Eine wahre Vampir-Geschichte von Eric Stenbock
Hörspiel
Reihe: Gruselkabinett Folge 170
Rezension von Cronn
In der Reihe Gruselkabinett veröffentlicht Titania Medien in schöner Regelmäßigkeit Werke der phantastischen Literatur, adaptiert zu Hörspielen. Mit dabei ist diesmal Eric Stenbock, der als exzentrischer Adliger in die Geschichte eingegangen ist.
Eric Stenbock lebte von 1860 bis 1895 u. a. auf seinem Landsitz in Estland, war aber dem schwedischen Königshaus zugehörig und lebte später hauptsächlich in England. Seine Familie war u. a. verwandt mit Immanuel Kant. Stenbock galt als dekadent, exzentrisch und mehr oder minder offen homosexuell. Er veröffentliche Werke der Dekadenzliteratur, aber auch der Phantastik.
Adaptiert wurde von Marc Gruppe der Text Eine wahre Vampir-Geschichte und wie gelungen das Hörspiel ist, soll nachgehend erläutert werden, beginnend mit dem Inhalt.
Verlagsinfo:
Steiermark, 1894: Was hat es mit dem mysteriösen Fremden auf sich, der eines Abends wegen einer Zugverspätung im Schloss der Familie von Baron Wronski Unterschlupf sucht? Während Gabriel, der scheue Sohn des Hauses, alsbald ein Herz und eine Seele mit dem Gast ist, erweckt er das Misstrauen seiner Schwester Carmela. Eines Nachts macht sie eine schockierende Beobachtung, die sie zunächst für einen Albtraum hält …
Kritik:
Ein Hörspiel steht und fällt mit der Auswahl des Textes, der Adaptionsarbeit und den Sprechern sowie der Soundregie. Marc Gruppe hat mit den letzteren ein gutes Händchen im Fall von »Eine wahre Vampir-Geschichte« bewiesen. Aber mit der Textauswahl kann man nicht durchwegs glücklich sein. Vorsicht: Es folgen kleinere Spoiler.
Das beginnt mit dem Aufbau der Geschichte. Aus der Rückschau heraus werden die Geschehnisse erzählt. Das ist prinzipiell durchaus legitim und ein probates Mittel, doch hier wird sofort der Plot vorweggenommen. Auch der weitere Spannungsbogen ist bereits sehr schnell voraus gezeichnet, der Niedergang der Familie wird schnell klar. Es ist der Weg in die Katastrophe vorgegeben.
Durchaus gelungen – von einem dramaturgischen Standpunkt aus – ist allerdings, wie Stenbock die gierige Zuneigung des Vampirs in den Fokus nimmt und sich nicht nur der Sohn Gabriel als einziges Objekt der Begierde anbietet, sondern auch die anderen Mitglieder des Herrenhauses, bis auf die durch ein Kreuzamulett geschützte Carmela, seine Schwester.
Problematisch ist aber die stark einseitige Darstellung des Vampirs. Diese beinhaltet recht eindeutig homosexuelle Töne, die in einem stark negativen Licht daherkommen. Diese schwüle Erotik eines älteren Mannes zu einem jungen Heranwachsenden mag nicht gefallen. Die Aufdringlichkeit des Vampirs, das Überfallen des jungen Opfers, all das im Verbund mit dem Hintergrund des Autoren erzeugen ein unangenehmes Gefühl.
Was die Darstellung aufwertet, ist eine Stelle, an welcher der Vampir ansatzweise über sein verfluchtes Ewig-Leben und sein Bedauern gegenüber dem Opfer reflektiert. Schade, dass Stenbock dies nicht stärker thematisiert oder Marc Gruppe dies nicht intensiver in den Fokus genommen hat.
Die Sprecher und die Soundregie sind wieder hervorragend. Mit dabei sind die Stimmen von Arianne Borbach, Luisa Wietzorek, Wietske van Tongeren, Martin May, Bene Gutjan, Christoph Jablonka, Marc Gruppe selbst und Bernd Kreibich.
Gerade Luisa Wietzorek lebt mit ihrer Stimme mehrere Gefühlslagen intensiv aus, sodass man als Zuhörer mitfühlen kann.
Fazit:
»Eine wahre Vampir-Geschichte« ist ein Hörspiel, das flau im Magen liegen kann. Der mäßige Aufbau wird positiv durch dramaturgisches Geschick aufgewertet, wobei die negativ konnotierten Untertöne und die in sexueller Hinsicht zweifelhaft dargestellte Thematik schwer ertragbar sind.
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