Die Pferdelords und das verborgene Haus der Elfen von Michael H. Schenk
Reihe: Die Pferdelords Bd. 4
Leseprobe
1
âEs missfĂ€llt mir, an der Seite der Menschenwesen zu stehen. Sie sind schwach. Vier ihrer HĂ€user sind schon den Finsteren MĂ€chten erlegen.â Jalan-olud-Deshay hob den Blick und musterte das Funkeln der Sterne am nĂ€chtlichen Himmel. âDie anderen drei werden bald folgen.â
Sein Freund Theon-olud-Deshay zuckte die Achseln. âSie sind kurzlebig, aber nicht schwach, Jalan. Du tust den Menschenwesen unrecht.â
Jalan stieĂ ein leises Schnauben aus. âVor vielen Tausend Jahreswenden streckte der Schwarze Lord mit seinen Orks die Hand erstmals nach den Reichen der Elfen und Menschen aus. Er wurde bezwungen und in die Finsternis zurĂŒckgeworfen. Es wĂ€re die Zeit fĂŒr die Menschenreiche gewesen, zu erstarken, aber der Schwarze Lord machte ihnen Geschenke und verfĂŒhrte sie. Habgier und Missgunst beherrschen fortan die Herzen der Menschen. Theon, mein Freund, die menschlichen Königreiche sind dem Untergang geweiht.â
âNur wenn sie allein sind.â Theon lĂ€chelte sanft. âDamals kĂ€mpften Elfen und Menschen getrennt. Doch nun stehen beide Seite an Seite. So hat es der Hohe Rat der HĂ€user beschlossen.â
âGegen meine Stimme.â Jalan betrachtete die Sternbilder.
Sie standen auf einer gewaltigen Lichtung inmitten des Waldes. Jenes Waldes, in dem alles seinen Anfang genommen hatte. Zumindest, wenn man es vom Standpunkt eines elfischen Wesens aus betrachtete.
Der Wald war alt, wohl Ă€lter als jedes elfische Leben. An seinen RĂ€ndern wuchsen junge BĂ€ume heran, die zur Mitte des Waldes hin keinen Lebensraum gefunden hĂ€tten, denn dort standen gewaltige StĂ€mme, die auch zehn MĂ€nner nicht zu umfassen vermochten und deren Kronen sich HundertlĂ€ngen ĂŒber den Boden erhoben, um das notwendige Sonnenlicht einzufangen. Zwischen diesen StĂ€mmen herrschte oft ein dĂ€mmeriges Zwielicht, da es den Strahlen der Sonne schwerfiel, den Boden zu erreichen, aber es gab Pilze, die einen sanften Lichtschimmer ausstrahlten, der den Lebewesen des Waldes genĂŒgte. Manche Stellen waren unzugĂ€nglich, denn dort waren alte StĂ€mme zusammengebrochen und moderten von Moos bewachsen dem endgĂŒltigen Verfall entgegen. Ihr Humus gab Farnen, KrĂ€utern und einer Vielfalt von Blumen und GrĂ€sern NĂ€hrstoffe.
Inmitten des Waldes gab es eine Reihe von Lichtungen, ĂŒber welche sich die BĂ€ume, aus welchem Grund auch immer, nicht ausgebreitet hatten. BachlĂ€ufe und ein breiter Fluss zogen sich durch das saftige GrĂŒn und die Farbenpracht der Pflanzen. Selbst ein groĂer See fand hier Raum. Insekten und Tiere bevölkerten den Wald und nutzten jede Nische, um zu ĂŒberleben und sich auszubreiten. Insekten wurden von Nagern gefressen und Nager von gröĂeren JĂ€gern. Der gröĂte JĂ€ger war jedoch der Elf mit seinen FĂ€higkeiten, zu planen und Waffen herzustellen. Dennoch scheuten die Lebewesen des gewaltigen Waldes nicht vor den Elfen zurĂŒck, denn diese nahmen nur, was sie zum Leben brauchten.
