Kolumne: Die Sache mit ... dem Respekt
 
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Kolumne: Die Sache mit ... dem Respekt

Autor: Holger M. Pohl

 

Auf den ersten Blick scheinen Respekt und Leseproben nichts miteinander zu tun zu haben. Doch werfen wir einfach einmal einen zweiten, wenn es sein muss auch dritten Blick darauf. Stellen wir uns vor, Euch wird eine Leseprobe vorgeführt und Ihr sollt etwas dazu sagen. Ob nun als Autorin oder Autor, ob als Lektorin oder Lektor, ob als Verlegerin oder als Verleger. Oder einfach nur als Liese und Otto Normalleser. Ich möchte eines noch vorausschicken: Ich rede hier nicht von erschienenen Werken, sondern von Leseproben wie sie in Foren, FB-Gruppen oder Schreibgruppen dem Auge des Betrachters vorgeführt werden. Quasi zur ersten Begutachtung. Oder zur ersten Kritik.

 

Nehmen wir also an, dem ist so und Ihr bekommt so etwas zu lesen:

 

Meine Mutter hatte mich als Säugling einfach hier „geparkt“. Warum weiß ich nicht so genau und Großmama wollte auch nicht darüber reden. War ich ein „Kind der Sünde“? Wo ist mein Papa? Oder kam meine „Mama“, weil sie auch so jung war als ich kam, nicht mit mir zurecht? Wo ist meine „Mama“? Auf all diese Fragen bekam ich von meiner Großmama nur die Antwort, „wenn Du größer bist beantworte ich Dir Deine Fragen. Das verstehst du jetzt noch nicht.“ Die anderen Kinder in der Schule tuschelten zwar, ich sei eine „Suk-Rose“, da ich eine etwas goldig farbenden Hautton habe und lange, wohlgeformte Beine. Besser als wenn sie mich „Kamel“ genannt hätten, was sie manchmal sagten, um mich zu ärgern, wenn ich wieder bessere Noten, bedingt durch meinen Fleiß, hatte, als sie. Jedenfalls sehe ich nicht ganz so aus, wie man sich ein typisches polnisches Mädchen so vorstellt. Und das hat wohl mein Unglück heraufbeschworen.

 

Und da sind wir nun beim Punkt Respekt. Wie respektvoll findet Ihr es, wenn eine Autorin oder ein Autor Euch eine solche Leseprobe vorsetzen? Ich finde es offen gestanden respektlos. Was soll ich damit? Soll ich die Arbeit der Verfasserin oder des Verfassers machen? Denn - und das übersehen gerne sehr viele dieser “Ich hau Euch mal was vor die Augen”-TexterInnen - schreiben können ist mehr als schreiben können.

 

Jeder Leser, dem ich meine Geschichte ob ganz oder in Auszügen vorlege, hat meinen Respekt verdient. Ich will etwas von ihr oder ihm. Und dazu gehört, dass er das Beste von mir bekommt, was ich zu bieten habe. Natürlich, kein Text ist perfekt. Sonst wären Lektorinnen und Lektoren überflüssig - was sie aber nicht sind. Es gibt immer etwas zu verbessern, als Autor wird man aber irgendwann betriebsblind und unabhängige Augen sind notwendig. Darum geht es aber auch gar nicht. Würde ich diese Kolumne einem Lektor geben, würde er sicher auch das eine oder andere, was ich toll finde, ankreiden und einen Verbesserungsvorschlag machen.

 

Was ich aber nicht tun werde, das ist diese Kolumne, so wie sie mir aus der Tastatur geflossen ist, online zu stellen. So nach dem Motto: Behaltet Rechtschreib- und Grammatikfehler, wenn Ihr welche findet. Der Inhalt ist das Alpha und Omega, nicht die handwerkliche Ausführung.

 

Doch genau das passiert bei vielen, die sich für eine Autorin oder einen Autor halten. Weil sie entweder nicht verstehen können, dass schreiben können im Sinne der Schriftstellerei eben etwas mehr ist, als nur mal kurz einen Text zu verfassen. Das kann jeder und ist auch nicht schwer. Selbst Hänschen Klein oder Lieselotte Kind bekommen das hin. Nein, zum Schreiben können im Sinne der Schriftstellerei gehört eben auch: Überarbeiten, Fehler ausmerzen, Überarbeiten. Oder sie wollen vielleicht nicht verstehen, dass Schriftstellerei eben etwas mehr ist, als nur Buchstaben zu Worten, Worte zu Sätze, Sätze zu Abschnitten zusammensetzen zu können. DAS ist ein Teil der Schreiberei, aber längst nicht alles.

