Flucht ins Chaos von Alan Dean Foster
Reihe: Pip und Flinx
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Noch nie war es Flinx so gleichgültig, dass er den Schlüssel zur Rettung des Universums in Händen hält. Er trauert um seine Freundin Clarity, die er bei seinem letzten Abenteuer verloren hat. Sein intelligentes Schiff legt ihm nahe, sich eine Auszeit zu nehmen. Flinx wählt den Planeten Jast als Ziel, ohne zu ahnen, dass sein Urlaubsparadies eine Gefahrenzone von tödlichster Güte ist …
Rezension:
Das Humanx-Universum von Alan Dean Foster ist inzwischen zu einem unglaublich buntem und vielseitigen Weltenentwurf angewachsen, dem man den kosmopolitischen Charakter seines sympathischen Autors deutlich anmerkt. Nicht nur die Vielfalt und Exotik der Pflanzen und Tiere brachte Foster von seinen Reisen mit nach Hause, man merkt seinen Werken auch immer deutlicher an, dass er die starren Grenzen von Schwarzweißmalerei satt hat und sich eher dem Verbindenden zwischen den Menschen verpflichtet fühlt, als dem, was sie trennt. So gelingt es ihm nicht nur, kriegerischen Szenarien wie Star Wars neues Leben einzuhauchen, auch in seiner eigenen Kreation vollzieht er immer wieder humanistische Erfahrungen. So steht auch Flucht ins Chaos (eine recht schwache Übertragung des Originaltitels Sliding Scales), ganz im Zeichen eines besseres Verstehens.
Flinx ist depressiv. Das ganze Weltrettungsszenario brachte ihm bisher nur Ärger und Kopfschmerzen, eine bösartige Schwester und eine schwer verletzte Freundin. Zwar spürt er die schicksalhafte Notwendigkeit seiner Mission, aber so richtig dazu aufraffen kann er sich nicht. da schlägt ihm sein Schiff vor, Urlaub zu machen. Irgendwo, wo das Commonwealth nichts zu sagen hat, wo es in erster Linie ruhig und friedlich ist. So der Plan.
Jedoch ist der Wunschplanet nur oberflächlich gesehen ideal zum Entspannen. Jast nämlich wird von einbeinigen Tentakelköpfen bewohnt, die mit dem Anschluss an das AAnn-Imperium liebäugeln. Daher gibt es auch diverse AAnn-Institutionen auf Jast, die in erster Linie dafür sorgen sollen, dass die Vssey auch ja die positiven Seiten des AAnn-Imperiums kennenlernen. Daher wird der Weichhäuter zwar mit Misstrauen behandelt, aber nicht gleich liquidiert. Flinx arrangiert sich mit der ihm aufgehalsten Bewachung und zunächst scheint alles gut zu gehen. Doch der AAnn, der ihm als Führer dienen soll, hat ganz eigene Pläne.
So findet sich ein unter Amnesie leidender Flinx urplötzlich in einer unwahrscheinlichen Umgebung wieder: Als Mensch allein in einer AAnn-Künstler-Community.
Was man auch immer vom neuesten Flinx-Roman erwartete, es wird sich nicht erfüllen. Vielleicht gibt es kritische stimmen, die diesen scheinbaren Lückenfüller zugunsten eines Lore-Romans lieber weggelassen sähen, aber wer sich ernsthaft mit Fosters Absichten auseinander setzt, wird erkennen, dass der Autor hier nicht nur einfach Seiten füllt, sondern tatsächlich ein riesiges Loch in seinem Universum stopft. Die Art und Weise, wie er den AAnn neues Leben einhaucht, ihre Kultur umfassend erweitert, ist beeindruckend. Flinx hat nicht nur Gelegenheit, sich mit seinem blanken Wesen auseinanderzusetzen und damit tatsächlich so etwas wie Selbstfindung zu betreiben, er erfährt auch so etwas wie Gemeinschaft. Eine Verbindung von Individuen über eine andere Art von Motivation. Nicht die große Aufgabe verbindet sie, sondern Wertschätzung als Person, als Summe der Fähigkeiten.
Aber auch darüber hinaus wird der Leser nicht enttäuscht. Foster beschreibt mehrere biologische Novitäten, indem er sich mit Hingabe eine Welt ausdenkt, in der die Lebensformen sich mit Hilfe von Gasdruck fortbewegen. So gibt es Jäger und friedliche Pflanzenfresser, Schwärme und Einzelgänger, kleine und große Vertreter – Fosters Fantasie ist ungezügelt. Dadurch wirken auch seine Vssey sehr glaubwürdig. Gebunden an ihre langsame und rechte hilflos scheinende Fortbewegungen sind sie dennoch eine hochintelligente und heterogene Rasse mit eigenen Komplexen und Stärken. Wenn man bedenkt, dass Foster für diese intensive Charakterisierung nur wenige Seiten benötigt, manifestiert sich seine Meisterschaft umso deutlicher.
Arndt Drechsler schuf wie gewohnt ein stimmungsvolles Titelbild, das zum Roman passt und auch im Regal würdig neben seinen Vorgängern glänzt.
Fazit:
»Flucht ins Chaos« ist ein neuerlicher Beweis für die Erzählkunst von Alan Dean Foster. Der Band erweitert nicht nur eindrucksvoll das Humanx-Universum – mit einer Vielzahl exotischer Lebensformen und einer durch und durch humanistischen Ideenwelt zählt Foster zu den Autoren, die ihre Art der Lebensfreude durch ihre Werke zu vermitteln verstehen und damit durchaus gegen den Strom schreibt.
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