Hier, in diesem Wald, erhob sich das gewaltige Haus des Urbaums, das elfische Haus Deshay. Das erste, Ă€lteste und stĂ€rkste Haus des Elfenvolkes. Von hier waren die Elfen einst ausgezogen und hatten die anderen HĂ€user des Waldes und der See gegrĂŒndet. Mittlerweile gab es viele von ihnen, doch keines wĂŒrde je die GröĂe und Bedeutung des Urhauses Deshay erlangen.
âDu warst nicht da, Jalan, mein Freund, und konntest nicht am Rat teilnehmen.â Theons Stimme nahm einen leicht erregten Unterton an. âDu warst an den Neuen Ufern und hast sie gesehen.â
Jalan spĂŒrte die Neugier seines Freundes und wandte ihm den Blick zu. âZunĂ€chst muss der Hohe Rat der HĂ€user meine Stimme hören. Davor kann ich nichts sagen, Theon, das weiĂt du. So ist es das Gesetz der Elfen.â
Jalan stieĂ ein leises Seufzen aus. Er beugte den Oberkörper leicht vor und stĂŒtzte sich dabei gegen den hohen Schild, den er vor sich auf den Boden der Lichtung gestellt hatte. Im Schein der Sterne funkelten das Gold und Silber seiner RĂŒstung. Polierter Stahl, wie ihn nur HĂ€nde und Feuer der Elfen zu schmieden verstanden, und ĂŒber dem Stahl breite, mit Gold beschichtete BĂ€nder, welche die RĂŒstung stark und zugleich flexibel machten. Das wertlose Gold verlieh dem Körperpanzer zwar einen verrĂ€terischen Glanz, schĂŒtzte jedoch das darunter befindliche wertvollere Metall vor den WitterungseinflĂŒssen. Der Panzer bedeckte Ober- und Unterleib und wurde ĂŒber dem elfischen Gewand aus feinem Stoff getragen, das bis hinunter zu den Knöcheln reichte. Der Stoff klaffte ein wenig auseinander und zeigte an den Beinen Jalans den silbrigen Schimmer der Kettenglieder, aus denen der Beinschutz bestand. Die FĂŒĂe steckten in ledernen Stiefeln, deren Vorderseiten mit Panzerschienen verstĂ€rkt waren. Auf dem Kopf trug der Elf den hohen Helm des Hauses Deshay, der mit dem filigran gearbeiteten Symbol eines weit verĂ€stelten Baumes geschmĂŒckt war. Nacken und Kinnpartie waren durch verzierten Stahl geschĂŒtzt. Um die Schultern des Elfen hing der lange blaue Umhang seines Volkes, vor dem Hals mit einer goldenen Spange verschlossen, die das Symbol des Baumes wiederholte.
Jalan seufzte erneut und legte seine rechte Hand ungeduldig um den Griff seines leicht geschwungenen Schwertes. âDie Neuen Ufer sind voller Wunder und Gefahren. Meine Augen haben viel gesehen, und wenn ich dem Hohen Rat der HĂ€user berichtet habe, wirst auch du von mir erfahren, wie es um die Zukunft unserer HĂ€user bestellt ist.â
Theon nickte und drehte sich um. Trotzdem er eine RĂŒstung trug, machte er dabei kaum ein GerĂ€usch. So stark die Panzerungen auch waren, wurden sie von elfischen HĂ€nden doch sehr leicht gebaut, wodurch sie wenig wogen und dem Besitzer jede Bewegung erlaubten. Sie waren derart sorgfĂ€ltig bearbeitet, dass ihre Elemente fast miteinander verwoben schienen und nicht den LĂ€rm menschlicher RĂŒstungen hervorriefen.
Hinter Theon und Jalan war die groĂe Lichtung von einem Blitzen und Funkeln erfĂŒllt. Es schien, als sei der Boden aus Gras und Wildblumen unter einer golden schimmernden Wolke verschwunden, denn fĂŒnftausend elfische Krieger standen hier voll gerĂŒstet und warteten schweigend, auf den Feind, der nun bald kommen musste.
