Fantasy Frauen: Malen und Zeichnen von Tom Fleming
Rezension von Christel Scheja
Die Edition Fischer gibt neben ihren allgemeinen Ratgebern zum Thema Zeichnen und Malen auch Reihen heraus, die sich mit der Darstellung und Umsetzung von phantastischen Wesen und Settings und der fünften Kunst – den Comics – beschäftigen. Die Werke stammen zumeist von Profis, die auch in dem Bereich arbeiten.
Die Ratgeber wenden sich zwar überwiegend an Künstler, die bereits die Grundlagen beherrschen und nun mehr aus sich und ihrer Begabung machen wollen, oder Profis, die weitergehende Informationen für das Thema benötigen, aber es gibt auch die ein oder andere Ausnahme.
Bill Fleming arbeitete schon kurz nach seinem Studium als freischaffender Künstler und Illustrator – zunächst für die World Wrestling Corporation, später auch für diverse Comic-Verlage, Kartenspiele und Online-Computergames wie „World of Warcraft. Seit 1995 betreibt er sein eigenes Studio und ist sogar als Illustrator und Zeichner für Filme und Fernsehserien aktiv. Sein Herz hat aber immer auch der heroischen Fantasy-Kunst gehört.
Neben Monstern und blutigen Kampfszenen gehören wohl Frauen zu den Motiven, die am meisten gezeichnet werden. Vermutlich überflügeln sie sogar in der Anzahl die beiden erstgenannten, da es im Bereich der Pin-ups fast schon egal, ist, eine leicht bekleidete Frau mit ganz normaler Pistole oder einen Schwert auszustatten, da das Auge des Betrachters ohnehin zuerst auf die Kurven und nackten Tatsachen der dargestellten Frau fällt.
In seiner ausführlichen Einleitung geht Tom Fleming ebenfalls darauf ein, warum Frauen so beliebte Motive sind und wie sich die Darstellung in den letzten fünfzig, sechzig Jahren geändert hat. Genau wie die Figur der Modells ist auch diese dem zeitgenössischen Modetrend angepasst.
Im ersten Kapitel geht er dann auf die Besonderheiten der weiblichen Figur ein. Was macht den Körper erst weiblich. Welche kleinen Details machen deutlich, was man vor sich hat, auch wenn vielleicht der Busen nicht direkt zu sehen ist? Wie gestaltet man diese Bereiche am glaubwürdigsten.
Im zweiten Kapitel gibt es Schnellkurse zu den verschiedenen Zeichen- und Maltechniken mit vielen kleinen Tipps und Hinweisen aus seinem eigenen Erfahrungsschatz, bevor er sich dann im vierten dem Charakteraufbau zuwendet. Was kann zu einem Motiv inspirieren und wie legt man sich entsprechende Sammlungen an? Wie wichtig werden in diesem Moment die Pose und der Gesichtsausdruck, um die Figur möglichst glaubwürdig wirken zu lassen? Sollte man auch mit Fotos und einem Modell arbeiten?
Ein eigenes Kapitel sind den Haaren und dem Kostüm gewidmet, die ebenfalls zu den wichtigen Details einer Figur gehören und erst deutlich machen, was sie eigentlich darstellen sollen. Dabei geht er auch auf das Zeichnen von bestimmten Oberflächen ein, selbst „Make-up“ wird nicht vergessen.
Im fünften Abschnitt stellt er nun einige „Weibliche Rollen“ genauer vor – sprich, er erläutert Schritt für Schritt von der ersten Entwurfsskizze bis hin zu dem fertigen Bild, wie er zum Beispiel eine SF-Heldin, Fee oder Göttin in verschiedenen Techniken zeichnet und malt.
Danach folgt noch eine kleine Galerie mit einigen seiner Werke, um die Vielfalt von Themen und Motiven zu zeigen und natürlich auch um sich selbst ein wenig ausführlicher zu präsentieren.
„Fantasy Frauen: Malen und Zeichnen“ ist eines der Bücher, in denen sich der Künstler nicht ganz entscheiden kann, ob er dem Leser und Ratsuchenden genau beschreiben soll, wie man etwas zeichnet, oder in erster Linie seine ureigene Herangehensweise an die Motive schildert und dabei auch manchmal gehörig abschweift.
Zwar erhebt Tom Fleming den Anspruch, auch Laien das Zeichnen von Frauen in archaischen oder futuristischen Settings beibringen zu wollen, aber dem wird er nicht immer gerecht.
Interessant ist die Einleitung, die zwar nur sehr oberflächlich auf das Bild der Frau in der Kunst eingeht, aber allein der abschließende Vergleich öffnet bereits die Augen. Interessant sind auch die Erörterung zu den vielen kleinen und wichtigen Details, die eine Frau erst zur Frau machen – aber ein absoluter Einsteiger, der bisher gerade einmal Strichmännchen zeichnen konnte, wird hier nicht an die Hand genommen, ebenso wie Anfänger, die zwar schon ein paar Grundlagen erlernt und den weitergehenden Techniken gehört haben, denen aber noch Übung fehlt, gerade was Anatomie angeht.
Alles in allem ist auch dieses Buch eher für Fortgeschrittene gedacht, die das Technikkapitel zur Auffrischung brauchen und dort noch den ein oder anderen interessanten Tipp finden, aber nicht mehr an die Hand genommen werden müssen. Sie erfahren eine Menge über Gestik und Mimik, Accessoires, Haare und körperliche Details, mit denen sie ihre Motive aufwerten können. Die Erklärungen sind sehr leicht verständlich – kurz und prägnant, aber detailliert genug, so dass man nicht lange überlegen muss, was der Künstler nun eigentlich damit sagen will.
Informationen, die über die Technik hinaus gehen, aber den das Verständnis für das Motiv erweitern und vertiefen könnten, findet man allerdings nicht viele und wenn, dann sind sie eher schwammig.
Experten und Profis dürften durch die Beschreibung zwar die Arbeitsweise von Tom Fleming sehr leicht analysieren, aber nicht wirklich viel für sich aus dem Buch heraus ziehen, da ihnen ohnehin die meisten Tipps und Hinweise selbst bekannt sein dürften.
Was die Motive angeht, bleibt „Fantasy Frauen“ allerdings sehr einseitig. Die meisten Figuren sind in erotischen oder heroischen Posen gezeichnet, die zwar sehr viel ausstrahlen und den Blick des Betrachters einfangen, aber nicht wirklich geeignet sind, wenn man eine Geschichte illustrieren oder ein stimmungsvolles Cover zeichnen möchte. Doch letztendlich gehören sie in das Repertoire jedes Fantasy-Künstlers und werden von der Masse genau so oft verlangt wie auch schnell vergessen.
Alles in allem ist „Fantasy Frauen: Malen und Zeichnen“ für alle Hobbykünstler interessant, die nach kleinen Tipps und Hinweisen zur Darstellung von weiblichen Wesen in der Fantasy suchen, aber schon die Grundlagen der entsprechenden Techniken beherrschen. Sie werden hier mehr als fündig.
Auch wer nur nach Informationen sucht und herausfinden möchte, warum erotische und heroische Posen für Frauen in den phantastischen Genres so beliebt sind, wird fündig, selbst wenn er nach der ein oder anderen Erläuterung etwas suchen muss.
Und nicht zuletzt erhält man einen Bildband mit Werken eines Fantasy-Künstlers, der sonst nie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden würde.
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