Elfentochter (Autorin: Holly Black)
Rezension von Christel Scheja
Holly Black ist den meisten wohl als Autorin der „Spiderwick-Chroniken“ bekannt. Nun hat cjb ihren bereits 2003 von Arena veröffentlichten ersten Roman neu aufgelegt, der in seinem Erscheinungsjahr 2002 von der Young Library Association als „Best Book for Young Adults“ ausgezeichnet wurde.
Die 16-jährige Kaye möchte eigentlich ein Teenager mit einem ganz normalen Zuhause sein, bisher haben dies aber die Launen ihrer Mutter nicht zugelassen, die sich in den Kopf gesetzt hat, eine große Sängerin zu werden. Zwar hat ihre Tochter dadurch viel mehr Freiheiten erfahren als andere in ihrem Alter – aber auch viel weniger Liebe und Zusammengehörigkeitsgefühl. Darum beneidet sie die Nachbarskinder Corny und dessen Schwester Janet, zu denen sie den engsten Kontakt an ihrem neuen Wohnort hat. Aber deren Freundschaft hilft ihr auch nicht darüber hinweg, dass sie über ihr Alter hinaus zynisch und vom Leben enttäuscht ist.
Vielleicht hilft ihr aber auch genau diese Einstellung mit den Veränderungen zurecht zu kommen, die sich in ihrem Leben plötzlich ergeben. Ein seltsamer Fremder tritt in ihr Leben. Rath Roiben Rye sieht nicht nur etwas fremdartig aus, er behauptet auch noch ein Elfenritter zu sein. In Kaye erwachen längst vergessene Erinnerungen an ihre frühe Kindheit, in der sie Feenwesen begleitet haben. Sie selbst erfährt, dass sie eigentlich eine Elfentochter ist – ein Wechselbalg, das mit der wirklichen Kaye vertauscht wurde. Aus ihrem Rücken treten Flügel aus, die als letztes Zeichen die Wahrheit seiner Behauptungen beweisen. Nun soll sie in die Anderswelt zurückkehren um dort ihr Volk und Erbe kennen zu lernen.
Neugierig folgt Kaye dem Ruf und muss feststellen, dass Roiben in einem gelogen hat. Die Feen und Elfen sind nicht die freundlichen und hilfsbereiten Wesen aus den Märchen. Sie ist keine verlorene Tochter, die freudig begrüßt wird, sondern soll in einem Ritual des „unseligen Hofes“ geopfert werden. Und damit sie sich nicht dagegen wehrt schlägt er sie und ihre menschlichen Freunde in einen magischen Bann.
Immer wieder haben englische und amerikanische Autoren Elemente aus britisch-irischen Feenmärchen in ihre Jugendbücher einfließen lassen, wenn sie eine etwas magischere Geschichte einfließen lassen, doch keiner hat bisher so konsequent die düstere Seite der Elfen und Feen einfließen lassen. Nicht nur der „Unselige Hof“ (Unseelie Court) zeigt sich von seiner boshaften und gemeinen Seite voller Demütigungen und Perversionen, der „Selige Hof“ (Seelie Court) wirkt fast noch verlogener, denn in ihm reagieren Herzlosigkeit und Grausamkeit einer ganz anderen Art. Vor allem was den Umgang mit den Menschenkindern angeht. Auch Holly die Heldin macht eine gewisse Veränderung durch. Ist sie zunächst noch der schnippische und frustrierte Teenager, so nimmt sie nach und nach Züge ihres eigentlichen Volkes an, um das, was sie erlebt besser ertragen zu können. Trotzdem verliert sie nicht alles von der anerzogenen Menschlichkeit.
Eines sollte man daher nicht vergessen „Elfentochter“ ist trotz seines Titels ein Jugend- und kein Kinderbuch. Es zeichnet das in den klassischen Mythen überlieferte Bild der Feenwelt sehr genau nach und hat alle Verniedlichungen der letzten zwei Jahrhunderte abgestreift.
Ohne viele Worte zu machen erschafft Holly Black einen Kosmos, in dem einem mehr als einmal ein kalter Schauder über den Rücken rinnt. Denn sie muss das Grauen nicht explizit erwähnen, manche eine schlichte Beschreibung reicht schon aus und schlägt auch erwachsene Leser in ihren Bann.
Zusammen mit einer Handlung in der es Schlag auf Schlag geht entsteht so ein höchst unterhaltsamer Roman.