Die Pferdelords und die Kristallstadt der Zwerge (Autor: Michael H. Schenk, Die Pferdelords Bd. 2, Genre: Fantasy)
 
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Die Pferdelords und die Kristallstadt der Zwerge von Michael H. Schenk

Reihe: Die Pferdelords Bd. 2

 

Leseprobe

 

1

Balruk atmete schwer und lehnte sich für einen Moment an einen der Felsen. Er war ein kräftiger Mann und mit seinen hundertzwanzig Jahren im allerbesten Zwergenalter, aber seine Beine waren einfach nicht dafür geschaffen, seinen stämmigen Körper so schnell und weit zu tragen. Während er um Atem rang, blickte er den schmalen Pass zurück, über den er und seine letzten drei Begleiter gekommen waren.

„Wir müssen weiter, mein König“, ächzte einer der anderen. „Die Bestien sind uns dicht auf den Fersen.“

„Sie sind größer und schneller als wir“, brummte Balruk grimmig. „Aber solange noch Kraft in unseren Armen ist, werden wir es ihnen nicht leicht machen.“

Einer der Begleiter wischte abwesend mit seinem braunen Umhang über die von schwarzem Blut bedeckte Axt und betastete dann missmutig die tiefe Kerbe in einer der beiden Schneiden. „Das kommt von diesen verfluchten Rundohren“, knurrte er. „Möge der feurige Abgrund sie verschlingen. Ihre Panzer sind dick und hart.“

„Nicht dick und hart genug für unsere Streitäxte.“ Balruk stieß sich von dem Felsen ab. Gelegentlich erklang das leise Poltern herabstürzender Steine, was im Gebirge eigentlich nicht ungewöhnlich war, denn die Erosion forderte ihren Tribut. Doch nun zuckten Balruk und seine Begleiter nervös zusammen, denn jetzt konnte jedes Geräusch vom Fuß eines herannahenden Orks ausgelöst worden sein.

„Aber dafür sind sie viele.“

Ja, es waren einfach zu viele dieser Bestien.

So viele Jahre lang hatte man keine Orks mehr gesehen und es schien fast so, als gehörten sie dem Reich der Sagen an. Diese Kreaturen gliederten sich in die Rundohren und die Spitzohren, die leicht voneinander zu unterscheiden waren, und das nicht nur an der Form ihrer Ohrmuscheln.

Die Rundohren waren etwas größer und kräftiger als ein Menschenmann. Ihre Haut wies eine Mischung aus grauen und braunen Farbtönen auf und manchmal mischte sich ein Rot hinein, das den Wesen ein schmutziges Aussehen verlieh. Die Gesichter waren, zumindest in gewisser Hinsicht, menschenähnlich, doch besaßen sie gröbere Züge und kräftigere Kiefer, deren Eckzähne zu langen spitzen Fangzähnen ausgebildet waren. Die dicken Rüstungen waren einfach geschmiedet und bedeckten Leib und Beine der Bestien. Auf dem Kopf trugen sie schwere Helme, die mit den Symbolen der dunklen Macht verziert waren. Die Rundohren strotzten vor Kraft und trugen plumpe Klingen, deren hakenförmige Spitze den breiten Schwertern die Bezeichnung Schlagschwert eingebracht hatte.

Die Spitzohren hingegen waren kleiner und zierlicher gebaut, doch sahen sie ebenso schmutzig aus und hatten ein verschlagenes Wesen. Sie waren schneller als die großen Rundohren und trugen meist nur einfache Rüstungen, die aus ledernen Harnischen und Helmen bestanden. Ihre Stärke war es, den Feind aus der Distanz mit Pfeil und Bogen zu töten, anstatt ihn im offenen Schlagabtausch entgegenzutreten. Aber allen Bestien gemein waren die rötlichen Augen, ebenso wie ihre Blutgier und die Vorliebe für das frische Fleisch der erschlagenen Gegner.

Vor so vielen Jahren hatte die dunkle Macht des Schwarzen Lords zum ersten Mal ihr Haupt erhoben und die Legionen der Orks waren über die Welt hereingebrochen. Erst ein Bündnis von Menschenwesen und Elfen hatte die Macht der Horden gebrochen, doch dies war vor so langer Zeit geschehen, dass es längst dem Reich der Fabeln anzugehören schien.

