Drachenmahl (Autor: Andreas Fischer)
 
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Drachenmahl

Autor: Andreas Fischer

 

Mit einem schläfrigen Blick betrachtete der rote Drache die emsig arbeitenden Männer auf dem Feld. Von seinem Aussichtspunkt aus, dem höchsten Gipfel in dieser Gegend, hatte er den perfekten Blick über das Land. Wer auch immer hier auftauchen würde, er sah ihn immer zuerst und konnte entweder aus dem Hinterhalt angreifen oder, was sehr selten vorkam, die Flucht ergreifen.

"Müht euch nur ab, ihr armes Bauernpack! Wenn ihr mir nicht 4/5tel der Ernte überlaßt, werde ich nicht nur die Ernte verbrennen, sondern Euch gleich dazu rösten."

Er liebte seine Selbstgespräche fast so sehr, wie seine Erscheinung. Für sich war er der gemeinste und kräftigste rote Drache dies- und jenseits dieses Gebirges und der gut aussehenste sowieso. Schließlich war er Incubo der rote Drache, der Alptraum aller Bauern, Fürsten und Grafen in dieser Gegend.

Selbstgefällig erhob er sich und schlug mit seinen Schwingen eindrucksvoll auf und ab, der muskelbepackte Körper verließ seinen Lieblingsplatz und nahm Kurs auf die Leute, die unermüdlich die vertrocknete Erde bearbeiteten.

"Da, der Drache kommt!" gellte ein lauter Ruf über die Ebene. Noch ehe die Leute Schutz suchen konnten, war der Drache inmitten der Menschengruppe gelandet.

Die verängstigten Gesichter, die ihn stumm anstarrten, besänftigen den grausamen Drachen ein wenig. Mit genüßlicher Stimme verkündete Incubo, daß er heute seinen großzügigen Tag habe und deshalb keinen Bauern verspeisen täte. Was er nicht erwähnte, war die Tatsache, daß der gestrige Bauer wohl zu fettig gewesen war. Noch immer litt er unter Magengrimmen und Appetitlosigkeit.

Die Bauern sagten nichts, starr vor Angst standen sie nur da.

"An die Arbeit!" fauchte Incubo böse und eine kleine Feuersäule umspielte seine Nasenlöcher. "Sonst nehme ich nicht 4/5tel, sondern eure gesamte Ernte !" Ohne die armen Menschen eines weiteren Blickes zu würdigen erhob er sich wieder in die Luft und kehrte zu seinem "besten" Platz zurück.

Diese Schmerzen in seinem Bauch wurden einfach nicht besser, vielleicht würden sie vergehen, wenn er einfach nur wieder die Aussicht genießen und den Bauern beim arbeiten zuschauen würde.

Es wurde Abend. Noch immer lag Incubo auf seinem Stammplatz und betrachtete nachdenklich die untergehende Sonne. Sein Magen blubberte und gluckerte unentwegt, ab und an kamen Teile des unverdauten Bauern hoch und kitzelten ihn unangenehm am Gaumen. Morgen würde er seinen Vetter Diabos aufsuchen, obwohl er ihn nicht sonderlich mochte. Vielleicht wußte er ein Mittel gegen seinen rebellierenden Magen. Er würde bei Morgenanbruch losfliegen und gegen Mittag bei ihm sein. Hoffentlich hat Diabos einen guten Tag und ein schlechtes Gedächtnis. Es wäre nicht so günstig, wenn er sich noch an eine alte Begebenheit erinnern würde. Ein hohles Lachen entwich dem Rachen des Drachen und eine gleißende Feuerlanze schoß hoch in den dunkelroten Abendhimmel. "Verdammt!" entwich es dem kranken Incubo. Er hatte zwar Lachen wollen, doch der Feuerstrahl war nicht geplant gewesen! Ja, damals... die jüngste Tochter des Königs hätte Diabos Vorspeise werden sollen und was hatte man seinem Vetter serviert? Fünfzehn muskelbepackte Ritter in dieser elenden harten Eisenschale, dabei wußten doch alle, daß Diabos kein Muskelfleisch mochte, es war ihm zu sehnig! Zum Schluß mußte Diabos sogar die Flucht ergreifen, da sein Feueratem keine Wirkung gezeigt hatte und er war ihm damals nicht zu Hilfe gekommen, sondern hatte noch seinen Spaß daran gehabt zuzusehen, wie seinem Vetter zugesetzt wurde. Na ja, vielleicht hatte er den Zwischenfall doch vergessen. Aua, mein Magen. Incubo stöhnte noch einmal heftig auf und schüttelte sich, sein Körper fing zu zittern und zu vibrieren an. Immer heftiger, immer schneller. "Verdammt, was ist das nur?" Verwirrt erhob sich Incubo in die Höhe, vielleicht würde ihm Bewegung helfen, diesen Schüttelanfall zu lindern.

"Ich verstehe das nicht Majestät! Es ist mir ein Rätsel!" der Alchimist schaute den König betroffen ins Gesicht. "Nach meinen Berechnungen müßte sich das Problem längst gelöst haben!"

