliniertes Verhalten hatte ihm den Weg in die höheren Führungsetagen der Flotte jedoch stets verbarrikadiert. Frustriert von der peinlichen Strenge seiner Vorgesetzten hatte er den Dienst quittiert und hatte sich als Kampfflieger selbstständig gemacht. Nach und nach waren ihm mehr und mehr junge, talentierte Flieger gefolgt, die von ihm hatten lernen wollen. Innerhalb kürzester Zeit war er zum Führer des tödlichsten, gründlichsten und bestbezahltesten Söldnerkommandos der bekannten Galaxis geworden.

 

Clou und Trigger gehörten seit einem halben Jahr dazu. Eigentlich hatte Clou vorgehabt, zur Erde zu fliegen und in der Handelsmarine der Republik Terra als Scout anzuheuern. In den äußeren Kolonien der Kaffi-Liga waren Trigger jedoch die Brennstäbe und ihm das Geld ausgegangen. Darum war es notwendig geworden, den Engpaß mit einem Job zu überbrücken, und so waren sie auf dem kleinen, atmosphärelosen Planeten Xee gelandet.

 

Trigger war ursprünglich als leichter Transporter konzipiert, und daher hatte Clou sich zunächst um einen Vertrag als Frachtpilot bemüht. Doch Xee war zu unbedeutend, als daß von dort nennenswerte Exporte zur Erde getätigt wurden. Lediglich Eisenerz wurde auf dieser einsamen Welt abgebaut, und dieses wurde in kilometerlange Robotfrachter verladen, die das Erz auf dem langen Flug zur Erde an Bord bereits verhütten konnten.

 

Nicht einmal illegal wollte irgendwer irgendwas von diesem Planeten fortschaffen. Der Gedanke, eine lohnende Fracht zur Erde aufzunehmen, mußte bald verworfen werden. Schließlich hatte er Quint getroffen und sich kurzerhand seiner kleinen, aber mit Aufträgen gut ausgelasteten Söldnerflotte von neunzehn Schiffen angeschlossen.

 

***

 

"Mann", fragte Trigger entnervt, "wie haben wir das eigentlich mit den Spinnern so lange ausgehalten? Die Kursvektoren, die der Penner da vorgibt, sind ja unter aller Würde!" Erneut paßte er seine Flugbahn den ihm übermittelten Daten an.

 

"Es sieht so aus, als würde er jemandem ausweichen wollen", murmelte Clou nachdenklich. "Hast Du außer unserem Geschwader irgendwas auf dem Schirm?"

 

Trigger ließ ein Kontrollprogramm durch seine Tiefraumsensoren laufen. "Negativ, Flieger. Nur mich, Quint und die anderen achtzehn Bescheuerten, die seinem Kurs folgen. Noch zwei Tage bis Oea... Moment mal!"

 

Ein schwaches Echo war an der äußersten Peripherie seines Wahrnehmungsbereiches aufgetaucht. Er wertete die ankommenden Daten aus und machte Meldung.

 

"Ich habe ein Schiff entdeckt. Etwa eine Lichtwoche hinter uns", sagte er mit einem Anflug von Nervosität. Er brachte das Bild auf den Bildschirm vor Clou. "Er hält sich streng außerhalb der Reichweite unserer Sensoren. Ich habe ihn nur durch Zufall entdeckt, weil die Felder meiner Sensoren bei Überlichtflug eine Verschiebung nach achtern aufweisen. Ich habe ihn nur für einen Sekundenbruchteil orten können, aber ich bin sicher, er ist noch hinter uns."

 

"Auf unserem Kurs?" fragte Clou mißtrauisch.

 

"Exakt", bestätigte Trigger. "Ein Jagdschiff, kerianische Bauart, glaube ich. Über die Lebensformanzeige aus seinem Cockpit bin ich, offen gesagt, ein bißchen überrascht."

 

Clou fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. "Du meinst doch nicht etwa..."

 

"Ich könnte mich natürlich täuschen, aber nach den mir vorliegenden Daten sind das Schiff und der Pilot symbiotisch miteinander verbunden", sagte Trigger tonlos.

 

Clou schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er und Trigger waren einem solchen Monster vor über zwei Jahren bereits einmal begegnet. Captain Starafar, so hatte ihr Gegner damals geheißen, war als junger Kampfflieger mit seinem Schiff in einer Raumschlacht in einen Hinterhalt geraten und in Klump geschossen worden war. Es hatte Wochen und Monate gedauert, bis ein Sanitätsschiff ihn erreicht hatte, doch er war an seinen schweren Verletzungen nicht gestorben. In dieser Zeit war er bereits untrennbar mit den Tentakeln und Schläuchen des Lebenserhaltungssystems verwachsen, die sich sofort heilend auf die Wunden gelegt hatten. Das beste, was die Ärzte zu diesem Zeitpunkt für ihn hatten tun können, war, seinen Zustand zu stabilisieren, und das hatten sie sehr sorgfältig getan. Das Ergebnis war eine perfekte Symbiose von Mensch und Maschine; ein Pilot, der mit seinem Schiff verwachsen war, es mit der Schnelligkeit eines Gedankenimpulses lenken konnte und seine Waffensysteme und Triebwerke kontrollierte wie seine menschlichen Körperteile.

 

Vor zwei Jahren waren Clou und Trigger auf Daneb IV in eine recht zwielichtige Angelegenheit verwickelt worden, und Starafar hatte den Auftrag gehabt, die beiden zu bewachen. Clou war es gelungen, seinen Aufpasser in ein Gefecht mit einem kerianischen Schlachtkreuzer zu verwickeln, und hatte sich ihm entziehen können. Starafar, der im Laufe dieser Auseinandersetzung schwer beschädigt worden war, hatte sich nach seiner Instandsetzung daran gemacht, nach Gallagher zu suchen und sich an ihm für den hinterhältigen Trick zu rächen. Auf dem Weg zur Erde hatte Trigger ihn einige Male auf seinem Schirm gehabt, ihn aber immer wieder verloren. Irgendwann war er davon ausgegangen, daß er die Verfolgung abgebrochen hatte.

