Gargoyle (Autor: Andrew Davidson)
 
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Gargoyle von Andrew Davidson

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

Mit Gargoyle hat der 39-jährige Schriftsteller Andrew Davidson seinen Debütroman vorgelegt. Dem 576 Seiten starken Buch eilt ein für ein Erstlingswerk beachtlicher Ruf voraus: Bereits vor Erscheinen war es in 26 Länder verkauft und stieg zudem sogleich in die Bestsellerliste der New York Times ein. Kann der Roman die daraus resultierenden hohen Erwartungen rechtfertigen?

 

Bei einen Autounfall erleidet der Ich-Erzähler schwerste Verbrennungen. Die langwierigen Behandlungen im Krankenhaus erträgt er angesichts fürchterlicher Schmerzen und lebenslanger körperlicher Entstellungen zunächst nur durch Zynismus, Morphium und Selbstmordpläne. Doch dann besucht ihn eine unbekannte Frau, die sich als Marianne Engel vorstellt. Die Bildhauerin, die nach eigener Aussage Gargoyles aus Steinen befreit, behauptet den Ich-Erzähler schon einmal getroffen zu haben: Vor rund 700 Jahren. Zunächst ist sich das Verbrennungsopfer sicher, dass Marianne Engel psychisch gestört ist. Doch nach und nach offenbart die Bildhauerin ihm ihre vermeintliche gemeinsame Geschichte.

 

Andrew Davidson ist mit Gargoyle ein bemerkenswertes und vielschichtiges Debüt gelungen. Er schildert ausführlich seine im wahrsten Sinne gebrandmarkte Hauptfigur in seiner ganzen zerschundenen Körperlichkeit, vermeidet aber den Leser zu langweilen, indem er ihn zusammen mit dem Protagonisten immer wieder in andere Erzählwelten abtauchen lässt. Sei es, dass der Ich-Erzähler über sein bisheriges Leben reflektiert, Marianna Engel ihr vermeintliches Leben resümiert oder auch nur eine Geschichte erzählt. Gerade wenn die Bildhauerin von ihrer Vergangenheit berichtet, wird “Gargoyle“ zum fesselnden historischen Roman. Steht zunächst das frühere Leben des Ich-Erzählers als Porno-Darsteller und danach Schmerzen und Rehabilitation im Vordergrund, verwandelt sich das Buch doch bald merklich in einen Liebesroman. Dafür sorgen besonders die verschiedenartigen Binnen-Geschichten, die Marianne Engel erzählt. Glücklicherweise gelingt es dem Autor dabei aber weitestgehend die Klippen des Kitsches zu umschiffen. Zudem beweist Andrew Davidson gerade gegen Ende seine schriftstellerische Kunstfertigkeit indem er gekonnt den wohl berühmtesten Roman des Mittelalters als Folie und Spiegel für sein Werk und seine Hauptfigur benutzt ohne das dies aufgesetzt oder zu konstruiert wirkt.

 

Der Schreibstil des Autors ist durch häufige Vergleiche und Metaphern geprägt. Da diese meistens sehr treffend sind, sorgt dies für interessante und auch manchmal komische Veranschaulichungen. Etwa wenn die Bandagen des Ich-Erzählers einerseits als Kokon und andererseits als Leichentücher interpretiert werden. Gerade anfangs benutzt der Autor aber zu häufig anaphorische Satzkonstruktionen von ermüdender Länge.

 

An einigen Stellen im ersten Teil des Buches gelingt es Andrew Davidson seine Leser durch schwarzhumorige Sequenzen zu unterhalten. Hervorzuheben ist hier, wie der Ich-Erzähler seinen perfekten Selbstmord plant. Mit den gesundheitlichen Fortschritten der Hauptfigur treten diese Szenen, für die der Autor ein unbestreitbares Talent besitzt, leider in den Hintergrund.

 

Die von Eike Schönfeld besorgte Übertragung aus dem kanadischen Englisch ist insgesamt als vollauf gelungen zu bezeichnen. Sein Sprachgefühl dokumentiert der Preis der Leipziger Buchmesse 2009, den er gerade erst für die Übersetzung von Saul Bellows Roman “Humboldts Vermächtnis“ erhalten hat. Ganz selten einmal wirkt die Übertragung etwas hölzern, beispielsweise wenn er das Adjektiv “besternt“ verwendet, das zwar grammatikalisch völlig richtig ist, dem aber die Poetizität der beschriebenen Szene abgeht.

 

Dem Rezensionsexemplar lag zudem eine aufwändig produzierte DVD bei, zu der man dem Verlag Bloomsbury Berlin nur gratulieren kann. Wer den Silberling in die Hände bekommt, sollte aber unbedingt erst die Lektüre abgeschlossen haben.

 

Fazit:

“Gargoyle“ gehört zweifellos zu den bisher besten Romandebüts des Jahres. Dem Autor gelingt der Spagat zwischen phantastischem, historischen und Liebesroman. Leser, denen dieser Mix gefällt, sowie ein unterhaltsames und facettenreiches Buch mit einem gewissen Anspruch zu schätzen wissen, sollten “Gargoyle“ von Andrew Davidson umgehend aus den Bücherregalen befreien.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404261343500193edcb
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Buch:

Gargoyle

Autor: Andrew Davidson

Übersetzer: Eike Schönfeld

Bloomsbury Berlin, 31. Januar 2009

gebunden, 576 Seiten

 

ISBN-10: 3827007828

ISBN-13: 978-3827007827

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 05.04.2009, zuletzt aktualisiert: 18.10.2023 18:41, 8524