Die Sturmflut (Autor: John Ringo; Die Nanokriege Bd.3)
 
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Die Sturmflut von John Ringo

Reihe: Die Nanokriege Bd.3

Rezension von Jörg Pacher

 

Verfolgt man Sciencefiction vom Rand aus, entsteht leicht der Eindruck, dieses Genre werde hoffnungslos von der Wirklichkeit überrollt. Während technische Innovationen, vor allem im in Bezug auf Computer und Gentechnik jeden Tag auf uns herabregnen, spielen in der Sciencefiction immer noch Raumschiffe eine vorherrschende Rolle und die letzte echte Innovation – Cyberpunk – liegt inzwischen auch schon zwanzig Jahre zurück. Nebenbei hat die sich in der Zwischenzeit – in einer weniger plakativen Auslegung – in Wirklichkeit verwandelt.

Es scheint, als würde Sciencefiction schon lange nicht mehr geschrieben, um sich tatsächlich mit Zukunftsszenarien auseinander zu setzen, sondern vielmehr um Lesern einen nostalgischen Rückblick zu jenen Büchern zu vermitteln, die sie irgendwann in ihrer Jugend verschlungen haben. Und nur weil die Spannung beim wiederholten Lesen raus wäre, wollen sie die in neuer Form nachgestellt bekommen.

Ein Autor, der da etwas Neues verspricht, kriegt natürlich einen Vertrauensvorschuss. Selbst, wenn es sich um einen neokonservativen Amerikaner handelt. Der Military-Sciencefiction-Schreiber John Ringo – ehemaliger Paratrooper und militärischer Berater– ist so rechts, dass seine Kolumnen sogar von Rupert Murdochs New York Post regelmäßig verweigert werden. Den Vertrauensvorschuss kann man ja so erklären, dass der Blick durch ein hochmilitarisiertes Hirn interessante Schlüsse auf den Zustand unserer Welt zulassen könnte.

Tatsächlich werden die Klischees, die man sich in einem solchen Fall dann aber doch erwartet, bereits auf den ersten Seiten erfüllt. Aber schön der Reihe nach…

„Die Sturmflut“, der dritte Band der Reihe „Die Nanokriege“, schildert den Kampf der UFS (Vereinigten Freien Staaten) gegen den „Neuen Aufbruch“ auf der Erde des 41. Jahrhunderts. Raumschiffe gibt es keine. Dafür sind die Rollen sind klar nach Gut und Böse verteilt. Aber auch in den Reihen der (guten) UFS gibt es verweichlichte Elemente, die der ultimative Wehrhaftigkeit im Wege stehen. Erst nachdem sich Herzog Edmund Talbot mit dem Veteranen Herzer und einer Handvoll Elite-Adjutanten um dieses Problem gekümmert hat, kann man den Krieg gewinnen…

Ohne die beiden Vorgängerbände macht „Die Sturmflut“ natürlich relativ wenig Sinn oder ist zumindest verwirrend. Dabei scheint besonders Band Eins „Der Zusammenbruch“ jene Art von Sciencefiction anzubieten, von der hier zu Beginn die Rede war: im 41. Jahrhundert hat die Menschheit sämtliche Energieprobleme gelöst. Aus Nanotechnologie und Gentechnik wurden – anstatt dass sich wirklich neues entwickelt hat – die Kreaturen der Legenden (oder zumindest jene Tolkien) Drachen, Elfen und Orks nachgebaut.

Doch die Energieversorgung bricht zusammen und die existierende Gesellschaftsordnung überlebt das nicht. Es kommt zu den Nanokriegen. Und so dürfen wir uns in „Die Sturmflut“ mit so netten Anachronismen wie Drachen, die auf Flugzeugträgern (mit Namen wie „Reagan“) positioniert sind, aber vor allem mit Army-Mentalität zwischen Schwert und Plattenpanzer auseinandersetzen. Es gibt genügend Platz für Action in diesem einzigartigen Hybriden aus Fantasy und Sciencefiction.

