Reihe: Necroscope Bd. 4
Rezension von Ingo Gatzer
Rezension:
Was macht ein Autor, der beim vierten Band seines Horror-Zyklus angelangt ist, und auf das bislang Erzählte bei der Verwendung des fast identischen Personals noch einen draufsetzen möchte? Da bieten sich vor allem zwei Möglichkeiten an: Entweder der Held wird geschwächt oder sein Gegenspieler gestärkt. Brian Lumley - Autor des vierten Band des Necroscope Zyklus, "Entseelt", - tut beides gleichzeitig. Denn durch eine Intervention seines Sohns ist Harry Keogh bei der Rückkehr in seine Welt nicht mehr in der Lage, mit den Toten zu sprechen oder das Möbius-Kontinuum zu nutzen. Gleichzeitig hat sich der mächtige Vampir Janos Ferency wieder erhoben. Der ist nicht nur ein mächtiger Telepath, sondern auch ein Meister in der Kunst, Tote aus ihren Salzen wieder zu beleben. Während einer Drogenfahndung stoßen zwei Mitarbeiter des englischen E-Dezernats in Griechenland auf den Blutsauger. Schon bald muss sich Harry Keogh trotz seiner unvollkommenen Fähigkeiten dem Vampir entgegenstellen. Und anscheinend hat er nur eine Chance den Kampf zu gewinnen: Er muss mit einem Wesen zusammenarbeiten, das vielleicht noch schlimmer als Janos Ferenczy ist.
Da "Entseelt" nun schon der vierte Band der Necroscope-Reihe ist, die Handlung aber stark auf den ersten Bänden aufbaut, hatte man bei Festa die gute Idee, dem Roman eine Zusammenfassung und Chronologie der ersten drei Bücher voranzustellen. So finden sich auch Leser zurecht, bei denen seit der Lektüre der ersten Teile schon etwas Zeit vergangen ist. Neulinge werden es allerdings schwer haben sich so zurecht zu finden. Ihnen sei empfohlen die Lektüre mit Band 1 zu beginnen.
Brian Lumley verbindet seine Kreation deutlich mit der Schöpfung eines anderen Horror-Autors, von dem er vor allem während seines Frühwerks deutlich beeinflusst wurde. Die Fähigkeit Tote aus ihren (essentiellen) Salzen zu beleben, ist natürlich ein Verweis auf H. P. Lovecraft und dessen Werk "Der Fall des Charles Dexter Ward". Sogar die Beschwörungsformel mit der Anrufung von Lovecrafts finsterer Gottheit "Yog-Sothoth" ist ähnlich gestaltet. Es ist schon erstaunlich, wie Lumley immer wieder neue Elemente in seinen Zyklus integriert und das Ganze wie ein homogenes Ganzes wirken lässt, das zudem spannend zu lesen ist.
"Entseelt" enthält nicht übermäßig viele Horrorelemente, sondern ist eher ein Horror-Thriller, der besonders im letzten Drittel durch sie sich abzeichnenden Konfrontation weiter an Spannung gewinnt. Lumley setzt das von ihm erschaffene Grauen eher punktuell ein und kreiert dabei durchaus wirkungsvolle Szenen, wobei er sich in diesem Teil der Reihe auch immer wieder des Ekels bedient um seine Leser zu ergreifen. Als Gegenpol dazu gibt es aber auch einige Sex-Szenen, die aber nie aufgesetzt, sondern immer stimmig wirken.
Die von Michael Plogmann besorgte und von Marcel Häußler überarbeitete Übersetzung aus dem Englischen ist insgesamt als gut zu bezeichnen. Nur ganz selten wirkt sie etwas umständlich. Etwa wenn ein Rumäne gegenüber Amerikanern in "radebrechendem Englisch: ´Auf deutsch heißen sie ´Zigeuner`" von sich gibt. Dieses Sprachwirrwarr - warum greift der Rumäne gegenüber den Amerikanern in Englisch zur Erklärung auf eine deutsche Bezeichnung zurück? - hätte man eleganter lösen können. Zum Glück sind solche unschönen Episoden ausgesprochen selten und schmälern den guten Eindruck, den die Übertragung ins Deutsche hinterlässt, kaum.
Im ersten Teil fehlt es dem Horror-Thriller ein wenig an Action und Abwechslung. Aber spätestens wenn der Vampir Faethor Ferenczy ein weiteres Kapitel aus seinem Leben erzählt und sich der Showdown abzeichnet, ist dieser kleine Makel längst vergessen. Am Ende wartet Brian Lumley zudem mit einem veritablen Cliffhanger auf, den er zuvor schon geschickt angedeutet hatte.
Fazit:
Necroscope - schon lange so etwas wie der definitive Vampirzyklus, fernab von allem pubertären Vampirschmachtfantasien - überzeugt auch mit dem vierten Teil und gefällt mit immer neuen Plotentwicklungen. Diese sorgen nicht nur dafür, dass die Story frisch wirkt, sondern machen auch und Lust auf Teil 5 der Reihe.