Die Ritter der vierzig Inseln von Sergej Lukanienko
Rezension von Christel Scheja
Der 1968 in Kasachstan geborene Sergej Lukanienko studierte zunächst in Alma Ata Medizin und arbeitete als Psychater, ehe er als freier Autor größere Erfolge feierte. Die „Wächter“-Trilogie wurde nicht nur in seiner Heimat ein Erfolg, sondern auch in der ganzen Welt. Selbst die Verfilmung erreichte mehr als nur das Lob von Fans und Kritikern. Auch das Massenpublikum war von der phantastischen Geschichte angetan.
An den Erfolg anknüpfend erscheinen nun auch weitere Werke des Autors in Deutschland, die sich bei genauerem Hinsehen aber nicht unbedingt als neue Werke herausstellen. In Russland erschien „Die Ritter der vierzig Inseln“ bereits 1992 und wurde 1997 – vermutlich in Überarbeitung – noch einmal neu aufgelegt.
Ehe er weiß, was ihm geschieht, wird der Junge Dima aus seinem vertrauten Umfeld gerissen und in eine phantastische Welt versetzt, die wie aus einem Kinderbuch entnommen zu sein scheint. Er befindet sich auf einer tropischen Inseln, auf der eine archaisch wirkende, mittelalterliche Burg steht.
Von den Kindern und Jugendlichen, die ihn am Strand aufsammeln, erfährt er, dass er sich auf einem der Eilande eines Archipels mit vierzig Inseln befindet. Wie er sind auch die anderen von der Erde hierhin versetzt wurden. Ihre Aufgabe ist es, gegen die Bewohner der anderen Inseln zu kämpfen. Denn nur wer alle anderen Inseln unter seine Gewalt bringt, kann auch wieder nach Hause zurückkehren.
Dima ist nicht ganz so begeistert von der Aussicht kämpfen zu müssen, aber er fügt sich zunächst einmal in die Gemeinschaft, um mehr zu erfahren. Denn keiner von den anderen hat sich bisher Gedanken darüber gemacht, wer sie eigentlich hier hin gebracht hat. Ihm fallen jedoch immer mehr Seltsamkeiten auf. Warum befindet sich auf der Nachbarinseln ein Mädchen aus seiner Schule, die er am vergangenen Tag noch getroffen hat? Sie aber behauptet, schon Monate auf der Inseln zu sein? Und warum verwandeln sich die Schwerter, die die Jungen benutzen mal in Holz und dann wieder in Stahl?
Seine Selbstsicherheit gerät ins Wanken, als er feststellen muss, dass das Gerede von Tod und Sterben doch nicht nur Übertreibung ist, als er miterlebt, wie drei seiner Kameraden sterben. Und als er dann auch noch den Kleinsten aus der Gruppe dabei beobachtet, wie er mit der Luft zu sprechen scheint, weiß er eines: Die Jugendlichen auf der Insel werden benutzt. Die Macht die hinter all dem stehen sind vermutlich Außerirdische, die das menschliche Wesen studieren wollen.
Doch zu welchem Zweck? Das kann er nur gemeinsam mit den anderen herausfinden – und so beginnt er ihnen von seinen Vermutungen zu erzählen, sie auf ihre Seite zu ziehen. Tatsächlich löst er damit eine Kette von dramatischen Ereignissen aus. Denn ist es wirklich im Sinn ihrer geheimen Beobachter, dass sie – anstatt zu kämpfen – nun daran arbeiten, eine Konföderation zu gründen?
Man merkt, dass es Sergej Lukanienko hier zu Gute kommt, die menschliche Psyche studiert zu haben. Auch wenn er vordergründig eine Geschichte erzählt, die irgendwo zwischen der Science Fiction und Abenteuer angesiedelt ist, so stehen doch nicht unbedingt die Taten der Protagonisten im Vordergrund, sondern was innerlich ihn ihnen dabei vor sich geht. Das meiste erfährt man aus dem Blickwinkel von Dima, der auf der einen Seite ein guter Beobachter und auf der anderen Seite ein Rebell ist, der alles in Frage stellt. Dadurch wird er nicht unbedingt zum Anführer, das bleibt der besonnene Chris, der einen Ruhepol darzustellen scheint.
Um wenigstens einer Frau eine größere Rolle zukommen zu lassen, gibt es auch noch Inga, die männliche Entschlossenheit mit weiblicher Fürsorge verbindet. Ansonsten werden zwar immer wieder Mädchen erwähnt, sie haben aber kaum mehr als die Rolle von Statisten. Die auf die Inseln verschleppten Kinder gleich in die klassischen Rollenmuster verfallen – die Jungen verteidigen die Burg und Kämpfen, die Mädchen sind für die Essenszubereitung, Versorgung der Verwundeten und die Ordentlichkeit in der Burg zuständig. Und so kommt es auch gerade zum Ende hin zu klassischen Situationen.
Wie in „Herr der Fliegen“ beginnen sich die Kinder auf der Insel zu verändern und Urinstinkte zu entwickelt. Aber Sergej Lukanienko geht einen anderen Weg, denn die Helden nutzen diese schließlich, um sich gegen ihre Entführer zu wenden. Auch merkt man dem Buch noch ein wenig die sozialistische Einstellung an – die Helden agieren doch nicht so individuell, wie man es aus westlichen Romanen gewöhnt ist.
Insgesamt bleibt Lukanienko in seinen Schilderungen eher an der Oberfläche und achtet mehr darauf, das die Spannung erhalten bleibt und gerade Jugendliche immer wieder mit neuen Wendungen am Lesen gehalten werden.
„Die Ritter der vierzig Inseln“ ist weniger ein Fantasy-Roman, wie Titel und Titelbild suggerieren möchten, sondern eher ein Jugendabenteuer mit Science Fiction Elementen, wie man sie gerade im ehemaligen Ostblock geschätzt hat, auch wenn der Inhalt etwas anders als früher gewichtet ist.
Der Autor erzählt in seinem typischen Stil und achtet durchaus auf Spannung, kann aber auch seine Wurzeln nicht leugnen, so dass manches gemächlicher und nüchterner wirkt als in amerikanischen Jugendbüchern. Das ist aber vielleicht auch eine Stärke des Buches, dass dadurch wesentlich exotischer wirkt, als es eigentlich ist.
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