Damals hatten die Zwerge nur wenig von den blutigen Kämpfen mitbekommen, die in der Oberwelt tobten. Denn sie lebten verborgen in ihren riesigen Höhlensystemen tief unter dem Gebirge. Sie hielten nur wenig Kontakt mit anderen Wesen, denn sie waren mit ihrer Abgeschiedenheit zufrieden und ihr unterirdisches Reich bot ihnen fast alles, um ihre Bedürfnisse zu stillen. Sie züchteten nahrhafte Pilze und Schwämme und gelegentlich brachten die Jagdtrupps von der Oberfläche das Fleisch eines erlegten Wildes herunter. Nur selten trieben sie Handel mit Elfen oder Menschenwesen und Getreide war das bevorzugte Handelsgut, denn es war in ihrem Reich nicht zu ernten, und sie schätzten den Geschmack von frischem Brot. Die Menschenwesen und Elfen wiederum begehrten die bunten Kristalle, die Mineralien und Erze, welche die Zwerge in ihren Minen förderten.

Die Abgeschiedenheit ihrer Höhlen hatte den Zwergen schon oft Schutz geboten, denn sie lagen gut versteckt und waren nur schwer zugänglich. Und da sich die kleinwüchsigen Wesen nur wenig für die Ereignisse der Oberwelt interessierten, wurden sie kaum mit den Kriegen und Konflikten der Menschenwesen konfrontiert. Lange Zeit fühlten sich die Zwerge unbedrängt von den Nöten der Oberwelt, bis sie nun auf schmerzliche Weise erfahren mussten, dass ihre eigene friedliche Welt bedroht war. Die Macht des Schwarzen Lords und seiner dunklen Legionen griff unerwartet auch nach den Städten des Zwergenvolkes.

Einer von Balruks Begleitern wies auf die einfache Axt, die Balruk in den Händen hielt. „Sie haben Grünschlag, mein König. Wir müssen sie zurückerlangen.“

Balruk nickte. „Das wird nicht ohne Hilfe gehen. Möge der feurige Abgrund die Bestien verschlingen.“

Er dachte an die glitzernde grüne Doppelschneide der Axt Grünschlag. Ihre Klingen bestanden aus edelstem geschliffenen Grünkristall und waren zu spröde, um zum Kampf zu taugen. Doch Grünschlag war auch keine Streitaxt, sondern das zeremonielle Symbol der Königswürde. Ihr Griff bestand aus massivem Gold und die heiligen Symbole des Volkes waren in Silber darin eingelassen. Das Ende des Griffstückes war aus einem feinen Stahl geschmiedet und wies zahlreiche Einkerbungen und Dornen auf. Was wie Verzierung wirkte, war jedoch der Schlüssel zur Macht über die Stadt des Zwergenvolkes. Denn wer auch immer den Stiel der Axt in den Thron des Zwergenkönigs steckte, gebot über die Menschen des kleinen Volkes. Aber nun würde ein orkisches Rundohr Grünschlag in den Thron stecken.

Erneut polterten Steine und Balruk umklammerte den Griff seiner einfachen Streitaxt fester. „Mögen die Bestien nur kommen. Wir schicken sie in die feurigen Abgründe hinab.“

Einer der Begleiter blinzelte und schirmte seine Augen gegen das grelle Sonnenlicht ab. Bald würde die Sonne untergehen, doch auch die Nacht würde ihnen keinen Schutz gegen die Orks bieten. Diese konnten mit ihren rötlichen Augen in der Dunkelheit ebenso gut sehen wie die Angehörigen des Zwergenvolkes und sie rochen das Fleisch von anderen Wesen schon auf große Entfernung.

„Hier ist es so gut wie an anderer Stelle“, sagte Balruk grimmig. „Der Abgrund möge sie verschlingen, unsere Beine sind zu kurz, um ihnen davonzulaufen.“

„Dann werden wir sie aufhalten, mein König“, sagte einer der anderen Zwerge. „Ihr müsst die Axt Grünschlag zurückerlangen. Ihr müsst Hilfe für unser Volk herbeiholen.“

Ja, er musste Hilfe holen. Doch wenn die Legionen der Orks auferstanden waren und ihre Macht bereits bis in die Städte der Zwerge reichte, wo mochte es da in der Oberwelt noch Hilfe geben? War das Erscheinen der Horden in der grünen Kristallstadt Nal´t´rund nicht das sichere Zeichen dafür, dass es keine freien Menschenwesen und Elfen mehr gab?

Die Orks hatten die Bewohner der Stadt überrascht, sie förmlich überrannt, und Balruk fühlte eine tiefe Scham, sein Volk so schmählich im Stich gelassen zu haben. Doch er wusste, dass sein Volk ohne fremde Hilfe nicht widerstehen konnte, denn die Axt Grünschlag war der Schlüssel zu dessen Macht. Balruk musste die Axt wieder an sich bringen, und dazu benötigte er Hilfe. Die Hilfe anderer Zwerge oder anderer Wesen. Wie auch immer, die Axt musste zurück in seine Hand.