âEnolas ist nervösâ, stellte Theon-olud-Deshay lĂ€chelnd fest.
âEs wird sein erster wirklicher Kampf.â Jalan blickte nach Osten in den Wald, dorthin, von wo der Feind kommen musste. âEr zĂ€hlt kaum hundert Jahreswenden.â
âJa, er ist noch jung. Und wir sind ein glĂŒckliches Haus.â Theon nickte zufrieden. âGeburten sind selten geworden in den HĂ€usern der Elfen, Jalan, mein Freund. Doch unseres scheint davon nicht betroffen. Auch deine Gemahlin wird uns bald das Geschenk machen, eine Tochter zu gebĂ€ren.â
âJa, ein glĂŒckliches Hausâ, bestĂ€tigte Jalan sichtlich zufrieden. âEs scheint ein seltsamer Fluch mit unserer Unsterblichkeit verbunden zu sein, wo doch die anderen HĂ€user so wenige Kinder bekommen. Aber wir sind das Haus Deshay, das Haus des Urbaums.â
âHast du schon einen Namen fĂŒr dein Kind?â
âWir werden sie Llarana nennen.â
âDer warme Wind des SĂŒdens.â Theon blickte unwillkĂŒrlich in sĂŒdliche Richtung. âEin kraftvoller Name fĂŒr ein kraftvolles Jungweib.â
âSo gebĂŒhrt es einem kraftvollen Haus.â
Theon hob eine Hand. âSie schweigen.â
Die GerÀusche des Waldes waren bestimmt vom Rauschen des Windes in den BlÀttern und Nadeln, dem Nachgeben verfallenden Holzes und den Lauten der zahlreichen Tiere. Vor allem die Rufe der Nachtflieger schallten weit durch den Wald, doch diese Rufe begannen nun zu verstummen.
Jalan-olud-Deshay lĂ€chelte. âSie kommen.â
âSie werden zahlreich sein.â
âLass sie zahlreich sein. Sie begegnen dem Haus Deshay und elfischem Stahl.â
Theon leckte sich ĂŒber die Lippen. âDer Schwarze Lord soll Hunderte von Legionen aufgestellt haben. Verfluchte Orkbrut.â
Jalan wandte kurz den Kopf. âHaltet euch bereit, ihr MĂ€nner des Hauses Deshay. Der Feind wird bald da sein.â
Er hatte seine Stimme nicht erhoben, doch seine leisen Worte wanderten durch die gestaffelten Reihen der elfischen Krieger. Die Gestalten strafften sich ein wenig, eine Welle schien durch den goldenen Schimmer auf der Lichtung zu gehen.