 

Nun war er wieder da.

 

Starafar war zurück, und er folgte Quints Geschwader nach Oea.

 

"Ist ja wieder mal herrlich", flüsterte Clou tonlos. Er griff nach dem Mikrofon und stellte eine Verbindung zu Quints Schiff her.

 

"Gallagher an Quint, bitte kommen."

 

Nach einer kurzen Pause meldete sich der Chef der Söldnertruppe.

 

"Hier Quint." Kein Gruß, keine Erkundigung, was Clou wollte.

 

"Sir, ich habe einen Verfolger auf meinem Schirm. Offenbar ein kerianischer Jäger." Clou behielt die Information, daß er den Verfolger kannte, vorläufig für sich.

 

"Ich habe ihn gesehen, Gallagher. Machen Sie sich keine Gedanken. Wir fliegen nach Oea wie geplant. Der Verfolger ist zu weit weg, als daß er uns gefährlich werden könnte. Sollte er aufholen oder uns sonstwie belästigen, werden sich zwei Schiffe der Nachhut zurückfallen lassen und ihn eliminieren. Quint Ende", brach der Geschwaderführer den Sprechkontakt ab.

 

"Richtig. Vielen herzlichen Dank", murmelte Clou.

 

"Ein Klugscheißer", quietschte Trigger pikiert, "wenn der wüßte, mit wem er es zu tun hat, wäre er vorsichtiger. Warum hast Du's ihm nicht gesagt?"

 

"Ihm sagen, daß ich einen irren Killer wie Starafar magisch anziehe und damit eine potentielle Gefahr für Quints Truppe und die ganze Oea-Mission darstelle? Klar, warum nicht?" fragte Gallagher ironisch und strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. "Hochkantig rausschmeißen würde er uns."

 

"Nachdem er und die anderen ein paar Torpedos auf uns abgefeuert hätten, natürlich", ergänzte Trigger.

 

"Natürlich."

 

Einen langen Moment lang sagte keiner von beiden etwas. Trigger empfing Starafars Radarecho plötzlich deutlicher.

 

"Er wird schneller", sagte er bestürzt.

 

***

 

Starafar prüfte erneut die ihm vorliegenden Daten. Er war dem Kennsignal, welches Trigger, Clou Gallaghers Raumschiff, stets ausstrahlte, in den letzten zwei Jahren pausenlos gefolgt; er hatte Gallaghers Spur manchmal vorübergehend verloren, wenn Trigger aus Sicherheitsgründen den Code geändert oder gänzlich abgeschaltet hatte; er hatte ihn trotzdem dreimal schon fast erwischt.

 

Nun war er irritiert.

 

Er hatte erwartet, Trigger zu finden, ein kleines Raumschiff der Kompaktklasse. Was er gefunden hatte, war eine ganze Flotte von Schiffen dieser Größe.

 

Na, wenn schon...

 

Starafars Waffensysteme waren aufgeladen, sein Torpedomagazin voll bestückt, und seine Deflektorschilde waren so stabil wie schon lange nicht mehr. Eine bewaffnete Auseinandersetzung mit einer Staffel Kompaktschiffe würde er ohne Zweifel gewinnen.

 

Andererseits...

 

Seit er vor zwei Jahren in dem Gefecht mit dem kerianischen Kreuzer, das Gallagher ihm eingebrockt hatte, den kürzeren gezogen hatte, war er vorsichtig geworden. Wenn man sein Schiff und seine Waffen mit der Selbstverständlichkeit von zusätzlichen Körperteilen beherrschte, neigte man gelegentlich zur Selbstüberschätzung. Starafar hatte damals die äußerst schmerzhafte Erfahrung machen müssen, daß überlegene Feuerkraft nicht unbedingt ein angemessener Ersatz für strategisches Denken war.

 

Er hatte seitdem dazugelernt.

 

Mit einem Seufzen reduzierte er seine Beschleunigung auf Unterlichtgeschwindigkeit und ließ sich etwas zurückfallen. Gallagher konnte schließlich nicht ewig im Konvoi mit den anderen fliegen.

 

Das Geschwader flog, wie es schien, nach Oea, einem Mitglied der Kaffi-Liga. Er würde ihnen in einem größeren Abstand folgen.

 

Und Rache nehmen.

 

***

 

Oea war ein Sternensystem, das aus nicht weniger als dreiunddreißig Planeten und deren einhundertfünf Monden bestand. Oea selbst war eine große, grüngoldene Sonne von mittlerem Alter. Von den Planeten des Systems waren lediglich vierzehn besiedelt, die inneren acht und die äußeren elf Welten waren entweder zu kalt oder zu heiß oder besaßen eine giftige Atmosphäre.

 

Seit mehreren Jahrhunderten gehörte Oea, ebenso wie seine Nachbarsysteme Xee und Tlozzhaf, zur Kaffi-Liga, einem lockeren Bündnis von insgesamt sechs unabhängigen Systemen. Diese Welten, die im Wesentlichen nur durch regen Handel zusammengehalten wurden, hatten genau deswegen unter häufigen Piratenattacken zu leiden, die die Hauptflugrouten unsicher machten und dringend benötigte Lieferungen stahlen. Die Waren wurden dann entweder dem ursprünglichen Eigentümer zu einem horrenden Preis angeboten oder tauchten auf ganz anderen Märkten wieder auf. So oder so, der wirtschaftliche Schaden der Liga wurde von Monat zu Monat größer, zumal auch keine Versicherungsgesellschaft das Risiko länger zu tragen bereit gewesen war.

 

Aus politischen Gründen hatten die Mitglieder der Kaffi-Liga bereits bei deren Gründung unumstößlich vereinbart, keine Kriegsschiffe zu unterhalten. Die Frachtschiffe waren also auf sich selbst angewiesen und konnten keinerlei Geleitschutz erwarten.

 

Bisher.

