Rezension von Christel Scheja
Der 1946 geborene F. Paul Wilson ist eigentlich praktizierender Arzt und lebt in New Jersy USA. Seit Ende der 1980ger Jahre macht er allerdings auch als Autor Furore, wurde sein „Adversary“-Zyklus mehrfach preisgekrönt und auch international zum Bestseller.
Mit der Mischung aus Science Fiction, Horror und Thriller schlug er in eine Kerbe, die auch genrefremde Leser erreichte und fesseln konnte.
Der zentrale Held dieser Romane war „Handyman Jack“, ein Mann, der es sich eigentlich zur Aufgabe gemacht hat, bei guter Bezahlung oder aus anderen Gründen der Gerechtigkeit dort Geltung zu verschaffen, wo der Rechtsstaat versagt. Der Figur sind auch sechs der insgesamt elf Geschichten der Story-Sammlung „Handyman Jack“ gewidmet.
Jacks oberster Grundsatz ist es um jeden Preis unauffällig zu bleiben, damit weder Zeugen noch die Polizei auf ihn aufmerksam werden können. Er pflegt sein unscheinbares Image, hat zugesehen, dass er aus jeder Datenbank verschwunden ist und achtet extrem auf Diskretion, nur damit sich die Leute nicht an ihn und sein Gesicht erinnern können.
Denn nur durch eine gewisse Anonymität kann er seinem Job in Ruhe nachgehen. Er kümmert sich um diejenigen, die von offiziellen Stellen keine oder nur unzureichende Hilfe erwarten können. Zudem führt er den ein oder anderen illegalen Auftrag durch.
Manchmal gerät er allerdings auch ohne es zu wollen zwischen die Fronten. So wie in dem Drugstore, den er mit einer guten alten Freundin betritt, um einen Kaffee zu trinken. Schon beim Betreten fühlt er sich unwohl und glaubt, dass das ein Fehler sein könnte – und tatsächlich gerät er mitten in einen Raubüberfall mit Geiselnahme.
Ein anderes Mal ist ihm ein Feind auf die Schliche gekommen und verfolgt Jack, um ihn körperlich wie seelisch zu vernichten. Nun muss der Handyman zeigen, dass er wesentlich klüger und gewitzter ist.
Bei einem Einbruch, der eigentlich anderen Zwecken dienen sollte, hilft er einer von ihrem Mann geprügelten Frau, die langsam nicht mehr weiter weiß, dann verhilft er einem arabischstämmigen Geschäftsmann zu seinem Recht, der von einem Unbekannten terrorisiert und erpresst wird. Doch streckt wirklich Ausländerhass dahinter? Oder hat der Fremde, der Frau und Sohn des Mannes entführte, um ihn zu demütigenden Aktionen zu zwingen auch noch andere Gründe für sein grausames Verhalten?
Die restlichen Geschichten, auch wenn sie nicht alle mit Jack zu tun haben, sind ähnlich gestaltet. Sie zeichnen ein dunkles Bild der modernen Welt und spielen allesamt in einem begrenzten sozialen Umfeld und unter den kleinen Leuten, die sich von den Behörden oft nicht Gerechtigkeit erhoffen können und selbst aktiv werden oder entsprechende Hilfe finden müssen.
Die Erzählungen besitzen allesamt einen eher zynischen Unterton und sehen Selbstjustiz und illegale Handlungen als legitimes Mittel an, um sich zu wehren oder durchs Leben zu schlagen. Allerdings blendet F. Paul Wilson dabei nicht aus, dass die gewählten Aktionen durchaus auch daneben gehen oder genau das Gegenteil bewirken können. Interessant ist auch, dass Handyman Jack und Co trotz des Fehlens moralischer Grenzen durchaus ein Mensch mit Gefühlen und Schwächen geblieben ist.
F. Paul Wilsons Stil ist kraftvoll und ohne Schnörkel, er erzeugt die passende Atmosphäre mit nur wenigen Beschreibungen und hält durch eine geschickte Dramaturgie in Atem, denn wirklich vorhersehbar ist so gut wie keine Geschichte, egal wie kurz oder lang sie ist.
Da macht es auch nicht viel aus, dass der phantastische Anteil in den Stories eher gering ist und nur in „Der letzte Rakosh“ etwas deutlichere Verknüpfungen mit dem „Adversary“-Zyklus geknüpft werden. So kann man die Geschichten auch ohne Kenntnis desselben genießen und erfährt erst durch das Nachwort des Übersetzers interessante Details zu den Geschichten.
Die „Handyman Jack“- und auch die restlichen Erzählungen überzeugen vor allem durch ihre intensive Atmosphäre und die gelungene Charakterzeichnung der Figuren. F. Paul Wilson gelingt es mit dieser Mischung, den Leser in eine andere Welt zu entführen und doch mit vertrauten Helden zu konfrontieren, die von der Straße geholt zu sein scheinen, ohne dabei schwere Geschütze in Sachen Phantastik auffahren zu müssen.