âEs werden nicht so viele seinâ, mutmaĂte Theon. âDie meisten Legionen der Orks werden sich am Pass sammeln, wo sich auch die Krieger der anderen HĂ€user und die der Menschen zum Kampf vereinen. Dort wird die Entscheidung fallen. Wir sollen nur dafĂŒr sorgen, dass die nördliche Grenze nicht fĂ€llt und kein Ork den Truppen des Bundes in den RĂŒcken fallen kann.â
Abermals stieĂ Jalan ein leises Schnauben aus. âDer Bund. Die Menschen sind schwach, sagte ich das schon?â
âIch denke, du hast es erwĂ€hnt, mein Freund.â Theon sah aufmerksam nach Osten. Die Augen der Orks waren lichtempfindlich, und obwohl die Bestien auch am Tage kĂ€mpfen konnten, bevorzugten sie die Nacht. Doch die wĂŒrde ihnen diesmal keinen Schutz bieten. âIch kann sie hören. Das Krachen berstenden Holzes und das Scheppern ihrer RĂŒstungen.â
âSie sind den Wald nicht gewohnt. Sie kennen nur die felsigen Einöden ihrer Lande. Wir hingegen sickern durch den Wald wie Morgentau zwischen die GrĂ€ser. Dieser Wald ist unsere Heimat, und sie werden wir verteidigen.â
Theon vernahm die immer lauter werdenden GerĂ€usche. Die Orks suchten ihren Weg zwischen den BĂ€umen hindurch. Ihre Formationen wĂŒrden nicht eng geschlossen, sondern aufgerissen sein, wenn sie den Rand der Lichtung erreichten. Obwohl die Bestien den Wald nicht kannten, wĂŒrden sie die Lichtung finden, denn elfische Krieger wiesen ihnen den Weg. Zweihundert der besten MĂ€nner des Hauses Deshay, die den Feind immer wieder mit ihren Pfeilen angriffen und sich dann zurĂŒckzogen, um ihn so nĂ€her und nĂ€her an die Lichtung heranzulocken. Die elfischen KĂ€mpfer schienen mit dem Wald verwachsen, und so wĂŒrde es den Bestien schwerfallen zu erkennen, wie viele Gegner sich ihnen entgegenstellten. Die Orks waren nicht dumm, aber sie waren begierig auf den Kampf und wĂŒrden dem elfischen Voraustrupp ohne Zögern folgen, bis sie der Hauptmacht des Hauses Deshay gegenĂŒberstanden.
âVielleicht hĂ€tten wir ein paar Krieger am Haus zurĂŒcklassen sollenâ, brummte Theon. âNur fĂŒr den Fall, dass sich ein paar Bestien verirren und es versehentlich entdecken sollten.â
âUnsere Frauen verstehen sich nicht nur darauf, Wunden zu versorgenâ, entgegnete Jalan lakonisch. âSie vermögen sie auch anderen zuzufĂŒgen. Keine Sorge, Theon, mein Freund, unser Vortrupp wird sie genau zur Lichtung fĂŒhren, und hier werden wir ihnen begegnen.â
Huschende Schatten waren im Sternenlicht zwischen den BÀumen zu erkennen. Elfische Krieger hasteten auf die Lichtung und auf die dort formierten Reihen zu, die sich kurz öffneten, um sie aufzunehmen.
âTausende von ihnenâ, rief ein Krieger Jalan zu. âSie sind wenigstens doppelt so stark wie wir.â
Jalan schnaubte erneut. âIhre Zahl mag groĂ sein. Doch so bieten sie uns auch ein komfortables Ziel.â
Jalan freute sich nicht auf den Kampf. Denn wenn er auch nicht bezweifelte, dass sie die Orks schlagen wĂŒrden, so wĂ€ren doch Verluste unter den Elfen des Hauses Deshay unvermeidbar, und jeder davon wĂŒrde schmerzen.
Das Knacken und Brechen von Holz wurde lauter, durchmischt vom stampfenden Schritt der Orks, deren Rufe ungedĂ€mpft durch die Nacht schallten. Sie verbargen sich nicht, denn das war gegen ihre Art, zumal die Bestien wussten, dass der Feind vor ihnen lag. Sie waren begierig auf den Kampf, und von den Elfen wĂŒrden sie sich holen, was den Legionen des Schwarzen Lords gebĂŒhrte.
Nun erschienen die schwarz gepanzerten Gestalten von Rundohren zwischen den BÀumen, die beim Anblick der golden schimmernden Soldaten auf der Lichtung zu zögern schienen. Kommandos ertönten, wÀhrend die elfischen Krieger wie erstarrt standen und schwiegen. Immer mehr Orks drÀngten zwischen den BÀumen hervor und begannen sich zu formieren und ihre Kohorten zu bilden.
âWartetâ, befahl Jalan-olud-Deshay mit erhobener Stimme und zog die geschwungene Klinge seines Schwertes blank, wĂ€hrend er die Kohorten beobachtete, die immer zahlreicher wurden.