 

In den letzten Monaten hatte im System Oea eine neue Piratenbande vermehrt zugeschlagen. Um sich vor den ständigen Überfällen zu schützen, hatte das Innenministerium von Oea nun beschlossen, Quint und seine Söldner anzuheuern. Die kriegserfahrenen Piloten dieser Truppe würde größere Chancen haben, sich gegen die dreisten, gut bewaffneten Piraten zu schützen als die nur mäßig ausgerüstete Handelsmarine.

 

Quints Geschwader schlängelte sich zwischen den exzentrischen Flugbahnen der Monde und Planeten von Oea hindurch und schwenkte auf einen Orbit um Oea XII ein, wo die Regierung des Systems ihren Sitz hatte.

 

***

 

"Das Geschwader bleibt in Formation", befahl Quint seinen Leuten über Funk, "Esperanza und Gallagher kommen mit mir."

 

"Ja, Sir", bestätigte Clou.

 

"Verstanden", meldete sich Wep Esperanza, ein älterer, vernarbter Teräer, der schon in mehr Kriegen gekämpft hatte als Clou, und das waren schließlich nicht wenige.

 

"Wir gehen in Uo 'runter, der Hauptstadt", wies Quint seine Eskorte an, "ich überspiele Ihnen die Koordinaten."

 

Trigger empfing im selben Moment verschlüsselt den Längen- und Breitengrad des Raumhafens von Uo. Er verglich die Daten sofort mißtrauisch mit seiner eigenen Radarortung, stellte eine Abweichung von zwei Grad westlicher Länge fest und verbesserte den Kursrechner des Geschwaderführers. Quints Bordcomputer nahm die Korrektur widerwillig zur Kenntnis.

 

"Gallagher, bleiben Sie gefälligst auf Kurs", schnauzte Esperanza Clou an, "Sie halten den Sicherheitsabstand nicht ein."

 

"Wenn Sie noch nach den Vektoren fliegen, die uns Quint überspielt hat, tut's mir leid", bedauerte Clou halbherzig, "die stimmen nämlich nicht. Ich sende sie Ihnen eben, warten Sie 'ne Sekunde."

 

Er wies Trigger an, die neuen Daten, nach denen Clou und Quint bereits flogen, in den Bordcomputer von Esperanzas Kompaktschiff einzuspeichern. Trigger setzte einen Hochfrequenzfunkspruch an die andere Maschine ab.

 

"Vektoren empfangen", bestätigte Esperanza wenige Augenblicke später mürrisch. Nach einer kurzen Pause fügte er ein gequältes "Danke" hinzu.

 

"Gern geschehen."

 

***

 

Die drei Raumschiffe sanken rasch in die Lufthülle von Oea XII hinab. Trigger flog vor Trophy, Quints Schiff, her. Esperanzas Maschine, Tracer, folgte ihnen.

 

"Esperanza, Gallagher", rief Quint seine Begleiter an.

 

"Ja, Sir?"

 

"Ja, Sir?"

 

"Wir haben Anweisung, auf Landefeld II/A/4c zu landen. Halten Sie die Abstände ein."

 

Clou und Esperanza bestätigten Quints Befehl.

 

Die drei Schiffe kreisten einmal über der Anlage, bevor sie landeten. Der Raumhafen von Oea war groß, modern und offensichtlich darauf ausgerichtet, große Mengen von Fracht und Passagieren in äußerst kurzer Zeit abzufertigen. Eine Galeone, die über dreihundert Fluggästen Platz bot, hob gerade ab, als die Söldner zur Landung ansetzten. Clou unterflog dabei zwei gewaltige Robotfrachter, die Erz von Xee anlieferten.

 

Tracer, Trigger und Trophy setzten nebeneinander auf, Quints Schiff in der Mitte. Clou schälte sich aus seinem Pilotensitz, verließ das Cockpit und ging durch die dahinterliegene Wohnkabine zur Luftschleuse.

 

"Viel Spaß", rief Trigger ihm mit einem säuerlichen Unterton nach. Wie üblich bedauerte er es, nicht mitgehen und sich die Stadt ansehen zu können. Manchmal wünschte er sich, ein gewöhnlicher Roboter zu sein, der sich unter Menschen frei bewegen konnte, anstatt ein intelligentes Schiff.

 

Clou öffnete die Schleusentür. Sie glitt mit einem leisen Fauchen auf, und Clou trat auf die Gangway hinaus, die das Robot-Bodenpersonal herangerollt hatte.

 

Er trug eine schwarzgrüne Kampfhose, die mit Panzerplatten besetzt war, ein weißes T-Shirt, darüber eine schwarze, ärmellose Lederweste mit eine Kapuze, welche mit Tirkassenskalps gesäumt war, und ein schwarzes Barett der kerianischen Streitkräfte.

 

An seinem rechten Oberschenkel hing ein Holster mit einem schweren Blaster. Unter seinem linken Arm baumelte in einem weich gefütterten Holster eine kleine Maschinenpistole. Clou war in letzter Zeit dazu übergegangen, mechanische Waffen bei sich zu tragen, da mehr und mehr portable Energieschilde auf den Markt kamen, die ihre Träger vor jeglichem Laserbeschuß schützten. Solide Geschosse hingegen durchschlugen solche Schilde.

 

Er zog seine Maschinenpistole und nahm sie schußbereit in beide Hände. Esperanza hatte inzwischen sein Kompaktschiff verlassen. Das dunkle Gesicht mit den Hornplatten an Kinn und Wangen spähte unter dem Bug von Quints Schiff her. Seine langen, schneeweißen Haare flatterten im Wind. In den Händen hielt er zwei entsicherte Blaster.

 

"Eine Falle?" rief er Clou zu.

 

"Keine Falle", antwortete Clou. Sie waren völlig allein in diesem Sektor des Hafens.

 

"Gut", murmelte Esperanza, stellte sich vor Quints Cockpit und gab dem Geschwaderführer ein Handzeichen. Quint nickte, schnallte sich seinen eigenen Waffengurt um und erschien in der Tür.

 

"Kein Hinterhalt", rief Clou ihm zu. Aber auch kein Empfangskomittee, ergänzte er in Gedanken. Einen Moment später korrigierte er sich.

 

"Das wird sich zeigen", brummte Quint. Er war von natur aus mißtrauisch.

