Dr. Impossible schlägt zurück von Austin Grossman
Rezension von Christian Endres
Gute Superheldencomics haben eine ausgewogene Mischung: Spandexträger-Action und Seifenoper-Elemente müssen sich die Waagschale halten oder zumindest so ausbalanciert sein, dass man die Hefte mit den Strumpfhosen- und Capeträgern, Cyborgs und Mutanten gerne liest. Keiner wusste das besser als Stan Lee, der Erfinder von u. a. Spider-Man und den Fantastischen Vier. Er erhöhte den Soap-Gehalt im Superheldencomic drastisch und revolutionierte damit den klassischen US-Superheldencomic. Bis heute hat das im Genre der kostümierten Heroen Tradition. Neuzeitliche Serienkracher wie Robert Kirkmans Invincible zeigen, dass man auch heute, 70 Jahre nach dem Entstehen Supermans, gute, frische, moderne, rasante Geschichten mit klassischen Superhelden und ihrem Umfeld erzählen kann.
Die Unglaublichen dagegen zeigte, wie man Superheldencomics in einem anderen Medium – dem Animationsfilm – parodieren und trotzdem sehr treffend darstellen kann. Gerade die erste halbe Stunde des Films ist ein echter Reißer und trifft so punktgenau ins Schwarze, dass Bullseye neidisch werden könnte. Unter den vielen Romanen zu Superheldencomics waren in den letzten Jahren außerdem auch immer mal ein paar wenige dabei, die ganz ordentlich funktioniert haben – als bestes und jüngstes Beispiel sei hier mal Jim Butchers Spider-Man-Roman genannt.
Bei Austin Grossmans Superhelden-Roman kommt trotz schöner Aufmachung als knallig gelbes Taschenbuch mit Klappen leider keine Frische rüber, keine Leichtigkeit auf. Ob es am Original oder der Übersetzung liegt, sei einmal dahin gestellt – das ist alles ziemlich bieder vom Stil her, alles reichlich nüchtern und steril. Wo ist da der emotionale Kern des Superhelden? Wo ist der gebeutelte Peter Parkers dieses Romans? Wo der Charme? Wo die Figur, an die man sich trotz aller SUPERlative klammern kann, mit der man leidet und lacht?
Es gibt dumme Verbrecher und es gibt kluge – und es gibt Doctor Impossibe, den viert gefährlichsten Mann der Welt, wie es im Buch heißt. Er hat sich für den Papst ausgegeben und den Mond als Geisel genommen. Und dennoch ist seine Geschichte leider ziemlich lahm.
Es gibt viele Superheldencomics. Da verzeiht man auch mal Mittelmaß. Aber es gibt nicht viele Superheldenromane. Da ist ein müder Flug der Superhelden- und Schurken in Prosa eigentlich ein unverzeihliches No-Go.
Schade.
Nach oben