"Mein bester Mann hat sich dem Drachen gestellt, mein bester. Mutig hat er sich für das Königreich geopfert, entschlossen hatte er sich dem Drachen zum Fraße vorgeworfen und..." der alte König wankte mit seinen gebrechlichen Beinen auf seinen Thron zurück.

"Morgen werde ich Euch an den Drachen verfüttern lassen, Kyrion! Stümper!" mit mißmutiger Miene nahm der Alte auf seinem weich gepolsterten Sitz Platz und schaute den Gelehrten streng an. "Diesen Abend schenke ich Euch noch, geht in die Schänke, nehmt Euch ein Mädchen, eßt noch einmal gut! Verdient habt Ihr es nicht, Versager! Aber in Anbetracht Eures morgigen Schicksals werde ich noch einmal Gnade vor recht ergehen lassen! Nun verschwindet!" Verausgabt von seinem emotionalen Redeschwall ließ sich der König erschöpft in die Polster zurückfallen.

Niedergeschlagen verneigte sich der Alchemist vor dem König und verließ den Thronsaal. Morgen würde er also sterben. Wie es wohl sein würde, wenn man von einem Drachen verspeist wird? Weitere Gedanken wollte er sich darüber nicht machen, er würde es ja bald am eigenen Leibe zu spüren bekommen!

Nein, der Drache sollte ihn nicht bekommen. Ein Funke seines Lebenswillen entfachte sich wieder, er würde nicht als Drachenfutter enden, eher würde er den Freitod wählen und welche Stelle war dafür günstiger als der nördliche Wachturm. Von diesem würde er in die Tiefe springen.

Niemand von der Wache stellte eine Frage, als er den Turm bestieg. Oben angekommen grüßte er die Wache freundlich und wartete einen günstigen Moment ab. Sobald die Wache wegschaut, klettere ich auf die Zinne und springe. Nun dreh Dich endlich um, du Idiot. fluchte Kyrion ärgerlich.

"Ist das nicht ein schöner Abend!" begann die Wache unvermittelt den Gelehrten anzusprechen. "Seht nur, was für ein prächtiger Sonnenuntergang..."

"Ein schöner Abend um zu sterben!" pflichtete Kyrion der Wache leise bei.

"Was habt Ihr gesagt!"

"Ja, ein wirklich schöner Abend!"

"Das finde ich auch!" stimmte die Wache ihm zu und nahm dies zum Anlaß, über die vergangenen Sonnenuntergänge zu berichten und diese der Schönheit zu werten.

Nur Kyrion interessierte dies nicht im geringsten, er nickte stets und war in seinen Gedanken längst gesprungen und endlich sorgenlos. Er mußte die Wache ablenken, sonst würde er wohl seinen Selbstmordplan aufgeben müssen, nur wie. Sein Blick blieb am höchsten Berg des Gebirges hängen, dort oben saß der Drache, der immun gegen sein Gift zu sein schien.

Er hatte doch alles exakt berechnet und auch die richtigen Zutaten benutzt, genauso wie es in der Rolle der schwarzen Drachentöter stand.

"Was für ein schöner blutroter Sonnenuntergang!" schwelgte die Wache weiter. "Seht nur, es ist das gleiche Rot, wie das vom Drachen. Schaut doch nur mit welcher Anmut der Drache sich in den Himmel geschwungen hat, man kann ihn kaum am Himmel ausmachen!"

"Wie rot?" der Alchimist sah erschrocken vom Berg, zum Himmel, zum Drachen. Rot, der Drache war ROT! Nicht SCHWARZ! Ich Dödel, habe in der falschen Rolle gelesen! "Seht nur!" schrie Kyrion mit gespieltem Entsetzen auf. "Der Drache kommt! Rennt, schlagt Alarm! Der Drache kommt um uns alle zu fressen!"

Verwirrt schaute die Wache angestrengt zum blutroten Himmel hinauf, "Wo denn? Der Drache fliegt ganz gemächlich..."

Da war seine Chance! Die Wache war abgelenkt, so behende wie es nur ging erklomm er die Zinne und atmete noch einmal tief durch. "Adieu, du schöne Welt" stieß er noch einmal aus, bevor ein gleißender, heller Feuerball am Himmelsfirmament für einige Sekunden die Burg in ein hellgelbes, warmes Licht tauchte. "Stark!" kommentiere die Wache beeindruckt die Explosion. "Den Drachen hat es tatsächlich zerissen!"

"Ich bin gerettet! Juhu!" jubelte der Alchemist überglücklich, der noch auf der zugigen Zinne stand. Ein Knall, lauter als der heftigste Donnerschlag, ließ in diesem Moment die Feste erzittern, noch ehe Kyrion sich retten konnte, wurde er von der Druckwelle erfaßt, die ihn erbarmungslos von der Zinne, hinab in Richtung Kopfsteinpflaster, blies.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404242113193c9273e7
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Erstellt: 24.07.2005, zuletzt aktualisiert: 27.09.2016 09:58, 760