Mit zehn Getreuen war er geflohen, hatte an den Wachen der Orks vorbeigeschlichen, während sich seine Hände fest um den Griff der Streitaxt geklammert hatten, im Verlangen, die Schädel der Bestien einzuschlagen. Sie hatten den Pfad am Sprung des Flusses genommen und waren dem Verlauf des Gebirgsrückens gefolgt. Balruk hatte sich erst nach Osten zur roten Kristallstadt begeben wollen, doch dieser Weg war ihm versperrt gewesen, denn von dort kamen die Legionen der Orks. Beim Anblick der herandrängenden Horden war Balruk von einer schmerzlichen Angst um seine zurückgebliebenen Vettern erfasst worden und so hatten er und seine Männer sich dem Feind gestellt und sie für eine Weile aufgehalten. Doch sieben tapfere Axtschläger waren dabei ums Leben gekommen und Balruk und seine drei letzten Begleiter waren nicht stark genug, um einem erneuten Angriff zu trotzen. So hatten sie sich nun nach Süden gewandt, dem Land der Menschenwesen entgegen.

„Meint ihr, die Menschenwesen werden uns helfen?“ Balruk erwartete keine Antwort. Sie wussten nicht einmal, ob es überhaupt noch freie Menschenwesen gab.

Einer der Begleiter kratzte sich ausgiebig im Schritt und stieß ein heiseres Knurren aus. „Vielleicht vermag der Weiße Zauberer uns zu helfen.“

Weit unten, am Ende der südlichen Gebirgsausläufer, erhob sich der gewaltige Hammerturm des großen Weißen Zauberers, dem alten Freund der Menschenwesen und des Zwergenvolkes. Seine Macht war so groß und sein Zauber so geheimnisvoll wie der Turm, den er bewohnte. Es war ein Gebäude in der Form eines gewaltigen Hammers, und seine Gestalt verriet dem Näherkommenden die Macht seines Besitzers, denn egal von welchem Standpunkt aus man ihn betrachtete, hatte der Hammerkopf stets die gleiche Form.

Erneut polterten Steine und einer der Zwerge beugte sich ein wenig vor. „Sie kommen. Ich kann zehn und mehr Rundohren erkennen.“

„Dann werden es noch mehr von ihnen sein“, seufzte Balruk. „Kannst du auch Spitzohren ausmachen?“

Sie verabscheuten die Spitzohren in besonderem Maße, obwohl diese Orks eine halbwegs passable Größe für die Zwergenkämpfer hatten und man sich bei ihnen nicht sonderlich recken musste, um den Schädel vom Rumpf zu trennen. Aber die Spitzohren benutzten Pfeil und Bogen, und diese Waffen waren den Zwergen nicht geheuer. Die kleinen gefiederten Pfeile trugen weit und durchschlugen fast jede Rüstung. Zwar kannten die Zwerge Pfeil und Bogen auch vorher schon, doch waren diese in ihren Höhlen von geringem Nutzen, und selbst die Trupps, die gelegentlich in der Oberwelt nach Wild jagten, benutzten die handlichen Wurflanzen.

„Keine Spitzohren“, stellte der Beobachter fest, dann kippte er lautlos hintenüber, und die anderen sahen den schwarz gefiederten Pfeil, der die Kehle ihres Gefährten durchbohrt hatte.

„Flieht nach Süden, mein König, und holt Hilfe für unser Volk“, sagte einer der letzten beiden Axtschläger, der daraufhin die Enden seiner beiden Bartzöpfe ergriff und sie sorgsam im Nacken verknotete, damit ihn die Zöpfe beim Kampf nicht behinderten.

„Wir werden es hier austragen“, erwiderte Balruk grimmig.

„Nein, mein König.“ Der Axtschläger schüttelte entschlossen den Kopf. „Das ist unsere Aufgabe. Die Eure ist es, mit Hilfe zurückzukehren und unsere grüne Kristallstadt wieder zu befreien.“

Balruk stieß einen grimmigen Fluch aus, denn seine Begleiter hatten Recht. „Möget ihr reiche Schürfgründe finden, meine Freunde.“

„Möge das Strahlen der Kristalle Eure Augen erleuchten“, erwiderten die Axtschläger gleichzeitig.

Die beiden Zwergenmänner duckten sich hinter die Felsen, um den Pfeilen kein Ziel zu bieten, und warteten in grimmigem Schweigen auf den Feind. Balruk wandte sich ab und begann den Pfad entlangzuhasten, so schnell ihn seine schmerzenden Beine trugen.