 

Quint trug eine alte, abgewetzte Uniform der terranischen Handelsmarine. Sein Blaster stammte von Kerian. Er hatte lange für diese große Nation gedient und konnte deren Waffen von allen am besten blind bedienen und reparieren.

 

Er reckte sich, atmete tief ein und klatschte in die Hände. Seinetwegen konnte es losgehen.

 

Vom Hauptgebäude des Raumhafens kam eine Hoverlimousine auf sie zu. Auf den Kotflügeln flatterten kleine Wimpel mit den Nationalfarben der Kaffi-Liga und denen von Oea.

 

"Unsere Auftraggeber", sagte Quint erfreut und stieg die Gangway zur asphaltierten Landebahn hinunter.

 

Clou und Esperanza sicherten ihre Waffen und steckten sie weg. Die beiden Söldner bauten sich hinter Quint auf und verschränkten die Arme vor der Brust.

 

Die Limousine näherte sich ihnen, wurde langsamer und kam fünf Meter vor ihnen zum Halten. Die hinteren Türen wurden geöffnet, und ein etwa vierzig Jahre alter Regierungsbeamter in einem hellgrünen Flanellanzug stieg aus. Er strich die Sitzfalten seines Anzuges glatt und räusperte sich, bevor er sich mit einem freundlichen Lächeln an die drei Männer wandte.

 

"Guten Tag, die Herren", sagte er, "wer von Ihnen ist Quint?"

 

"Ich", Quint trat vor und streckte die Hand aus, "ich bin Quint."

 

"Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Shilai", sagte der Beamte und schüttelte Quint die Hand. "Ich bin der Beauftragte der Regierung für Pirateriefragen. Darf ich Sie bitten, mir zu folgen?"

 

Quint nickte und gab seinen Leibwächtern einen versteckten Wink. Die drei Söldner stiegen zu Shilai in die Limousine. Trigger, Tracer und Trophy verriegelten ihre Schleusentüren und aktivierten ihre Schutzschilde, während der Wagen mit einem leisen Fauchen über den Asphalt davonschwebte und das Gelände des Raumhafens verließ.

 

***

 

"Die Problematik der Piratenüberfälle auf unsere Handelsrouten ist Ihnen bereits bekannt?" fragte Shilai und lehnte sich in seinem bequemen, großen Ledersessel zurück. Die drei Söldner saßen ihm gegenüber, auf der anderen Seite seines riesigen Schreibtisches, auf Lederstühlen, die nur etwas kleiner waren als seiner.

 

Shilais Frage war rein rhetorisch. Natürlich war Quint bestens über den ihm erteilten Auftrag informiert, und Shilai durfte davon ausgehen, daß er seine Leute in die wichtigsten Details eingeweiht hatte.

 

"Wo fanden die Überfälle denn statt? Im System Oea oder zwischen den Sternen?" fragte Quint.

 

"Ausschließlich innerhalb unseres Sonnensystems. Die exzentrischen Bahnen unserer Planeten und deren Monde machen eine Radarortung nichtregistrierter Schiffe so gut wie unmöglich. Nur, wenn ein Schiff auf dem Flugplan steht, können wir es zuverlässig anpeilen und verfolgen. Alle anderen Objekte bemerken unsere Controller, wenn überhaupt, nur durch Zufall."

 

"Mich würde interessieren, welche Schiffe die Piraten fliegen", fragte Clou, den scharfen Seitenblick seines Geschwaderführers ignorierend. Quint hatte zwar einen Verdacht, was die Piratenschiffe anging, aber er hatte ihn eigentlich lieber unausgesprochen lassen wollen.

 

"Hauptsächlich Jagdschiffe, mit denen sie den eigentlichen Angriff durchführen", seufzte Shilai, "der Abtransport der Beute erfolgt dann mit Schiffen der Kompaktklasse. Man hat sogar schon vereinzelte Galeonen und Korvetten gesehen, die zu den Piraten gehörten. Vielleicht waren diese Schiffe sogar speziell für die jeweiligen Flüge gechartert."

 

"Wenn ich Pirat wäre", sagte Quint mit einem zweiten, tonnenschweren Seitenblick auf Clou, "würde ich es vermutlich genauso machen."

 

"Vermutlich", stimmte Clou kleinlaut zu. Er wechselte einen Blick mit Esperanza. Der Teräer schürzte die Lippen, nickte aber.

 

"Gibt es Energiemessungen über die Piratenschiffe?" erkundigte sich Quint.

 

"Also", sagte Shilai bedächtig, "sie haben unsere Frachter mehrmals bei äußerster Geschwindigkeit über beträchtliche Strecken verfolgt und waren dann noch zu intensiven Feuergefechten in der Lage."

 

"Also scheinen sie keine Nachschubprobleme zu haben. Deutet auf einen hohen Organisationsgrad hin. Billige Wegelagerer sind das nicht. Weiß man, wo ihr Schlupfwinkel ist?"

 

Shilai zuckte mit den Schultern. "Wenn wir das wüßten, hätten wir Sie nicht zur Bewachung unserer Schiffe angeheuert, sondern zur Ausrottung dieses Gesindels."

 

"Moment", Quint hob beschwichtigend die Hände, "angeheuert sind wir noch lange nicht. Wir haben lediglich eine Verabredung. Wir haben noch nicht über die Heuer gesprochen, Shilai."

 

Shilai nickte, "na schön, Sie haben recht. Wir bieten Ihnen fünfundzwanzig Prozent des im letzten Jahr durch Piratenüberfälle entstandenen Schadens."

 

"Gar nicht mal so schlecht", stimmte Quint lächelnd zu, "und wenn Sie noch zehn Prozent von der Fracht, die durch unseren Geleitschutz gerettet wird, drauflegen, kommen wir sogar ins Geschäft."

 

Einen Moment lang sagte niemand etwas. Clou und Esperanza hielten ungewollt die Luft an.

 

"Ließe sich eventuell über fünf Prozent reden?" fragte Shilai dann vorsichtig.

 

"Siebeneinhalb", sagte Quint fest, "oder kein Geschäft."