Es war die typische Formation der Orks. Die gepanzerten Rundohren, groĂ und krĂ€ftig, in den vorderen Reihen, dahinter die kleineren Spitzohren. Die Rundohren waren die NahkĂ€mpfer, die sich mit ihren RĂŒstungen und Schlagschwertern auf den Feind warfen, wĂ€hrend die Spitzohren den Bogen bevorzugten und im Nahkampf den Schutz ihrer gröĂeren BrĂŒder suchten.
âIch hĂ€tte gedacht, sie stĂŒrmen einfach vor, sobald sie uns sehen.â Theon schĂ€tzte die StĂ€rke des Feindes ab. âZwei Legionen oder drei, was meinst du?â
âEtliche stecken noch zwischen den BĂ€umen.â Jalan lĂ€chelte kalt. âDiesmal sind es keine wild stĂŒrmenden Horden mehr. Sie haben gelernt und Disziplin erlangt.â Die in den vorderen Reihen stehenden Orks begannen rhythmisch an ihre rechteckigen Schilde zu schlagen. âGut, sie bringen sich in Stimmung. Dann greifen sie gleich an.â Erneut hob er seine Stimme, und seine Worte ĂŒbertönten den LĂ€rm der Orks. âElfen des Hauses Deshay! Bildet den Schildwall!â
Die ovalen hohen Schilde der Elfen wiesen an der unteren Seite zwei spitze Dornen auf, mit denen die Krieger sie nun fest in den Waldboden rammten, um anschlieĂend dahinter in Deckung zu gehen. Im oberen Bereich der Schilde befanden sich schmale Schlitze, die einem Pfeil wenig AngriffsflĂ€che boten, aber genug Ausblick auf den Feind zulieĂen.
Von den Reihen der Orks her ertönte ein Schwirren, das die Nacht zu erfĂŒllen schien. Im Licht der sternklaren Nacht erhoben sich SchwĂ€rme von kurzen, schwarz gefiederten Pfeilen, die auf die elfischen Krieger zuschnellten. Schon war das Klirren der auf die Schilde prallenden Geschosse zu hören, durchmischt von dem gelegentlichen Schmerzensschrei eines getroffenen Elfen.
Erneut zischten Pfeile heran, dann verdichteten sie sich zu einem endlos scheinenden Pfeilhagel. Elfen gingen zu Boden, doch nicht genug von ihnen, um eine LĂŒcke in ihre Formation zu reiĂen. Bei den Orks wurde wĂŒtendes GebrĂŒll laut.
Jalan und Theon kauerten nebeneinander hinter ihren Schilden und grinsten einander an. âDie feigen Spitzohren wĂŒrden am liebsten nur ihre Pfeile abschieĂen, aber die Rundohren verlieren wohl die Geduld.â
Genau so war es auch, denn ein einzelner Schrei erhob sich nun bei den Orks, und die Rundohren stieĂen begeistert ein. AufbrĂŒllend hasteten sie auf die wartenden Elfen zu, die nur knapp drei HundertlĂ€ngen entfernt standen, doch mussten sie dabei freies GelĂ€nde ĂŒberwinden, auf dem Gras und Blumen alles andere als Schutz boten.
âPfeileâ, befahl Jalan.
Aus den hinteren Reihen der Elfen erhoben sich befiederte Geschosse, zogen ĂŒber den Nachthimmel und senkten sich wieder. Elfische Stahlspitzen durchschlugen die EisenrĂŒstungen von Orks und warfen die Bestien zu Boden. In der Zeit, welche die hastenden Rundohren fĂŒr die Strecke benötigten, löste jeder BogenschĂŒtze des Hauses Deshay fast vierzig Pfeile und leerte so seinen Köcher.
Als die Rundohren die elfische Formation erreichten, waren ihre Kohorten bereits geschwĂ€cht. AngriffslĂŒstern brĂŒllten die Bestien, erleichtert, den Feind erreicht zu haben und sich nun nicht mehr dem treffsicheren Pfeilhagel aussetzen zu mĂŒssen.