 

Und wieder sind wir bei dem Punkt Respekt. Nein, man muss uns Mitglieder der schreibenden Zunft nicht gnadenlos respektieren. Ich respektiere auch nicht jeden, der schreiben kann. Da respektiere ich aber das Individuum nicht. Man sollte aber die Tätigkeit des Schreibens als solche respektieren. Und ich finde es einfach nur unverschämt respektlos gegenüber der Schriftstellerei, wenn da Frau Hinz oder Herr Kunz kommen und einen Text verbrechen, der weder überarbeitet noch korrigiert wurde und das als tolles Ergebnis verkaufen wollen: Es gibt sicher eine Welt, die darauf gewartet hat, doch es ist nicht die Unsere. “Es ist doch der Inhalt, der zählt!”, höre ich die jämmerlich klagenden Rufe. Galaktische Götter, ja auch, aber eben nicht nur. Der Verpackung und der Ausführung sollte man ebenfalls einen nicht ganz unbedeutenden Wert beimessen.

 

Doch allzu oft lassen Autorinnen und Autoren - oder besser gesagt jene, die sich dafür halten -, es an diesem Respekt vermissen. Wie etwa in obigem Beispiel zu ersehen ist. Sie oder er wollen sich damit einen Namen machen. Und glauben, weil sie eine Tastatur bedienen können, könnten sie auch schreiben. Nun gut, die digitale Welt macht es ihnen auch zu einfach. Ob Amazon oder sonst etwas, wo man sein Buch veröffentlichen kann. Und es wird veröffentlicht, ohne jeden Respekt gegenüber der Kunst des Schreibens.

 

Sicher, es ist ein Unterschied zwischen einer Bestseller-Autorin wie etwa Joanne K. Rowling und einem Literaten wie Ernest Hemingway. Nichtsdestotrotz, schreiben können beide. Die eine mehr trivial, der andere mehr literarisch. Was aber beiden gemeinsam sein dürfte: Sie haben oder hatten Respekt vor dem Schreiben an sich. Vor dem Handwerk, vor der Kunst. Und das ist wieder einer der Momente, an denen ich denke: Autorin oder Autor sollte doch ein Beruf sein, zu dem eine dreijährige Ausbildung mit Abschluss gehört. Nicht jeder, der mit der Ausbildung zum Handwerker anfängt, schließt diese auch erfolgreich ab. “Nein, Du darfst Dich nicht Elektriker nennen!”. Wäre manchmal schön, wenn man sagen könnte: “Nein, Du darfst keine Bücher veröffentlichen!

 

Das mag sich nun hart oder gar arrogant anhören. Und im Grunde bin ich ja froh, dass es nicht so ist. Ich hätte diese Ausbildung ja auch nicht. Doch zumindest habe ich Respekt vor dem Schreiben und meinen Lesern. Und dazu gehört eben, dass ich nicht jeden Text, der mir gerade aus der Tastatur fließt, online stelle oder auf Papier drucken lasse. Selbst diesen Text nicht. Bis Ihr den zu lesen bekommt, hat er mehr als einen Überarbeitungsdurchlauf hinter sich, aber ich mehr als einmal geprüft, was ich möglicherweise wo falsch geschrieben habe.

 

Und ich gebe zu - vielleicht gehöre ich da auch zu einer Minderheit - ich habe selbst auf Facebook oder in Foren Respekt vor dem Schreiben und meinen Lesern. Wo immer möglich verbessere ich einen Post, wenn ich feststelle, dass er Fehler hat. Das gehört sich einfach als Schriftsteller. Ich tue einen Teufel und sage mir: “Es ist doch die Aussage, die zählt. Was interessiert mich, ob sie richtig geschrieben ist!” Doch, es interessiert mich. Weil zum einen ich selbst diesen Anspruch an mich habe, zum anderen aber - und viel wichtiger! - ich zeigen will, dass ich auch meinen Lesern gegenüber Respekt zolle. Oder ihnen zeigen will, dass ich das geschriebene Wort, auch wenn es nur ein Post ist, wichtig nehme.

 

Und hier sind wir bei einer weiteren Art von Respekt. Dem Respekt gegenüber jenen, die mir folgen. Was soll ich vom Administrator oder Moderator eines Forums, einer Facebook-Gruppe, in denen es um das SCHREIBEN geht, halten, wenn sie selbst nicht in der Lage oder Willens sind, ordentlich und vernünftig zu schreiben? Wenn es ihnen gleichgültig ist, ob ihre Posts Fehler haben oder nicht? Wenn sie nicht dazu in der Lage oder Willens sind, in vollständigen oder ganzen Sätzen zu “reden”: Leseprobe hochladen! - Unbedingt diskutieren! - Was dazu sagen! Ganz ehrlich, was soll ich von so einer Respektlosigkeit gegenüber der Gruppe, gegenüber den Forenmitgliedern halten? Ich unterstelle solchen Leuten, dass sie alles mögliche sind, aber keine guten Autoren … nicht einmal überhaupt Autoren.

 

Das sind nun beileibe keine Einzelfälle, das begegnet mir immer wieder. In Foren, auf Facebook, bei Leseproben, bei Buchvorstellungen …. Das ist in der Regel dann der Moment, in dem ich sage: Zum Teufel mit dem Respekt! Wer respektlos in den Wald hineinruft, darf nicht erwarten, dass es respektvoll zurückschallt!

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Erstellt: 01.10.2017, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 16124