 

"Schön", sagte Shilai und seufzte erleichtert. Ein Totalverlust der Waren war in jedem Fall entschieden kostspieliger, als vom Profit ein wenig an Quints Söldner abzugeben.

 

"Ich habe bereits einen Einsatzplan aufgestellt. Ist natürlich nur ein erster Entwurf, aber wenn Sie mal schauen möchten..." Shilai breitete ein großformatiges Balkendiagramm auf dem Schreibtisch aus. Quint zog die Stirn kraus. Er bevorzugte es, seine Männer und Schiffe selbst einzuteilen, wie er es für richtig hielt.

 

"Ich werde bei meiner Planung Ihre Ansätze berücksichtigen", sagte er freundlich. "Ansonsten bereite ich meine Einsätze lieber selbst vor."

 

"Sie vertrauen mir nicht", klagte Shilai mit gespieltem Entsetzen, das schnell einem gewinnenden Lächeln wich.

 

"Nicht mehr als anderen", sagte Quint und spitzte die Lippen, "ich bin in meiner Branche ungewöhnlich alt geworden, wissen Sie. Den glücklichen Umstand, daß ich noch am Leben bin, verdanke ich in erster Linie dem Grundsatz, daß ich mich auf mich selbst eher verlasse als auf andere. Wer sagt mir, daß die Piraten nicht den einen oder anderen hohen Beamten der Liga bestochen haben?"

 

"Mister Quint", Shilai schüttelte mißbilligend den Kopf, "Sie beleidigen mich. Ich versichere Ihnen, ich und meine Kollegen verdienen gut genug, um das Risiko der Korruption nicht eingehen zu müssen."

 

"Aha", machte Quint. "War nur ein Gedanke. Sehen Sie, wenn die Liga jemandem sechstausend Astras zahlt, damit er seine Arbeit einen ganzen Monat lang gewissenhaft erledigt, und wenn die Piraten dem gleichen Mann sechstausend Astras dafür bieten, daß er hin und wieder mit ein paar klitzekleinen Informationen über Flugkorridore und Fracht gewisser Schiffe 'rüberkommt, dann sind das für den Betreffenden satte zwölftausend Astras bar auf die Hand. Das sollte sogar ein Beamter einsehen."

 

"Ich verstehe", murmelte Shilai, "so habe ich es noch gar nicht gesehen."

 

"Schade", sagte Quint gleichgültig.

 

"Unser Staatswesen beruht in erster Linie auf interstellarem Handel. Bei den großen räumlichen und zeitlichen Distanzen, die unsere Ware zurücklegt, sind wir sehr auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Vielleicht haben wir es verlernt, argwöhnisch zu sein", sagte Shilai entschuldigend. Er klang müde, dachte Clou. Als habe er von seinem Minister eindeutig gesagt bekommen, daß sein Kopf rollen würde, wenn die Piratenüberfälle trotz der Verpflichtung von Quints Söldnern andauern würden. Der Mann hatte vermutlich seit Wochen nicht mehr durchgeschlafen. Bei genauerem Hinsehen entdeckte Clou auch dunkle Ringe unter den Augen, die mühsam mit hautfarbenem Make-Up überdeckt worden waren.

 

"Ich habe niemandem etwas unterstellen wollen, am wenigsten Ihnen, mein lieber Freund", beruhigte Quint ihn. "Ich sagte ja nur, daß man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte."

 

"Sicher", murmelte Shilai und massierte sich mit den Zeigefingern die Schläfen.

 

"Fassen wir zusammen: die Piraten sind gut informiert, gut organisiert und gut ausgerüstet. Es handelt sich nicht um Amateure, sondern um das, was man in den frühen Tagen der Republik Terra eine Mafia nannte."

 

"Richtig." Shilai nickte traurig. Diesen archaischen Begriff hatte auch der Handelsminister ihm gegenüber einmal erwähnt.

 

"Wenn es eine Organisation ist, hat sie auch einen Boß", fuhr Quint fort.

 

"Oder mehrere", warf Esperanza ein. Alle Augen richteten sich auf den Teräer. Er zuckte mit den Schultern. "Die Piraten, die vor fünf Jahren zwischen Ofru und Kzafta aktiv waren, wurden von einem sogenannten Prisenrat geführt."

 

"Woher wissen Sie das?" fragte Shilai neugierig. Von der Ofru-Raubflotte hatte er bei seinen Recherchen gehört. Einzelheiten über deren Struktur waren allgemein jedoch nicht bekannt.

 

"Ich war dabei", sagte Esperanza mit einem Grinsen.

 

"Das ist übrigens der Grund, warum mich Mister Esperanza begleitet", sagte Quint, "habe ich ganz vergessen, Ihnen zu sagen. Mister Gallagher ist mitgekommen, weil er auf Kerian lange Zeit unter meinem alten Freund Sandar gedient hat und meine Art Strategie deshalb am ehesten nachvollziehen kann."

 

Deine Art Navigation jedenfalls nicht, dachte Clou still und mußte an Triggers vernichtendes Urteil über Trophys Flugkünste denken.

 

"Ich denke, auf den Rat dieser beiden Herren dürfen Sie sich getrost stützen", versicherte Shilai. Mit neuem Interesse wendete er sich an Clou. "Haben Sie schon viele Leute auf dem Gewissen?"

 

"Meinen Sie heute oder insgesamt?" fragte Clou zischend.

 

Shilai zuckte zusammen. "Sehr schlagfertig, wirklich", gluckste er nervös.

 

"Okay", sagte Quint und stand auf, "wir werden wieder zum Raumhafen fahren und zu unserer Flotte zurückkehren. Der Geleitschutz für alle Schiffe, die Oea XII anfliegen oder verlassen, ist ab sofort in Kraft."

 

***

 

"Ich wußte gar nicht, daß Sie Sandar gekannt haben", sagte Clou kopfschüttelnd, als die drei Söldner in der Limousine zum Raumhafen chauffiert wurden.

 

"Es ist auch eine ganze Zeit her", sagte Quint leise, "daß wir uns getroffen haben. Sie beide waren zusammen in der Schlacht von Kasuto, richtig?"