Handwerklich betrachtet schreibt John Ringo natürlich äußerst gelungen. Für den nicht US-patriotischen Lesern wird die suspension of disbelieve trotzdem bereits auf den ersten Seiten ganz schön strapaziert. In der Militärschule des 41. Jahrhunderts wird gleich mal deutlich, dass so gut wie alle Schlachten, die erst wert sind gepaukt zu werden, im 20. Jahrhundert geführt wurden – von Amerikanern natürlich. Und was wir auch erfahren: (Achtung Spoiler für Newsjunkies!) der Krieg gegen den Terror wird für die USA mit einem Sieg ausgehen.

Gut, dass man sich daran noch in 2000 Jahren gerne erinnert, wo doch sonst alle Verbindungen zur unserer Zeit gekappt wurden.

Zu sehr sollte man sich darüber aber nicht beschweren, denn wo „Military-Science-Fiction“ drauf steht, da ist auch Military-Science-Fiction drin.

Da geht es dann eben um typische rechte Themen wie etwa soldatischen Heldenmut versus Dekadenz. Der Kurs den die Helden da zwischen Lässigkeit und Gehorsam fahren, ist dabei aber ein beinahe schizophrener. Die Protagonisten haben die Pflicht den anderen (sprich den „faulen Soldaten“) mal einzutrichtern was Gehorsam ist, sind dabei aber so lässig, wie es nur möglich ist, weil sie ‚von Natur aus’ über den Befehlen stehen. Schließlich sind sie ja ‚die Guten’ und es wird aus ihrer Perspektive geschrieben.

Chauvinistisch sind sie auch. So überlegt ein Protagonist schon mal wofür die Zunge einer weiblichen Soldatin wirklich zu gebrauchen wäre oder aber er kommandiert: „[W]enn du diese Befehle nicht unverzüglich bearbeitest, sorge ich dafür, dass du vor ein Kriegsgericht kommst, UND DANN WERDE ICH DIR DEN KOPF ABREISSEN UND DIR IN DEN HALS SCHEISSEN“ (Wobei die Großschreibung im Zitat exakt aus dem Buch übernommen ist). Nennen wir solche Stellen mal „Geschmackssache“ und folgern:

wer manchmal gern trashige Propaganda-Action-Filme sieht, wird auch dieses Buch lieben, wandert es doch auf dem schmalen Grad zwischen handwerklich gut geschriebener Spannungsliteratur, Exploitation, Kitsch und dem Blick aus der Perspektive einer Weltgeschichte schreibenden Mentalität.

Das ist nicht Sciencefiction, das sind die Abenteuer von hochstilisierten Soldaten unserer Tage in exotischen Kostümen.

Die Technik und ihre Auswirkungen geraten logischerweise ins Hintertreffen. Denn wenn man Gesellschaft nicht als Teil eines evolutionären (oder gar revolutionären) Prozesses ansieht, sondern als mehr oder weniger gelungen Verwirklichung zeitloser Tugenden, können höchstens die Bösen bereit sein mit Neuem zu experimentieren. Das Paradies ist ohnehin die Gesellschaftsordnung, mit der sich der Autor sein bisheriges Leben lang identifizieren konnte.

Das stellt natürlich die Frage, wo John Ringo 1776 gestanden wäre. Wer Interesse hat „Die Sturmflut“ als Kickstart für solcherlei Gedankenexperimente zu verwenden, der ist mit dem Buch sicherlich gut beraten.

Und – weil es so schön ist – zum Abschluss noch ein Zitat: „Der erste Offizier und der Skipper waren befreundet. Sie hatten den Drachenreitern sogar den Namen ihrer verdammten Yacht aufgezwungen. Blue Destiny. Was zum Teufel war das für ein Name für eine Drachenstaffel? [...] Black Aces, Jolly Rogers, Viking Raiders, Death Dealers. Das waren echte Namen. Namen, die verrieten, woran die Piloten glaubten. Nämlich, dass sie dem Feind Tod und Verderben bringen mussten. Blue Destiny, das Kotzen konnte einem Kommen!“

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404260655382e93b8e5
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Die Sturmflut

Reihe: Die Nanokriege Bd.3

Autor: John Ringo

Broschiert - 557 Seiten - Heyne

Erscheinungsdatum: Juli 2006

Auflage: 1

ISBN: 3453521803

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 22.07.2006, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 2582