âGebt ihnen Stahlâ, brĂŒllte Jalan, wĂ€hrend er seinen Schwertarm hochschwang und dabei ein brĂŒllendes Rundohr von unten aufschlitzte.
Im Licht der Sterne schimmerten RĂŒstungen und Klingen, traf Stahl auf Eisen, starben Elfen und Orks. Einem Beobachter hĂ€tte der Kampf als seltsamer Tanz von Wesen erscheinen können, die sich umkreisten oder aufeinander zuwirbelten, denn die Dunkelheit verbarg viel Grauen und gab dem nĂ€chtlichen Tod einen unwirklichen Schein von Anmut.
Das wilde Durcheinander begann sich schlieĂlich zu lichten und machte einer Gruppe von Gestalten Raum, die auf den Schutz des Waldes zuhasteten, wĂ€hrend elfische Krieger sich unter wenigen Kommandos erneut formierten.
Jalan-olud-Deshay atmete schwer und stieĂ die Klinge seines Schwertes in den Waldboden, um sie notdĂŒrftig vom dunklen Orkblut zu sĂ€ubern. âLasst sie keinen Atem schöpfen, ihr MĂ€nner des Hauses Deshayâ, rief er ĂŒber die Lichtung. âFormiert euch und jagt die Bestien zurĂŒck in die Finsteren AbgrĂŒnde, aus denen sie sich erhoben haben.â
Theon trat neben seinen Freund. Er blutete aus einer Schnittwunde am Arm, wo ein Schlagschwert den Ringpanzer durchdrungen hatte. âTreiben wir sie aus dem Wald hinaus, mein Freund.â
âDas werden wirâ, versicherte Jalan grimmig. Er sah die Orks zwischen die BĂ€ume fliehen und nahm seinen Schild wieder auf. Verwirrt musste das Oberhaupt des Hauses Deshay feststellen, dass es ihm schwerfiel, den Riemen straffzuziehen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihn im Kampf ein Hieb getroffen hat, und doch musste es so gewesen sein. Ein wenig verĂ€rgert wollte er den Schild senken, er wĂŒrde auch ohne dessen Schutz kĂ€mpfen können, und zwischen den eng stehenden BĂ€umen wĂ€re er ohnehin eher hinderlich.
Doch sein Arm folgte seinem Willen nicht. Ein taubes GefĂŒhl breitete sich aus, und als Jalan sein Schwert in die Scheide stecken wollte, um seinen anderen Arm zu Hilfe zu nehmen, spĂŒrte er entsetzt, dass auch dieser zu erstarren begann. Er wollte seinen Freund Theon ansehen, doch sein Blick blieb unverwandt auf den Rand der Lichtung mit den entschwindenden Orks gerichtet.
Starre und Taubheit breiteten sich in seinem Körper aus, und Jalan bemerkte noch, wie ein grauer Schleier seinen Blick zu trĂŒben begann und sich eine seltsame Dumpfheit ĂŒber seine Gedanken legte, bevor ihm die Sinne schwanden.
Ăberall auf der riesigen Lichtung erstarrten die Elfenkrieger, mitten in ihren Bewegungen, die sie begonnen hatten und nie mehr zu Ende fĂŒhren sollten. Mit der Starre senkte sich Schweigen ĂŒber die Lichtung, und auch die Stimmen des Waldes schienen verstummt.
So wich die Nacht dem Tag, und aus dem Tag wurden Jahreswenden, ohne dass die Starre wich. Nichts schien sich auf der Lichtung zu verĂ€ndern, nur der Glanz der RĂŒstungen verschwand unter einer Schicht von Schmutz, die sich allmĂ€hlich ĂŒber sie legte. Jahreswenden vergingen, formten sich zu Jahrhundertwenden und lieĂen Legenden entstehen. Das elfische Haus Deshay, das mĂ€chtige Haus des Urbaums, versank in den Tiefen der Zeit. Unvergessen, aber verschollen.
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