 

"Ja", Clou seufzte, "er war ein hervorragender Kapitän."

 

"War?" Quint zog die Augenbrauen hoch. "Seit wann?"

 

"Vor ein paar Jahren. Es hat ihn auf Drusa erwischt."

 

"Die Drusaken sind doch eigentlich recht friedliebend", wandte Esperanza ein.

 

"Die Kerianer aber nicht", entgegnete Clou achselzuckend. Drusa gehörte zum Königreich Kerian, und dessen Soldaten hatten den legendären Kapitän Sandar auf dem Gewissen.

 

"Und trotzdem tragen Sie noch ein kerianisches Barrett?" fragte Quint und deutete auf Clous schwarze samtene Kopfbedeckung.

 

"Ein persönliches Souvenir", Clou schluckte hart.

 

"Schön", sagte Quint abschließend. Damit war für ihn die Sache erledigt.

 

"Wie sieht Ihr Plan aus, Sir?" fragte Esperanza den Geschwaderführer, "ich meine, legen wir den Schwerpunkt auf die ankommenden oder auf die abreisenden Schiffe?"

 

"Sowohl als auch. Ich denke daran, das Geschwader aufzuteilen. Gallagher, Sie werden die ankommenden Schiffe eskortieren, Sie erhalten acht Maschinen zu Ihrer eigenen. Esperanza führt mit seinem Schiff acht weitere an. Die beiden restlichen Schiffe, nämlich meins und ein Flügelmann meiner Wahl, kreuzen innerhalb des Systems Oea und versuchen, Piraten aufzuspüren und ihre Koordinaten an Euch zu funken. Vielleicht stolpere ich sogar über das Versteck von dem Pack."

 

***

 

Die Kompaktschiffe fuhren ihre Deflektorschilde ein, als die Limousine vorfuhr und Esperanza und Gallagher ausstiegen. Die beiden Männer sahen sich argwöhnisch um. Als sie keine Scharfschützen sahen, die ihrem Geschwaderführer hätten gefährlich werden können, gaben Sie ihm ein Zeichen. Quint verließ den Wagen und bestieg, flankiert von seiner Leibwache, sein Schiff.

 

Die Limousine entfernte sich eilig, um nicht beim Start der Schiffe in den Strahl der Triebwerke zu geraten.

 

"Wir fliegen nach den Koordinaten Ihres Schiffes, Gallagher", sagte Quint und kniff ein Auge zu.

 

"Mit Vergnügen", entgegnete Clou, drehte sich um und betrat Triggers Cockpit. "Hast Du's gehört, Schiff?"

 

"Ja, Flieger", schnarrte Trigger stolz. "Endlich hat er's eingesehen, daß seine Mühle nicht rechnen kann."

 

***

 

Starafars gesundes Auge spähte angestrengt in die ihn umgebende Dunkelheit hinaus. Seine elektronischen Sinne tasteten den Raum viele tausend Kilometer tief ab. Seine Wahrnehmung war trotzdem auf dem Nullpunkt.

 

Die exzentrischen Bahnen der vielen Planeten und Monde des Systems Oea machten eine Orientierung durch Radar beinahe unmöglich. Hinzu kamen die stellenweise äußerst starken Gravitationsfelder dieser Welten, die jegliche Ortungsstrahlen krümmten und die von ihnen übermittelten Koordinaten haarsträubend verfälschten.

 

Was die elektronische Hälfte seines Ichs betraf, flog er nahezu blind und mußte sich seinen Kurs nach dem ausrechnen, was er sah. Die zweidimensionalen Bilder, die das einzelne Auge dem Gehirn übermittelte, wurden in seiner Datenbank plastisch umformatiert, so daß er wenigstens das Gefühl hatte, dreidimensional zu sehen wie jeder andere Mensch. Ohne diesen simplen Trick wäre er vollkommen manövrierunfähig gewesen.

 

Na, wenn schon.

 

Gallagher war hier.

 

Und er würde ihn finden.

 

Das Geschwader, dem Gallagher sich angeschlossen hatte, befand sich in einer geostationären Parkbahn über dem zwölften Planeten dieses Systems, so viel hatte er feststellen können, bevor ihn sein Radar im Stich gelassen hatte.

 

Gut so.

 

Er nahm Kurs darauf.

 

***

 

"Wie kommt es eigentlich, daß Du bei der Kursberechnung weniger Fehler machst als Quints Schiff?" fragte Clou und trank einen Schluck Fruchtsaft aus dem Kühlschrank in seiner Kochnische.

 

"Ich nehme an, das kommt daher, daß Quints Schiff ausschließlich nach Sternpositionen rechnet. Ist in einem System wie diesem aber ziemlich dämlich", sagte Trigger schroff. "Ich verlasse mich da lieber auf meinen gesunden Menschenverstand."

 

"Deinen - was?!" Clou erstarrte in der Bewegung und ließ das Glas aus den Fingern rutschen. Es fiel klirrend auf den Boden und zersplitterte.

 

"Im Ernst", rechtfertigte sich das Schiff, "ich finde, ich bin vernünftiger als Trophy."

 

"Klar", Clou kicherte noch immer, "vollkommen klar." Er kniete sich hin und begann, die Saftpfütze auf dem Boden mit einem Lappen aufzuwischen.

 

"Du solltest-" begann er, doch das Summen des Funkgeräts unterbrach ihn. Er stand auf und drückte die Sprechtaste. "Hier Gallagher, kommen."

 

"Hier Quint. Ein Außenposten auf Oea IX hat ein unregistriertes Schiff im Anflug auf Oea XII entdeckt. Hat Kurs auf das Geschwader genommen", meldete Quint. "Vermutlich ein Pirat."

 

"Oder unser Verfolger von neulich", schaltete sich Esperanza in das Gespräch ein.

 

"Wer sagt, daß das kein Pirat war?" entgegnete Quint.

 

"Ein Pirat hätte uns angegriffen", sagte Esperanza schlicht, "auch, wenn es nur ein Späher war. Er wäre zumindest näher 'rangekommen."

