Die Psycho-Trojaner (Autorinnen: Monika Niehaus und Andrea Pfuhl)
 
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Die Psycho-Trojaner von Monika Niehaus und Andrea Pfuhl

Wie Parasiten uns steuern

 

Rezension von Ellen Norten

 

Diese Rezension erschien zuerst auf Kultura Extra

 

Wer Würmer hat ist nie allein

 

Die Psycho-Trojaner – der Titel des Buches ist irritierend und ohne den Untertitel »Wie Parasiten uns steuern« könnte man sich alles Mögliche darunter vorstellen. »Psycho-Trojaner«, beide Worte sind zwar bekannt, aber in dieser Form kombiniert erscheinen sie neu.

 

Trojaner: In der griechischen Mythologie schlüpften einst griechische Soldaten in einem hölzernen Pferd in die Stadt Troja und eroberten sie, indem sie die Tore für weitere Soldaten öffneten. Beim Computer dringen Trojaner unerkannt in den PC und richten dort erheblichen Schaden an. In diesem Buch geht es um Trojaner, die unsere Psyche schädigen, indem sie unseren Hirnstoffwechsel beeinflussen oder unseren Körper auf andere Weise manipulieren. Bei diesen Trojanern handelt es sich um Parasiten; Schmarotzer, die als Würmer, Einzeller, Bakterien oder Viren daherkommen und zum Teil auch noch über äußere Plagegeister, wie Mücken, Flöhe oder Läuse übertragen werden.

 

Alle vorgestellten Parasiten sind in der Medizin »alte Bekannte«. Diesmal werden sie jedoch von einer eher unerwarteten Seite vorgestellt. Es geht eben nicht um die typischen bekannten Krankheitssymptome und die Schwächung des Körpers, sondern die Schmarotzer werden als Verursacher psychischer Leiden wie Schizophrenie oder Depression diskutiert. Dabei basiert diese weitgehend unbekannte Seite von ihnen nicht einmal unbedingt auf neuen Erkenntnissen.

 

»1896 erschien im Scientific American ein Artikel unter dem Titel Werden Geistesstörungen von einer Mikrobe hervorgerufen? Doch fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch galt die Schizophrenie als Erkrankung mit vornehmlich psychologischen und psychosozialen Wurzeln. Dass sie familiär gehäuft auftritt, stützte die Annahme, dass ihr eine genetische Komponente zugrunde liegt. In keiner Studie konnten jedoch Gene gefunden werden, die ein deutlich erhöhtes Schizophrenierisiko mit sich bringen – anscheinend sind weniger genetische Einflüsse als die familiären Lebensumstände (Gemeinsame Nahrung, Trinkwasser, Katzenhaltung) verantwortlich.« S. 177

 

Die Annahme eines Zusammenhangs ist keineswegs abwegig. Dass der Syphiliserreger sein Opfer in den Wahnsinn treibt, ist schließlich lange bekannt. Ähnliches gilt für Tollwutviren. Sie können den Infizierten im wahrsten Sinne des Wortes tollwütig machen, sprich der Kranke mutiert zum Monster und beißt mit gebleckten Zähnen und Schaum vor dem Mund in ungeahnter Aggressivität sein ahnungsloses Opfer – und steckt es dabei an.

 

Für andere Erreger gab es dagegen bisher kaum Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zu geistigen Leiden. So könnten Bornaviren für Depressionen verantwortlich sein, Streptococcen für Ticks, Waschzwang und Hyperaktivität und Toxoplasma, ein weitverbreiteter Einzeller scheint eine Schizophrenie (mit)verursachen zu können.

 

Nach einem Ausflug in die klassische Parasitologie, in dem Läuse, Flöhe und Würmer in ihrer Historie und als Überträger von Fleckfieber, Pest, Filariose und Elephantiasis vorgestellt werden, erlauben sich die Autoren einen fiktiven Seitensprung, der so unerwartet, wie aus meiner Sicht auch unangemessen daher kommt.

 

Per aspera ad astra – liefert einen Blick auf intergalaktische Schmarotzer. Doch diese sind Fiktion, sie gibt es nicht. Nun kommen die Protagonisten aus Startreck und ihr medizinisches Wissen zu Wort. Fast erscheinen die Lebenswege der intergalaktischen Schädlinge noch komplizierter als die ihrer irdischen »Brüder und Schwestern«. Wie es sich für gute Science Fiction gehört stehen diese auf einem soliden Fundament, sie sind logisch entwickelt, doch dabei lediglich die Ausgeburt eines klugen Kopfes, mehr nicht. Da die Thematik des Buches jedoch schwierig genug ist und manches darin wissenschaftlich zunächst eher unwahrscheinlich klingt, berauben sich die Autorinnen mit diesem Ausflug in die Science Fiction unfreiwillig ihrer Glaubwürdigkeit. Das zugegebenermaßen originelle Kapitel hat für mich in diesem Sachbuch nichts zu suchen, es gehört in den Bereich der Belletristik und kann insbesondere als Sekundärliteratur dort eine wichtige Rolle spielen. Für den Nicht-SF-Kenner ist es dagegen extrem verwirrend, um es noch milde auszudrücken.

 

Ausgenommen dieser Kritik öffnet das Buch den Blick auf ganz neue Sichtweisen. Was beherbergen wir in unserem Körper wirklich? Da sind die Milliarden von Bakterien, die unseren Darm bevölkern; in unserem Hirn leben Mikroben, was tuen diese Organismen mit uns. Zudem vagabundieren in weitaus größerer Zahl als bisher angenommen Zellen von niemals geborenen Geschwistern aus unserer Embryonalphase in uns herum. Wir sind nicht allein ist das Resümee, wenn wir die Lektüre des Buches ernst nehmen und sie ist ernst zu nehmen, wie jede andere fundierte wissenschaftliche Abhandlung auch.

 

Ein sauber recherchiertes Buch, das einem die Haare zu Berge stehen lassen mag. Hier werden bekannte medizinische Sichtweisen aus den Angeln gehoben, indem sie aus neuen Perspektiven beleuchtet werden. Die traditionelle Psychiatrie und Psychologie erscheinen in einem neuen Licht.

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Buch:

Die Psycho-Trojaner

Wie Parasiten uns steuern

Autorinnen: Monika Niehaus und Andrea Pfuhl

Hirzel Verlag, 2016

Taschenbuch, 238 Seiten

 

ISBN-10: 3777626228

ISBN-13: 978-3777626222

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 16.01.2018, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 16410