GAZPROM – Das Geschäft mit der Macht (Autor: Walerij Panjuschkin und Michail Sygar)
 
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GAZPROM – Das Geschäft mit der Macht von Walerij Panjuschkin und Michail Sygar

Rezension von Christine Schlicht

 

Gas ist eine Waffe?

 

Zumindest behauptet das Wjatscheslaw Scheremet, der ehemalige stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Gazprom im Interview mit den Autoren. Gas kann in der Tat brennen, explodieren und ersticken. Aber kann man es tatsächlich als Waffe verwenden?

 

Wenn man auf die Zahlen sieht, dann bekommt man schon eine kleine Vorstellung davon, wie Scheremet das meinen könnte: Deutschland bezieht 45% seines Gases aus Russland, Österreich 75% und Finnland ist zu 100% von russischem Gas abhängig.

 

Eine Waffe? Erinnert man sich noch an die Zeit, als Russland der Ukraine den Gashahn zudrehte, angeblich, weil man das Gas nicht bezahlen konnte? Oder tat man das nicht vielmehr, weil dem Kreml der Ausgang der Wahlen in der Ukraine nicht gefiel? Ist noch gar nicht so lange her, aber man vergisst ja so schnell. Und irgendwie hat man ja auch nur die Hälfte mitbekommen.

 

Und das ist das größte Problem: Was weiß man im Westen wirklich über die Strukturen von Gazprom und die Leute die hinter dem Konzern stehen? Über seine Verbindungen in andere Bereiche und den Einfluss des Konzerns auf Politik und Wirtschaft? Schon Chruschtschow hat es verstanden, Gazprom als Machtelement zu nutzen, seine Nachfolger ebenso. Mit Gorbatschow schienen sich westliche Wirtschaftsmethoden auch in Russland durchzusetzen, aber alte Strukturen sind nicht so leicht aufzubrechen, so dass Gazprom weiterhin ein Instrument der Macht im Kreml blieb. Oder nutzt Gazprom den Kreml als Instrument? Zumindest scheint es, als könne ein Politiker nur dann etwas werden, wenn er dem Konzern genehm ist. Der Konzern fördert auch schon mal Diktatoren, wenn sie Garanten sind, dass die Geschäfte weiter gut laufen. Egal, was diese mit ihrem Volk anstellen, wie zum Beispiel Lukaschenko in Belorussland.

 

Gazprom ist ein Staat im Staat. Der Konzern verfügt über eine eigene Bank, verfügte auch über eine eigene Versicherung, eigene Krankenhäuser, eigene Städte (in den Fördergebieten), sogar eine eigene Armee nennt der Konzern sein Eigen, einen bewaffneten Sicherheitsdienst.

 

Gas ist eine Waffe!

 

Nach der Lektüre dieses Buches ist man davon überzeugt. Aber wie alle Waffen ist auch das Gas nur so scharf, wie derjenige, der diese Waffe in Händen hält, es haben will. Und die Hände, die sie derzeit in Händen halten, lassen nichts Gutes ahnen.

 

Ohne Informationen, wie die Macht in Russland verteilt ist und wie sie funktioniert, kann man nicht nachvollziehen, welche Bedrohung oder welcher Segen das russische Gas für den westlichen Verbraucher ist. Nachrichten kommen nur spärlich, was weiß man schon wirklich über Russland? Wie die Menschen und die Politiker dort ticken? Und wen interessiert es, solange die Gasheizung das Haus mollig warm macht?

 

Gas ist unpolitisch. Dieses Buch enthüllt die Hintergründe, entwirrt den gordischen Knoten der Strukturen von Politik und Wirtschaft von den Zeiten der Sowjetunion bis hin zu Präsident Putin und stellt sie in erschreckender Klarheit dem Leser dar.

 

Die beiden Autoren haben sehr gründlich recherchiert und alle zu Wort kommen lassen: Vom einfachen Arbeiter bis hoch zu den Vorstandsvorsitzenden von Gazprom oder zu den Ministerpräsidenten. Nur wenige wollten nicht mit ihnen reden: Diejenigen, die jetzt die Zügel von Gazprom in Händen halten, oder zumindest glauben, das zu tun, wie zum Beispiel Gerhard Schröder oder Putin selbst. Die Geschassten hingegen, die diese Zügel einst hielten, reden gern. Sie zerfleischen sich mit gegenseitigen Vorwürfen, dass der jeweils andere Schuld an allem sei. Den Dorn im eigenen Auge sehen sie nicht... aber das ist wohl eine menschliche Eigenschaft, die Politiker und Manager in aller Welt für sich abonniert haben. Bei ein paar dieser Interviewpartner wird man auch das Gefühl nicht los, dass sie nur verbittert darüber sind, nicht mehr mitmischen zu dürfen und auch nicht wahrhaben wollen, dass ihre Nachfolger auch nicht so schlecht sind. Dennoch – Rem Wjachirew war lange Zeit so etwas wie der Zar von Gazprom und man bekommt den Eindruck, dass er zumindest zeitweise auch so etwas wie der heimliche Herrscher Russlands war.

 

Panjuschkin und Sygar schreiben und arbeiten journalistisch seriös wie Franz Alt, lassen aber auch stellenweise den bissigen Witz eines Michael Moore durchblitzen. Das Buch wäre allerdings flüssiger zu lesen, hätten sich die Autoren wenigstens innerhalb eines Kapitels an chronologische Abläufe gehalten. Das beständige Springen in den Jahren macht es ein bisschen schwierig, auch den Gedankengängen zu folgen. Dazu kommt, dass die vielen russischen Namen etwas verwirrend sind, aber das ist ein Problem der westlichen Leser, nicht der Autoren. „Gazprom – das Geschäft mit der Macht“ ist ein wichtiges Buch, um die Hintergründe eines dem Westen doch irgendwie fremden Landes klarzumachen.

 

Und es lässt den Leser schaudern, wenn er wieder an seinem Gasherd steht, um sein Mittagessen zu kochen. Wie lange mag das noch gehen?

 

Oh ja, man kann Gas als Waffe verwenden. Eine Bedrohung ist es allemal.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329022212f75f25d7
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GAZPROM – Das Geschäft mit der Macht

Autor: Walerij Panjuschkin und Michail Sygar

Broschiert: 304 Seiten

Verlag: Droemer/Knaur; Auflage: 1 (Januar 2008)

Sprache: Deutsch

Übersetzung aus dem Russischen: Helmut Ettinger

Umschlagillustration: Jürgen Gawron

Gestaltung: ZERO, München

ISBN-10: 3426274523

ISBN-13: 978-3426274521

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 27.03.2008, zuletzt aktualisiert: 18.10.2023 18:41, 6163