 

"Sie müssen es wissen, Esperanza", meinte Quint. "Ich kehre allein zum Geschwader zurück und teile die Gruppen für später ein. Ihr zwei kümmert Euch um den Fremden."

 

"Roger", bestätigten Clou und Esperanza. Trigger und Tracer scherten aus ihrem Kurs aus und steuerten die ferne Nachbarwelt Oea IX an.

 

***

 

"Und Sie meinen, das funktioniert?" In der Stimme des Innenministers des Systems Oea klang starker Zweifel mit. "Wenn diese Strolche versagen, rollt nicht nur mein Kopf, das ist Ihnen hoffentlich klar, junger Freund."

 

Shilai sah aus dem Fenster. Der Himmel war bedeckt. Irgendwo hoch über ihnen formierte sich in diesem Moment Quints Geschwader, vermutete er.

 

"Ich bin zuversichtlich", sagte er und sah seinem Vorgesetzten fest in die Augen. "Es konnte nicht so weitergehen."

 

"Das schon", sagte sein Gegenüber und seufzte schwer, "ich fürchte nur um die politischen Folgen, wenn unsere Verbündeten hören, daß wir entgegen den Kaffi-Verträgen bewaffnete Schiffe unterhalten. Man könnte uns aus der Liga ausschließen."

 

"Hören Sie", sagte Shilai und fingerte nervös eine Zigarette aus einem kristallenen Zigarettenetui, "es wird keinen Ausschluß geben. Wir unterhalten keine bewaffneten Schiffe."

 

"Aber Quint -" wollte ihm der Minister widersprechen, aber Shilai winkte ab.

 

"Quint tut nur, was man ihm sagt. Er ist ein Söldner. Vielleicht ein guter Mann, aber letztendlich lediglich ein Söldner. Er tut, was man ihm befiehlt, wenn man ihn bezahlt. Das ist alles", er zündete die Zigarette an und nahm einen gierigen Zug, "das macht ihn noch nicht zu einem oeanischen Soldaten."

 

"Ich hoffe, der Erfolg gibt Ihnen recht, junger Freund", sagte der Minister und klopfte ihm auf die Schulter.

 

Das hoffe ich auch, dachte Shilai, als der Minister sein Büro verlassen hatte.

 

***

 

"Ist ja wieder mal herrlich", murmelte Clou, als er den heranrasenden Gegner erkannte.

 

"Das ist der von neulich. Die gleichen ulkigen Lebensformanzeigen", wunderte sich Esperanza, "sowas habe ich ja noch nie gesehen."

 

"Ich schon", sagte Clou finster, "der Typ ist mit seinem Schiff verwachsen."

 

"Ich grüße Sie, Gallagher!"

 

Clou zuckte zusammen. Starafar hatte ihre Frequenz gefunden!

 

"Hi, Starafar!" sagte Clou. "Wieder im Lande?"

 

"Am Leben und am Feuern!" zischte Starafar und löste eine Rotte Plasmatorpedos aus, die zielstrebig den Weg zu den beiden kleineren Kompaktschiffen einschlugen.

 

"Mieser Satzbau", kritisierte Trigger, rollte unter den anfliegenden Torpedos weg und glitt wieder an die Seite von Esperanzas Schiff. Beide Kompaktschiffe hatten inzwischen ihre Schutzschilde hochgefahren und eröffneten ihrerseits das Feuer.

 

In einer Sekunde war das fünfzig Meter lange Kriegsschiff an ihnen vorbei.

 

Trigger und Tracer verabredeten blitzschnell eine neue, abhörsichere Funkfrequenz. Trigger meldete Clou, daß er wieder frei mit Esperanza sprechen konnte.

 

"Sie kennen dieses Monster?" fragte Esperanza.

 

"Flüchtig. Gut genug, um Ärger mit ihm zu haben", stieß Clou hervor, ehe er sich wieder voll auf das Gefecht mit Starafar konzentrieren mußte. Dieser hatte einen Pseudoorbit um sie geflogen und kehrte nun mit knapper Unterlichtgeschwindigkeit zurück. Die beiden zehnläufigen Geschütztürme auf seinen Stummeltragflächen schossen den kleineren Schiffen starkes Sperrfeuer entgegen. Die Laserstrahlen prallten von den zuverlässigen Deflektorschilden ab und schillerten in allen Regenbogenfarben, als sie abgelenkt und gebrochen wurden. Die Schutzschilde zitterten unter dem Dauerbeschuß, und Trigger und Tracer hatten alle Mühe, die Erschütterungen durch die künstliche Bordgravitation auszugleichen.

 

"Zum Heulen", brummte Clou. Er löste einen Plasmatorpedo aus, der direkt auf Starafars Cockpit zuraste, an dessen Schild aber zerschellte wie ein Kürbis, den man aus dem zehnten Stock eines Hauses auf eine asphaltierte Straße warf. Starafar schlingerte ein wenig, hatte sich aber in Rekordzeit wieder in der Gewalt.

 

"Wir müssen das Feuer auf einen Schwachpunkt konzentrieren", schlug Esperanza vor, "sonst knacken wir seinen Panzer nie. Haben Sie eine Idee?"

 

"Den Triebwerkschacht", kam Trigger seinem Piloten zuvor, "nach meinen Auswertungen dürfte der Schild da am durchlässigsten sein."

 

"Korrekt", pflichtete ihm Tracer bei.

 

"Danke", sagte Trigger artig.

 

"Wenn ihr fertig seid", sagte Clou säuerlich, "müßt ihr uns noch verraten, wie wir hinter ihn kommen sollen. Ich glaube, er wird es Euch nicht leicht machen." Starafar hatte inzwischen erneut gewendet und raste auf die beiden zu. "Ihr denkt doch nicht etwa an eine Zangenbewegung?"

 

"Doch", antwortete Trigger trotzig.

 

"Geben wir ihnen das Kommando", sagte Esperanza resignierend. Er und Clou schalteten von Handsteuerung auf automatische Lenkung um. Sofort schwenkten die beiden Schiffe weit auseinander - ein Manöver, das eigentlich beim Flug zu zweit gegen einen Gegner nicht im Lehrbuch stand. Die Faustregel lautete, stets bei seinem Flügelmann zu bleiben, um wenigstens schon einmal eine Seite gedeckt zu haben.