Er hörte aufbrandendes Geschrei hinter sich und wusste, dass seine Axtschläger nun ihrem Namen gerecht wurden, hoffend, dass sie möglichst viele der Bestien in den feurigen Schlund hinabschickten. Sie verschafften ihm ein wenig Zeit, und er musste diese Zeit nutzen. Seine Beine stampften über den Pfad, und obwohl Zwerge nie über lange Strecken liefen, waren sie naturgemäß geschickte Kletterer. Sie waren es gewohnt, in ihren Höhlensystemen zu den entlegensten Stellen vorzudringen und ihre Stollen tief in das Gestein zu treiben. Balruk spürte fast instinktiv, welche Stellen des Pfades ihn trugen und welche er meiden musste. Seine Augen huschten über den Weg, und er wusste, dass die Dunkelheit seinen Schritt verlangsamen würde.

Der Schlag traf Balruk vollkommen unvorbereitet und ließ ihn einen heiseren Schrei ausstoßen. Die Wucht des Aufpralls war nicht einmal besonders groß, aber Balruk wusste sofort, dass er von einem Pfeil getroffen worden war, der seine Rüstung am Rücken durchschlagen hatte und tief in seine Schulter eingedrungen war.

Sein rechter Arm wurde sofort taub, weshalb Balruk seine Streitaxt in die linke Hand nahm und sich mit einem erneuten Aufschrei umwandte, um sich dem Feind zu stellen. Er erblickte ein Spitzohr, das in einiger Entfernung auf dem Pfad stand. Die rötlichen Augen des Wesens schienen triumphierend zu glühen. Balruk sah, wie der Ork einen weiteren Pfeil auf seinen Bogen legte, wich aber erst aus, als der Pfeil gelöst wurde. Die eiserne Spitze klatschte neben ihm an einen Stein, woraufhin der Ork fluchend auf Balruk zuhastete, um eine günstigere Schussposition zu finden. Balruk stieß einen kampfeslustigen Schrei aus und schwang die Axt mit seinem gesunden Arm. Er vermochte dem Pfeil nicht davonzulaufen, aber er konnte die Distanz zum Gegner verringern und das Spitzohr vielleicht zu einem übereilten Schuss verleiten. Unter Umständen kam er dann schnell genug heran, um seine Axt zwischen die aufgerissenen Fänge des Orks zu schlagen.

Das Spitzohr schien tatsächlich nervös zu werden, denn es hatte damit gerechnet, dass sein Gegner sich zur Flucht wenden würde. Eher instinktiv sprang der Ork zur Seite, um hinter einem Felsblock am Rand des Pfades Deckung zu nehmen. Aber sein Fuß traf auf loses Gestein, das unter ihm wegzurutschen begann. Das Spitzohr schrie auf, ließ den Bogen fallen, um sich herumwerfen zu können, und krallte die Hände in das unter ihm nachgebende Erdreich. Doch dann verlor es endgültig den Halt und sein Schrei verhallte, als der schmächtige Körper in den Abgrund stürzte.

Balruk hörte das blutrünstige Gebrüll weiterer Orks, darunter die tieferen Stimmen der Rundohren, und folgte dem Pfad mit hastigen Schritten weiter nach Süden. Er fühlte, dass sein Blut aus der Schulterwunde sickerte und sein Wams unter der Rüstung von der klebrigen Nässe getränkt wurde, die ihm seine zunehmende Schwächung ankündigte. Aber er konnte die Wunde nicht erreichen, konnte nur Fuß vor Fuß setzen. Balruk, König der Zwerge der grünen Kristallstadt Nal´t´rund, hoffte, die Orks würden sich etwas Zeit mit der Verfolgung lassen und sich damit begnügen, ihre Fänge in das bluttriefende Fleisch der Axtschläger zu graben. Seine Füße schmerzten und seine rechte Schulter war ohne Gefühl, doch jeder Schritt führte ihn weiter nach Süden. Vielleicht würde er dort Hilfe für sein Volk finden, im Süden, im Land der Pferdelords.

 

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Die Pferdelords und die Kristallstadt der Zwerge

Reihe :Die Pferdelords Bd. 2

Autor: Michael H. Schenk

broschiert, 624 Seiten

Mira, Hamburg, erschienen Januar 2007

Titelbildgestaltung von pecher und Soiron, Illustrationen/Karten von Alexander Jung

ISBN 978-3-89941-357-1

Erhältlich bei: Amazon

Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.


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Erstellt: 23.07.2008, zuletzt aktualisiert: 20.02.2015 10:28, 6960