 

***

 

Starafar war dementsprechend überrascht. Er ließ sich jedoch nicht ablenken, folgte ohne Zögern dem linken Gegner und klinkte eine Rakete aus ihrer Halterung aus.

 

"Was ist das denn?" fragte Esperanza panisch.

 

"Eine Rakete", antwortete Tracer nüchtern, "ein lenkbarer Flugkörper mit einem hochexplosiven Sprengkopf. Einschlag in zwölf Sekunden."

 

"Einschlag?" echote Esperanza.

 

"Feste Körper können Energieschilde durchdringen", belehrte ihn Tracer, "neun Sekunden."

 

"Wir kommen", rief Trigger über Funk. Er hatte seinen ursprünglichen Plan, Starafar zu verfolgen, aufgegeben, raste heran und feuerte auf die Rakete, um sie zur Explosion zu bringen, ehe sie Tracer erreichte.

 

Es gelang ihm nicht.

 

Mit einem gewaltigen Lichtblitz fetzte der Sprengkörper in Tracers Flanke, riß ein gewaltiges Loch in die Außenhülle und ließ die Bordatmosphäre verpuffen.

 

"Esperanza!" Clou schloß geblendet die Augen, als das brennende Schiff an ihnen vorbeitorkelte.

 

"Ich bin noch da", antwortete der Teräer gepreßt, "die Druckkabine des Cockpits hat gehalten. Wird aber allmählich ziemlich heiß hier, meine Kabine und den Laderaum hat's zerlegt."

 

"Warte erst mal ab, bis der Reaktor hochgeht", bemerkte Tracer.

 

"Halt's Maul!" Esperanza kämpfte um seine Selbstkontrolle. Er geriet allmählich in Panik.

 

"Wie lange noch bis dahin?" fragte Clou besorgt.

 

"Etwa vier Minuten, vielleicht fünf, wenn das Feuer mangels Sauerstoff früh genug erstickt wird. Für mehr kann ich nicht garantieren", schätzte Tracer.

 

"Paß auf!" rief Clou. Zwei weitere Raketen waren abgefeuert worden, und beide hatten Trigger zum Ziel gewählt.

 

Trigger startete durch, ließ Tracer weit hinter sich und zog die beiden Raketen hinter sich her.

 

Währenddessen hatte sich Starafar neugierig dem anderen Kompaktschiff genähert, um einen Blick auf die entstandenen Schäden zu richten. Die Raketen, die er verschossen hatte, waren eine Neuentwicklung aus der berühmten Waffenschmiede von Raymon Cartier. Er hatte sie sich für die Jagd nach Gallagher extra zugelegt; serienmäßig waren Jagdschiffe nicht damit ausgerüstet. Dementsprechend wollte er sich von der Wirkung eines solchen Treffers überzeugen. Er richtete seine Kamera und Sensoren auf das treibende Schiff.

 

Eine Sekunde zu lang war er unaufmerksam, dann war Trigger in einem weiten Bogen herangerast, die Raketen unmittelbar hinter sich. Als er wenige Meter unter Starafar durchflog, schaltete er für einen winzigen Moment auf Lichtgeschwindigkeit.

 

Die Raketen, deren Ziel schlagartig eine Viertelmillion Kilometer entfernt war, suchten sich das nächstgelegene Ziel.

 

Starafar.

 

Mit einem lauten danebanischen Fluch und einer enormen elektronischen Schmerzwelle registrierte er den Einschlag der beiden Projektile. Die Explosion riß ihn völlig unerwartet aus seiner Flugbahn. Er überschlug sich mehrmals und driftete torkelnd und antriebslos davon.

 

Einen Moment später war Trigger zurück.

 

"Hinterher! Er hat keine Schilde mehr", rief ihm Esperanza über das Sprechfunkgerät zu.

 

"Und Sie haben nicht mehr viel Zeit", erinnerte ihn Clou, "verabschieden Sie sich von Ihrer Mühle und steigen Sie in Ihren Raumanzug!"

 

"Und mein Schiff aufgeben?" Esperanza klang ziemlich hoffnungslos.

 

"Wenn's sein muß", drängte ihn Clou.

 

***

 

Drei Minuten später stand der Teräer im Raumanzug in Triggers Luftschleuse. Nachdem die äußere Tür abgedichtet war, öffnete er die innere und trat in die Wohnkabine. Clou kam ihm aus dem Cockpit entgegen.

 

"Alles in Ordnung?" fragte er besorgt.

 

Esperanza schraubte seinen Helm ab. "So ziemlich."

 

Trigger entfernte sich mit großer Eile von Tracers ausglühendem Wrack, dessen Reaktor sich dem kritischen Bereich näherte. Als er abdrehte, explodierte Tracer in einem Feuerball.

 

"Ich habe Starafar verloren", klagte Trigger.

 

"Dann finde ihn wieder", polterte Esperanza.

 

"Ich kann nicht", sagte Trigger geduldig, "das ist ja das Problem bei diesem Sonnensystem!"

 

Esperanza ließ sich auf Clous Koje fallen. Er schloß die Augen und fuhr sich mit der Hand durch die langen, weißen Haare.

 

"Sie können mit mir mitfliegen, bis Sie ein anderes Schiff haben", bot ihm Clou an. Esperanza nickte matt.

 

"Hey, Gallagher!"

 

"Hmm?" Clou drehte sich zu ihm um.

 

"Ich heiße übrigens Wep."

 

"Okay. Kannst mich Clou nennen. Trigger kennst Du ja schon."

 

"Klar."

 

Trigger nahm Kurs auf das Geschwader, das noch immer im Orbit um Oea XII wartete.

 

Starafar würde ihn nun ihn Ruhe lassen, da war er beruhigt.

 

Vorläufig jedenfalls...

 

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Erstellt: 25.04.2005, zuletzt aktualisiert: 10.02.2015 19:30, 83